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Sozialgericht Fulda Urteil16.12.2010
SG Fulda: Krankenkasse muss Therapiedreirad bezahlenZum Ausgleich der Behinderung bezweckte soziale Integration kann nicht durch notwendige Anwesenheit eines Erwachsenen ausgeschlossen werden
Behinderte sind beim Gebrauch eines Hilfsmittels nicht mit Gesunden vergleichbar. Ein Therapiedreirad ist bei behinderten Minderjährigen im Grundschulalter ein geeignetes Hilfsmittel, wenn hierdurch die soziale Integration in die Gruppe Gleichaltriger ermöglicht wird. Die Integration wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Dreirad nur bei Anwesenheit von Erwachsenen genutzt werden kann. Dies entschied das Sozialgericht Fulda.
Der achtjährige Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls leidet an dem Angelman-Syndrom. Es handelt sich hierbei um eine genetisch bedingte Erkrankung, die mit einer erheblichen geistigen und körperlichen Behinderung einher geht. Die beklagte Krankenkasse hatte die Bewilligung des Therapiedreirades abgelehnt, weil der Kläger zu einer eigenbestimmten und selbstständigen Nutzung des Rades nicht in der Lage sei. Eine soziale Integration sei nicht möglich, weil beim Gebrauch ständig die Anwesenheit eines Erwachsenen erforderlich sei.
Krankenkasse nach leihweiser Überlassung des Therapiedreirades an den Kläger zur Kostenübernahme verurteilt
Während des gerichtlichen Verfahrens hatte das Sozialgericht Fulda zunächst zwei Termine vor Ort durchgeführt, um sich einen persönlichen Eindruck von dem Kläger zu verschaffen. Die Beklagte hatte ihm daraufhin für drei Monate leihweise ein Therapiedreirad zur Erprobung zur Verfügung gestellt. Das Gericht hat die Beklagte nach Ablauf des Dreimonatszeitraums auf Grundlage von Videoaufnahmen, die den Jungen beim Gebrauch des Rades zeigen, zur Leistung verurteilt.
Gezielte Lenkbewegungen oder deutliche Richtungswechsel sind nicht Voraussetzung für Bewilligung des Therapierades
Die Aufnahmen zeigten, dass der Kläger gelernt habe, das Therapiedreirad zu bedienen. Erforderlich, aber auch ausreichend sei es, das Therapierad nach vorne zu bringen. Gezielte Lenkbewegungen oder deutliche Richtungswechsel seien hingegen nicht Voraussetzung für die Bewilligung. Da Behinderte keinen vollständigen Behinderungsausgleich verlangen könnten, sei umgekehrt auch nicht zu verlangen, dass sie sich beim Gebrauch eines Hilfsmittels wie ein Gesunder verhalten würden, heißt es in dem Urteil.
Auch gesunde Kinder im gleichen Alter benötigen Hilfe Erwachsener
Ferner ist in der Entscheidung ausgeführt, dass die durch den Ausgleich der Behinderung bezweckte soziale Integration in eine Gruppe Gleichaltriger nicht durch die Anwesenheit eines Erwachsenen ausgeschlossen sei. Auch gesunde Kinder im Grundschulalter bedürften noch der regelmäßigen Kontrolle und Überwachung durch aufsichtspflichtige Personen. Das gelte vor allen Dingen bei der Teilnahme am Straßenverkehr.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.02.2011
Quelle: Sozialgericht Fulda/ra-online
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