In dem zugrunde liegenden Fall verklagte eine Arbeitnehmerin eine Kollegin auf Zahlung von Schmerzensgeld. Die Klägerin behauptete, von der Beklagten während einer Spätschicht im März 1997 mit einem Sicherheitsschuh getreten worden zu sein, als sie sich gerade zu einer Kiste bückte. Sie habe dabei Schmerzen empfunden und geweint, was eine andere Kollegin auch mitbekam. Die Klägerin arbeitete anschließend bis Schichtende um 22 Uhr weiter und fuhr nach Hause. Jedoch seien die Schmerzen in der Nacht schlimmer geworden, so dass sich die Klägerin am nächsten Morgen zu ihrem Arzt begab. Dieser schickte sie ins Krankenhaus, wo ein Steißbeinbruch festgestellt wurde.
Das Arbeitsgericht Krefeld wies die Schmerzensgeldklage ab. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass sie von der Beklagten getreten worden sei. Selbst wenn dies der Fall gewesen sei, lägen zwischen dem Tritt und dem Arztbesuch ca. 15 Stunden, in denen sich die Klägerin die Fraktur anderweitig hätte zuziehen können. Immerhin habe sie noch weiter gearbeitet, sei nach Hause gefahren und sei erst am nächsten Morgen zum Arzt gegangen. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschied zu Gunsten der Klägerin und hob daher die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf. Das Landesarbeitsgericht sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 DM zu. Es berücksichtigte dabei die starken Schmerzen, die kurze Dauer der stationären Behandlung sowie die durch die Beschwerden erlittene Lebensbeeinträchtigung. So konnte die Klägerin sich kaum bewegen, nicht sitzen, kaum stehen und fast nicht liegen. Zu Gunsten der Beklagten berücksichtigte das Gericht, dass sie die erhebliche Körperverletzung nicht gewollt habe.
Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts spreche der Zeitablauf zwischen Tritt und Arztbesuch nicht gegen die Ursächlichkeit. Da ein Steißbeinbruch zu erheblich schmerzhaften Beschwerden führe, sei nach der Lebenserfahrung von einer zeitnahen Verursachung auszugehen. Ferner führe eine solche Verletzung nicht zwangsläufig zur sofortigen Bewegungsunfähigkeit. Vielmehr könne es sein, dass der Verletzte vorübergehend die Schmerzhaftigkeit durchstehe und Stunden oder sogar Tage warte, bevor er sich in ärztliche Behandlung begebe. Zudem hänge das Schmerzerlebnis von der subjektiven Situation ab. Es stelle weiterhin ein typisches Verhalten dar, dass eine verletzte Person trotz erheblicher Schmerzen in der Nacht nicht sofort den Notarzt ruft oder ins Krankenhaus geht, sondern die Schmerzen versucht auszuhalten, bis am nächsten Morgen die Arztpraxen öffnen. Soweit die Beklagte andere Ursachen für die Fraktur für möglich erachtete, hielt das Landesarbeitsgericht dies für sehr unwahrscheinlich.
Der Schmerzensgeldanspruch der Klägerin sei nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht gemäß § 105 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen. Zwar habe die Beklagte die Körperverletzung nur fahrlässig begangen, sie sei aber nicht durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht worden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.07.2017
Quelle: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, ra-online (vt/rb)