21.11.2024
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Sozialgericht Fulda Urteil16.12.2010

SG Fulda: Krankenkasse muss Therapiedreirad bezahlenZum Ausgleich der Behinderung bezweckte soziale Integration kann nicht durch notwendige Anwesenheit eines Erwachsenen ausgeschlossen werden

Behinderte sind beim Gebrauch eines Hilfsmittels nicht mit Gesunden vergleichbar. Ein Therapiedreirad ist bei behinderten Minderjährigen im Grundschulalter ein geeignetes Hilfsmittel, wenn hierdurch die soziale Integration in die Gruppe Gleichaltriger ermöglicht wird. Die Integration wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Dreirad nur bei Anwesenheit von Erwachsenen genutzt werden kann. Dies entschied das Sozialgericht Fulda.

Der achtjährige Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls leidet an dem Angelman-Syndrom. Es handelt sich hierbei um eine genetisch bedingte Erkrankung, die mit einer erheblichen geistigen und körperlichen Behinderung einher geht. Die beklagte Krankenkasse hatte die Bewilligung des Thera­piedreirades abgelehnt, weil der Kläger zu einer eigenbestimmten und selbstständigen Nutzung des Rades nicht in der Lage sei. Eine soziale Integration sei nicht möglich, weil beim Gebrauch ständig die Anwesenheit eines Erwachsenen erforderlich sei.

Krankenkasse nach leihweiser Überlassung des Thera­piedreirades an den Kläger zur Kostenübernahme verurteilt

Während des gerichtlichen Verfahrens hatte das Sozialgericht Fulda zunächst zwei Termine vor Ort durchgeführt, um sich einen persönlichen Eindruck von dem Kläger zu verschaffen. Die Beklagte hatte ihm daraufhin für drei Monate leihweise ein Therapiedreirad zur Erprobung zur Verfügung gestellt. Das Gericht hat die Beklagte nach Ablauf des Dreimo­nats­zeitraums auf Grundlage von Videoaufnahmen, die den Jungen beim Gebrauch des Rades zeigen, zur Leistung verurteilt.

Gezielte Lenkbewegungen oder deutliche Richtungs­wechsel sind nicht Voraussetzung für Bewilligung des Therapierades

Die Aufnahmen zeigten, dass der Kläger gelernt habe, das Therapiedreirad zu bedienen. Erforderlich, aber auch ausreichend sei es, das Therapierad nach vorne zu bringen. Gezielte Lenkbewegungen oder deutliche Richtungs­wechsel seien hingegen nicht Voraussetzung für die Bewilligung. Da Behinderte keinen vollständigen Behin­de­rungs­aus­gleich verlangen könnten, sei umgekehrt auch nicht zu verlangen, dass sie sich beim Gebrauch eines Hilfsmittels wie ein Gesunder verhalten würden, heißt es in dem Urteil.

Auch gesunde Kinder im gleichen Alter benötigen Hilfe Erwachsener

Ferner ist in der Entscheidung ausgeführt, dass die durch den Ausgleich der Behinderung bezweckte soziale Integration in eine Gruppe Gleichaltriger nicht durch die Anwesenheit eines Erwachsenen ausgeschlossen sei. Auch gesunde Kinder im Grundschulalter bedürften noch der regelmäßigen Kontrolle und Überwachung durch aufsichts­pflichtige Personen. Das gelte vor allen Dingen bei der Teilnahme am Straßenverkehr.

Quelle: Sozialgericht Fulda/ra-online

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