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Landesarbeitsgericht Hamm Urteil02.09.2010
Elektroroller im Büro aufgeladen – Kündigung unwirksamVerlorengegangenes Vertrauen kann durch Abmahnung wieder hergestellt werden
Die Kündigung eines Angestellten wegen des Aufladens eines Elektrorollers im Büro ist unwirksam. Die Kosten von 1,8 Cent für den rund eineinhalbstündigen Ladevorgang rechtfertigen keine Entlassung. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Hamm.
In dem Verfahren streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung. Der jetzt 41-jährige Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. August 1990 beschäftigt, zuletzt als Netzwerkadministrator.
Aufladen des Elektrorollers verursacht Stromkosten im Umfang von etwa 1,8 Cent
Im Mai 2009 hatte er sich für einige Tage einen Elektroroller gemietet, den er auch am Freitag, den 15. Mai 2009 zur Fahrt in den Betrieb nutzte. Dort schloss er den Roller im Vorraum zum Rechenzentrum der Beklagten an eine Steckdose an, um den Akku aufzuladen. Nachdem der Roller ca. 1 ½ Std. aufgeladen worden war, nahm der Kläger den Akku vom Stromnetz, nachdem er von einem Vorgesetzten dazu aufgefordert worden war. Dabei sind Stromkosten im Umfang von etwa 1,8 Cent entstanden.
Arbeitgeber kündigt Arbeitnehmer wegen Begehens eines Vermögensdelikts zum Nachteil des Arbeitgebers
Mit Schreiben vom 27. Mai 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos sowie hilfsweise ordentlich fristgerecht zum 30. November 2009. Sie hat sich darauf berufen, dass der Kläger ein Vermögensdelikt zu ihrem Nachteil begangen habe, weil er heimlich auf ihre Kosten seinen privaten Elektroroller am Stromnetz aufgeladen hat. Mittlerweile hat der Kläger erfolgreich an der Betriebsratswahl teilgenommen.
Arbeitgeber hatte keine Einwände gegen das Aufladen von Handys im Büro oder das Betreiben elektronischer Bilderrahmen
Das Arbeitsgericht Siegen hat die Kündigung für unwirksam gehalten. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor dem Landesarbeitsgericht Hamm ohne Erfolg. Da es keine absoluten Kündigungsgründe hat das Landesarbeitsgericht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Interessenabwägung vorgenommen. Diese geht zulasten der beklagten Arbeitgeberin aus. Berücksichtigt hat das Gericht dabei den geringen Schaden von 1,8 Cent, die 19 –jährige Beschäftigung des Klägers und nicht zuletzt den Umstand, dass im Betrieb Handys aufgeladen und elektronische Bilderrahmen betrieben wurden, die Arbeitgeberin aber nicht eingegriffen hätte. Daher hätte das verlorengegangene Vertrauen durch eine Abmahnung wieder hergestellt werden können.
Auflösungsantrag des Arbeitgebers bleibt ebenfalls erfolglos
Auch der von der Arbeitgeberin gestellte Auflösungsantrag blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Die Arbeitgeberin hatte ihn im Wesentlichen damit begründet, der Kläger habe zwischen den Instanzen durch sein Verhalten gegenüber den Medien eine Situation herbeigeführt, die es Ihr unzumutbar mache, ihn weiter zu beschäftigen. Als über seinen Fall im Fernsehen berichtet werden sollte, hatte er Handzettel im Betrieb verteilt, die auf die Sendung hinwiesen. Durch seinen reißerischen Auftritt in den öffentlichen Medien habe er dem Ansehen des Unternehmens massiv geschadet. Außerdem habe der Kläger in einer E-Mail an den Geschäftsführer Anschuldigungen gegenüber seinem unmittelbaren Vorgesetzten erhoben, die die Arbeitgeberin selbst als emotionalen Rundschlag ansieht. Nach der Auffassung des Landesarbeitsgerichts begründet dies nicht, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwartet werden kann. Der Kläger sei nicht von sich aus an die Medien herangetreten. Sein Verhalten sei durch die emotionale Ausnahmesituation während des Prozesses erklärbar.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.09.2010
Quelle: Landesarbeitsgericht Hamm/ra-online
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