18.10.2024
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Dokument-Nr. 9200

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Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Urteil10.02.2010

LAG Baden-Württemberg: Kündigung wegen kritischer Äußerungen über den Arbeitgeber unzulässigAussage vom Grundrecht der freien Meinung­s­äu­ßerung gedeckt

Ein Arbeitnehmer der seinem Arbeitgeber in Infoblättern und Inter­net­bei­trägen Ausbeutung und "Jagd auf Kranke" vorwirft, kann nicht wegen dieser Äußerung gekündigt werden oder der Arbeitsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden. Eine solche Aussage ist vom Grundrecht der freien Meinung­s­äu­ßerung gedeckt. Dies entschied das Landes­a­r­beits­gericht Baden-Württemberg.

Der 1954 geborene Kläger ist seit 1986 bei der Beklagten, einem Großunternehmen der Automo­bil­in­dustrie, beschäftigt. Bis zum Ausspruch der ersten Kündigung arbeitete er als Maschi­nen­be­diener im Betrieb Stuttgart-Zuffenhausen. Jedenfalls im Jahr 2002 war der Kläger Mitglied eines Solida­ri­täts­kreises. Dieser Solida­ri­tätskreis veröffentlichte mit einer Kontaktadresse des Klägers ein „Info“, in dem es u. a. hieß:

Erläuterungen
„In dieser Sache richten wir uns an die Arbeiter und die breite Bevölkerung. Wir greifen die verschärfte Ausbeutung an und weisen die Angriffe auf die politischen und gewerk­schaft­lichen Rechte zurück. Wir lehnen die menschen­ver­achtende Jagd auf Kranke ab.“

Arbeitgeber spricht zwischen 2002 und 2007 fünf Kündigungen an Arbeitnehmer aus

Auf diese dem Kläger zuzurechnenden Äußerungen stützte die Beklagte im Dezember 2002 die erste und danach bis August 2007 weitere vier Kündigungen. Im Laufe der langjährigen (gerichtlichen) Ausein­an­der­set­zungen der Parteien, die bis zum Bundes­a­r­beits­gericht gingen, wiederholte der Kläger in abgewandelter Form in einem Internetbeitrag die bereits 2002 gemachten Äußerungen. Damit begründet die Beklagte nunmehr die fünfte Kündigung und beantragt hilfsweise die Auflösung des Arbeits­ver­hält­nisses gegen Zahlung einer Abfindung.

LAG erklärt fünfte Kündigung für unwirksam

Das Landes­a­r­beits­gericht Baden-Württemberg hat das erstin­sta­nzliche Urteil teilweise abgeändert, die 5. Kündigung vom 23. August 2007 für unwirksam erklärt und den Auflö­sungs­antrag des Arbeitgebers zurückgewiesen. Die Revision zum Bundes­a­r­beits­gericht ist nicht zugelassen worden.

Außerung verletzt nicht arbeits­ver­tragliche Rücksicht­nah­me­pflicht

Die Berufungskammer ist der Auffassung, dass die verhal­tens­be­dingte Kündigung der Beklagten unwirksam ist. Der dem Kläger zuzurechnende Internetbeitrag ist vom Grundrecht der freien Meinung­s­äu­ßerung gedeckt und verletzt nicht seine arbeits­ver­tragliche Rücksicht­nah­me­pflicht. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Klägers im Zusammenhang mit den (gerichtlichen) Ausein­an­der­set­zungen der Parteien zu sehen sind.

Auflösung des Arbeits­ver­hält­nisses und Zahlung einer Abfindung nicht gerechtfertigt

Die Äußerungen des Klägers rechtfertigen auch nicht die Auflösung des Arbeits­ver­hält­nisses gegen Zahlung einer Abfindung auf Antrag des Arbeitgebers. Eine Gesamtbewertung der Äußerungen und des Verhaltens des Klägers lässt nicht erkennen, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit der Parteien nicht mehr zu erwarten ist.

Quelle: ra-online, LAG Baden-Württemberg

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