21.11.2024
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Hessisches Landessozialgericht Urteil24.11.2011

Kosten für Rhythmische Massage werden nicht von der Krankenkasse übernommenGemeinsamer Bundesausschuss hat sich bisher nicht mit Heilmethode der anthro­po­so­phischen Medizin befasst

Auch Heilmittel der sich von der Schulmedizin unter­schei­denden „besonderen Thera­pie­rich­tungen“ - wie der anthro­po­so­phischen Medizin - sind nur bei positiver Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss von den gesetzlichen Krankenkassen zu leisten. Mit der in der anthro­po­so­phischen Medizin angewandten rhythmischen Massage hat sich der Bundesausschuss bislang nicht befasst, so dass sie von den gesetzlichen Krankenkassen nicht zu leisten ist. Dies entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht.

Im zugrunde liegenden Streitfall erhielt eine 77-jährige Frau aus Marburg von ihrem Arzt mittels Privatrezept rhythmische Massagen verordnet und beantragte bei ihrer Krankenkasse die Koste­n­er­stattung. Dies lehnte die Kasse mit der Begründung ab, dass es sich hierbei um ein neues Heilmittel handele, für das sie nicht leistungs­pflichtig sei. Die Frau berief sich hingegen darauf, dass diese Behand­lungs­methode bereits seit mehr als 80 Jahren integrativer Bestandteil der anthro­po­so­phischen Medizin sei. Es könne ihr auch nicht entgegen gehalten werden, dass der Gemeinsame Bundesausschuss bisher kein Anerken­nungs­ver­fahren eingeleitet habe, da sie hierauf keinen Einfluss habe.

Behand­lungs­methode vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht anerkannt

Die Richter des Sozialgerichts und des Hessischen Landes­so­zi­al­ge­richts gaben der Kranken­ver­si­cherung Recht. Als neue Heilmittel gelten solche, die bisher nicht Bestandteil der vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung gewesen seien. Hierzu zähle die rhythmische Massage, da sie in der Anlage der Heilmit­tel­richtlinie nicht aufgeführt sei. Zudem habe der Gemeinsame Bundesausschuss diese Behand­lungs­methode weder anerkannt, noch habe er sich mit diesem Heilmittel befasst.

Gericht verweist auf zahlreiche andere, als Kassenleistung zur Verfügung stehende Heilmittel der physikalischen Therapie

Darin liege auch kein Systemversagen, das ausnahmsweise einen Behand­lungs­an­spruch des Versicherten begründen könne. Ein entsprechendes Anerken­nungs­ver­fahren könnten – so die Darmstädter Richter - eine kassenärztliche Vereinigung oder ein Spitzenverband der Krankenkassen beantragen. Diesen stehe insoweit angesichts der begrenzten Bearbei­tungs­ka­pazität des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses ein Beurtei­lungs­spielraum zu. Ein sachgerechtes Kriterium sei insoweit die medizinische Relevanz der Methode bei Diagnostik und Behandlung bestimmter Erkrankungen. Für Krank­heits­bilder, die mit der rhythmischen Massage behandelt würden, stünden zahlreiche andere Heilmittel der physikalischen Therapie – wie z.B. klassische Massage und Kranken­gym­nastik – als Kassenleistung zur Verfügung.

Positive Bewertung des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses maßgeblich

Der Gesetzgeber habe zwar Behand­lungs­me­thoden, Arznei- und Heilmittel der „besonderen Thera­pie­rich­tungen“, die sich von der Schulmedizin abgrenzten, vom Leistungsrahmen der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Dies besage aber nicht, dass diese Mittel ohne jegliche Prüfung ihres Nutzens und ihrer Wirtschaft­lichkeit von den Krankenkassen zu bezahlen seien.

Hinweise zur Rechtslage

§ 2 Sozial­ge­setzbuch Fünftes Buch (SGB V)

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaft­lich­keits­gebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigen­ver­ant­wortung der Versicherten zugerechnet werden. Behand­lungs­me­thoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Thera­pie­rich­tungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

§ 12 SGB V

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirt­schaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungs­er­bringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

§ 27 SGB V

(1) Versicherte haben Anspruch auf Kranken­be­handlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krank­heits­be­schwerden zu lindern. Die Kranken­be­handlung umfasst (…)

3. Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, (…).

§ 32 SGB V

Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln, soweit sie nicht (…) ausgeschlossen sind. (…)

§ 138 SGB V

Die an der vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung teilnehmenden Ärzte dürfen neue Heilmittel nur verordnen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungs­er­bringung abgegeben hat.

§ 92 SGB V

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten, (…) er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaft­lichkeit nicht nachgewiesen sind (…) Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die (…)

6. Verordnung von (…) Heilmittel (…)

§ 135 SGB V

(1) Neue Untersuchungs- und Behand­lungs­me­thoden dürfen in der vertrag­s­ärzt­lichen (…) Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen (…), einer Kassen­ärzt­lichen Bundes­ver­ei­nigung, einer Kassen­ärzt­lichen Vereinigung oder des Spitzen­ver­bandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien (…) Empfehlungen abgegeben hat über

1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaft­lichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissen­schaft­lichen Erkenntnisse in der jeweiligen Thera­pie­richtung, (…)

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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