21.11.2024
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Hessisches Landessozialgericht Urteil06.02.2013

Hessisches LSG bejaht umfangreichen Weiter­bil­dungs­an­spruch für in der DDR VerfolgteWeiterbildung muss nicht wegen Arbeits­lo­sigkeit notwendig sein

Personen, die nach dem Beruflichen Rehabi­li­tie­rungs­gesetz als Verfolgte anerkannt sind, erhalten die Kosten für Weiterbildungen erstattet, soweit diese Kosten nicht nach dem Sozial­ge­setzbuch Drittes Buch getragen werden. Dabei muss die Weiterbildung nicht wegen (drohender) Arbeits­lo­sigkeit notwendig sein. Dies entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht.

Im zugrunde liegenden Fall durfte ein in der ehemaligen DDR aufgewachsener Mann aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas nicht das Abitur machen. Nach der Wieder­ver­ei­nigung wurde ihm bescheinigt, dass er von Verfol­gungs­maß­nahmen im Sinne des Beruflichen Rehabi­li­tie­rungs­ge­setzes betroffen war. In der Folgezeit absolvierte er die Meisterprüfung zum Kraft­fahr­zeug­techniker und schloss eine Fortbildung zum Betriebswirt ab. Im Rahmen seiner derzeitigen Tätigkeit als Kraft­fahr­zeugsach­ver­ständiger im Innendienst begutachtet er am Bildschirm Karos­se­rie­schäden.

Kläger beantragt bei der Agentur für Arbeit Förderung der beruflichen Weiterbildung

Im Jahr 2005 beantragte der jetzt im Rheingau-Taunus-Kreis lebende Mann von der Bundesagentur für Arbeit die Förderung der beruflichen Weiterbildung zum staatlich geprüften Kraft­fahr­zeug­techniker. Er wolle beruflich vielseitiger einsetzbar sein. Auch sei ihm die derzeitige Tätigkeit am PC wegen seiner Augenprobleme auf Dauer nicht zumutbar. Die Bundesagentur lehnte eine Förderung ab.

Sozialgericht weist Klage ab

Das Sozialgericht wies die hiergegen erhobene Klage mit der Begründung ab, dass der berufstätige Kläger einen Berufsabschluss habe und nicht von Arbeits­lo­sigkeit bedroht sei.

Landes­so­zi­al­gericht: Geset­zes­wortlaut eindeutig

Anders entschied nun das Landes­so­zi­al­gericht und gab dem Mann Recht. Das Berufliche Rehabi­li­tie­rungs­gesetz sehe vor, dass den als Verfolgte anerkannten Personen die Kosten für Weiterbildungen erstattet werden. Dabei muss - anders als nach dem Recht der Arbeits­för­derung (SGB III) - die Weiterbildung nicht zur Abwendung von Arbeits­lo­sigkeit notwendig sein. Aufgrund des eindeutigen Wortlautes des Beruflichen Rehabi­li­tie­rungs­ge­setzes könne die Bundesagentur die Förderung auch nicht mit dem Argument ablehnen, dass der Weiter­bil­dungs­an­spruch uferlos sei.

Weiterbildung auch im Hinblick auf das Alter des Betroffenen noch sinnvoll

Der Geset­zes­be­gründung - so die Darmstädter Richter - sei lediglich insoweit eine Einschränkung zu entnehmen, als die Weiterbildung für die Betroffenen im Hinblick auf deren Alter noch sinnvoll sein müsse. Da der 46-jährige Kläger bis zum Erreichen der Regel­al­ters­grenze noch mindestens 20 Jahre Arbeit vor sich habe, sei hiervon auszugehen.

Hinweise zur Rechtslage

§ 1 Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benach­tei­li­gungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet - Berufliches Rehabi­li­tie­rungs­gesetz - (BerRehaG)

(1) Wer in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990

1. infolge einer in dem in Artikel 3 des Einigungs­ver­trages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) zu Unrecht erlittenen Freiheits­ent­ziehung,

2. infolge eines Gewahrsams nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 des Straf­recht­lichen Rehabi­li­tie­rungs­ge­setzes,

3. durch eine hoheitliche Maßnahme nach § 1 des Verwal­tungs­recht­lichen Rehabi­li­tie­rungs­ge­setzes

oder

4. durch eine andere Maßnahme im Beitrittsgebiet, wenn diese der politischen Verfolgung gedient hat, zumindest zeitweilig weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen, erlernten oder durch den Beginn einer berufsbezogenen Ausbildung nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben konnte (Verfolgter), hat Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz.

§ 7 BerRehaG

Verfolgte, die an nach den Vorschriften des Dritten Buches Sozial­ge­setzbuch für die Weiter­bil­dungs­för­derung zugelassenen Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung teilnehmen und für die Weiterbildungskosten nicht nach dem Dritten Buch Sozial­ge­setzbuch übernommen werden, erhalten auf Antrag die Weiter­bil­dungs­kosten in entsprechender Anwendung der §§ 83 bis 87 des Dritten Buches Sozial­ge­setzbuch erstattet.

§ 81 Sozial­ge­setzbuch Drittes Buch (SGB III) – früher: § 77 SGB III

(1) Arbeit­neh­me­rinnen und Arbeitnehmer können bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiter­bil­dungs­kosten gefördert werden, wenn

1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeits­lo­sigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeits­lo­sigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufs­ab­schlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist,

2. die Agentur für Arbeit sie vor Beginn der Teilnahme beraten hat und

3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.

[...]

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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