Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Anfang November 2011 unterzog sich eine Arbeitnehmerin, die in der Abteilung Controlling beschäftigt war, in der Mittagspause einer Grippeschutzimpfung am Arbeitsplatz. Zu der freiwilligen Impfung hatte die Betriebsärztin aufgerufen. Die Kosten für die Impfung übernahm die Arbeitgeberin. Die Arbeitnehmerin behauptete, dass sie nach der Impfung einen Impfschaden erlitten habe. Sie warf der Arbeitgeberin vor, dass sie nicht ausreichend über mögliche Folgeschäden der Impfung aufgeklärt habe. Die Arbeitnehmerin beanspruchte daher von der Arbeitgeberin Schmerzensgeld. Da sich diese weigerte den Schmerzensgeldanspruch anzuerkennen, erhob die Arbeitnehmerin Klage.
Das Arbeitsgericht Freiburg wies die Schmerzensgeldklage ab. Die Arbeitgeberin habe weder ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag noch aus dem Behandlungsvertrag verletzt. Der Arbeitgeberin treffe aus dem Arbeitsverhältnis nicht die Pflicht zur Aufklärung über Impfrisiken. Der Behandlungsvertrag sei nicht mit der Arbeitgeberin, sondern mit der Betriebsärztin zustande gekommen. Gegen diese Entscheidung legte die Arbeitnehmerin Berufung ein.
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts und wies daher die Berufung der Arbeitnehmerin zurück. Ihr stehe kein Anspruch auf Schmerzensgeld gegen die Arbeitgeberin aufgrund des behaupteten Impfschadens zu.
Die Arbeitgeberin habe nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts keine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Denn die Vornahme von Impfungen gehöre weder zu den arbeitsvertraglichen Pflichten der Arbeitsgeberin noch der Arbeitnehmerin. Der Arbeitgeberin haben daher keine Aufklärungspflichten bezüglich der Risiken der Grippeschutzimpfung getroffen. Die zur allgemeinen Gesundheitsvorsorge gehörende Grippeschutzimpfung sei grundsätzlich Sache jedes einzelnen. Etwas anderes könne nur gelten, wenn aus besonderen Risiken des Arbeitsverhältnisses heraus eine erhöhte Gefährdung des Arbeitnehmers für eine Ansteckung mit einer solchen Erkrankung bestehe und das Angebot einer Grippeschutzimpfung daher zu den Pflichten des Arbeitgebers gehöre. So lag der Fall hier aber nicht.
Die Arbeitgeberin habe zudem nicht Pflichten aus dem Behandlungsvertrag verletzt, so das Landesarbeitsgericht, da der Vertrag nicht mit ihr zustande gekommen sei. Vielmehr bestehe der Behandlungsvertrag zwischen der Betriebsärztin und der Arbeitnehmerin. Es sei zu beachten, dass die Betriebsärztin zur Grippeschutzimpfung eingeladen hat. Es gehöre auch nicht zu den Aufgaben des Betriebsarztes nach § 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes eine Grippeschutzimpfung durchzuführen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Betriebsarzt selbst Vertragspartner werde.
Eine Haftung der Arbeitgeberin lasse sich darüber hinaus nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht aufgrund eines Unterlassens oder einer Mittäterschaft herleiten, weil die Arbeitgeberin die Impfung in ihrem Betrieb erst ermöglicht hat. Eine solche Haftung scheitere daran, dass die Durchführung einer solchen betrieblichen Impfung nicht rechtswidrig sei, sondern als Ganzes gesehen einen sinnvollen Beitrag zum Gesundheitsschutz der Belegschaft und der Bevölkerung biete.
Die Arbeitnehmerin hat gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.02.2018
Quelle: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, ra-online (vt/rb)