23.11.2024
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Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Urteil31.07.2013

Streik im Ulmer Stadtverkehr: Ermahnungen in Personalakten sind zu entfernen"Ermahnungen" wurden nicht vom richtigen Arbeitgeber ausgesprochen

Ermahnungen wegen verweigerter Arbeitsleistung müssen aus Personalakten der Arbeitnehmer entfernt werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Landes­a­r­beits­ge­richts Baden-Württemberg hervor.

Dem vorzuliegenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Städte Ulm und Neu-Ulm betreiben gemeinsam die SWU Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm GmbH, die wiederum hundert­pro­zentige Gesell­schafterin der SWU Verkehr GmbH (Beklagte) und der SWU Nahverkehr GmbH ist. Die Beklagte betreibt und unterhält die Infrastruktur/Netze. Die SWU Nahverkehr GmbH ist von den Städten Ulm und Neu-Ulm als interne Betreiberin für die Erbringung der Verkehrs­leis­tungen zuständig. Früher war dies die Beklagte. Geschäftsführer beider Gesellschaften ist Herr Ingo Wortmann. Die SWU Nahverkehr GmbH, die über keinerlei Fahrzeuge verfügt, hat die Verkehrsdienstleistungen an die in Bobingen bei Augsburg ansässige Fa. Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH vergeben, deren Gesell­schafts­anteile zu 51,17 % die Beklagte hält und die auch Büroräum­lich­keiten in Neu-Ulm unterhält. Die Fahrzeuge werden jedoch auf dem Betriebsgelände der Beklagten in der Bauerhoferstr. 9 in Ulm abgestellt. Dort befindet sich auch die Leitstelle. Von dort wird die Einsatzplanung vorgenommen. Die Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH setzt für den Stadtverkehr Ulm/Neu-Ulm ca. 60 eigene Arbeitnehmer ein. Im Übrigen erbringt sie ihre Verkehrs­dienst­leis­tungen mit ca. 130 Leiha­r­beit­nehmern, die sie sich seit 2006 von der Beklagten entleiht, die seit diesem Zeitpunkt selbst keine Verkehrs­dienst­leis­tungen mehr erbringt. Die Kläger sind von der Beklagten an die Fa. Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH verliehene Arbeitnehmer. Die Beklagte verfügt über eine unbefristete Arbeit­neh­mer­über­las­sungs­ge­neh­migung.

Streik zur Geltendmachung eines Leistungs­ver­wei­ge­rungs­rechts

Am 26.05.2012 wurde die Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH unter der Führung der Gewerkschaft ver.di ab Beginn der Frühschicht (4.00 Uhr) ganztägig bestreikt. Die Kläger machten gegenüber der Beklagten ein Leistungs­ver­wei­ge­rungsrecht nach § 11 Abs. 5 AÜG geltend. Diese Vorschrift besagt, dass Leiha­r­beit­nehmer nicht verpflichtet sind, bei einem Entleiher tätig zu sein, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist. Die Beklagte trägt vor, Herr Wortmann habe in seiner Funktion als Geschäftsführer der SWU Nahverkehr GmbH beschlossen, den Fahrauftrag zur Aufrecht­er­haltung des Fahrbetriebs für den Streiktag an die Beklagte vergeben zu haben. Die Fahrzeuge seien der Beklagten für diesen Tag von der Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH zur Verfügung gestellt worden. Die Kläger haben die Anweisung erhalten, an diesem Streiktag nicht für die Entleiherfirma in Leiharbeit zu fahren, sondern für sie selbst im originären Arbeits­ver­hältnis. Die Kläger haben dies als unzulässige Aufforderung zum Streikbruch verstanden und die Arbeitsleistung verweigert. Die Beklagte erteilte den Klägern deshalb eine „Ermahnung“, deren Entfernung aus der Personalakte die Kläger begehren. Die Kläger waren erstinstanzlich vor dem Arbeitsgericht Ulm erfolgreich.

Arbeitsverträge wurden unwirksam

Das Landes­a­r­beits­gericht Baden-Württemberg (LAG) hat die Entscheidungen des Arbeitsgerichts Ulm bestätigt. Das Landes­a­r­beits­gericht ging jedoch in seinen Entscheidungen davon aus, dass die seit 2006 von der Beklagten betriebene Arbeitnehmerüberlassung nicht mehr nur vorübergehend war, sondern auf Dauer angelegt, und somit nicht mehr von der Arbeit­neh­mer­über­las­sungs­er­laubnis der Beklagten gedeckt war. Folge dieses Rechtsverstoßes ist, dass die Arbeitsverträge zwischen der Beklagten und den Klägern unwirksam wurden und neue Arbeits­ver­hältnisse zwischen den Klägern und der Fa. Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH als zustande gekommen gelten gem. § 10 Abs. 1 AÜG. Die „Ermahnungen“ wurden demnach nicht mehr vom richtigen Arbeitgeber ausgesprochen. Selbst wenn man aber keinen Verstoß gegen das AÜG annehmen wollte, wären die Ermahnungen aus der Personalakte zu entfernen. Zwar konnten sich die Kläger nicht direkt auf das Leistungs­ver­wei­ge­rungsrecht nach § 11 Abs. 5 AÜG berufen. Die Arbeits­auf­for­derung der Beklagten war aber nach Auffassung des LAG auf eine sog. „direkte Streikarbeit“ gerichtet, da die Kläger dieselbe Tätigkeit hätten verrichten sollen, die streikbedingt ausgefallen ist. Eine solche Arbeits­er­bringung war den Klägern unzumutbar. Die Beklagte hat ihr Direktionsrecht überschritten. Das LAG hat die Revision zum BAG zugelassen.

Quelle: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg/ra-online

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