21.11.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 31244

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Beschluss09.12.2021Hessisches LandessozialgerichtL 4 SO 218/21 B ER
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Hessisches Landessozialgericht Beschluss09.12.2021

Haus­gebärden­sprachkurs für Vierjährige mit Sprach­entwicklungs­störung ist als Leistung zur sozialen Teilhabe zu gewährenIm Rahmen der Einglie­de­rungshilfe könnten auch Assis­tenz­leis­tungen beansprucht werden

Zu den Leistungen der Einglie­de­rungshilfe gehört zur Förderung der Verständigung auch ein Haus­gebärden­sprachkurs, bei welchem die Gebärdensprache im häuslichen Umfeld unterrichtet wird. Anspruchs­be­rechtigt können auch Menschen sein, deren Sprachfähigkeit hinsichtlich der Wortfindung oder dem Artiku­la­ti­o­ns­vermögen beeinträchtigt ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Hessischen Landes­so­zi­al­ge­richts hervor.

Zu den Leistungen der Einglie­de­rungshilfe gehört zur Förderung der Verständigung auch ein Hausgebärdensprachkurs, bei welchem die Gebärdensprache im häuslichen Umfeld unterrichtet wird. Anspruchs­be­rechtigt können auch Menschen sein, deren Sprachfähigkeit hinsichtlich der Wortfindung oder dem Artiku­la­ti­o­ns­vermögen beeinträchtigt ist.

Im Fall eines 4-jährigen Kindes mit einer Sprach­ent­wick­lungs­störung bejahte der 4. Senat des Hessischen Landes­so­zi­al­ge­richts einen entsprechenden Anspruch im einstweiligen Rechts­schutz­ver­fahren. Das Erlernen der Gebärdensprache als weiteres Mittel der Kommunikation erleichtere dem Kind die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und mildere seine psychische Belastung.

Eltern beantragen für ihre vierjährige Tochter einen Hausge­bär­den­sprachkurs

Ein 4-jähriges Mädchen kann aufgrund einer Sprach­ent­wick­lungs­störung - ohne sprachrelevante Hörstörung - nicht intuitiv die Zunge nach links, rechts oder oben bewegen. Es kann daher nur wenige Wörter verständlich aussprechen. Die Eltern des Mädchens beantragten für ihre Tochter einen Hausge­bär­den­sprachkurs im Umfang von 6 Stunden wöchentlich. Das Sprechvermögen befinde sich auf dem Stand eines 2,5-jährigen Kindes, während das Wortverständnis einem 5-jährigen Kind entspreche. Dadurch fühle sie sich nicht verstanden und reagiere häufig sehr aggressiv gegenüber vertrauten Personen. Zudem werde sie im kommenden Jahr eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Sprache und Gehör, in welcher teilweise in Gebärden unterrichtet werde, besuchen.

Schließlich habe das Jugendamt den Eltern einen Gebärdensprachkurs unter der Voraussetzung bewilligt, dass dem Kind ein entsprechender Kurs gewährt werde.

Die Stadt Kassel lehnte den Antrag ab. Ein Förderkonzept aus einer intensiven logopädischen Behandlung mit Unterstützter Kommunikation, einer Kinder­gar­ten­in­te­gra­ti­o­ns­maßnahme sowie einer inter­dis­zi­plinären Frühförderung verspreche mehr Erfolg. Das Erlernen der Gebärdensprache sei hingegen kontraproduktiv und überfordere das Kind. Da im Kindergarten die Lautsprache mit Unterstützter Kommunikation geübt werde, könne die Gebärdensprache zudem dort nicht genutzt werden.

Landes­so­zi­al­gericht verpflichtet Behörde zur vorläufigen Leistung

Im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtete das Landes­so­zi­al­gericht die Stadt Kassel vorläufig, einen Hausge­bär­den­sprachkurs im Umfang von 4 Förderstunden pro Woche als Einglie­de­rungshilfe zu gewähren. Maßnahmen der Einglie­de­rungshilfe sollten die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder erleichtern. Dabei sollten Kontakte auch zu nicht behinderten Menschen - und zwar nicht nur zu nahestehenden Personen wie Familien­an­ge­hörigen - gefördert werden. Art und Maß der entsprechenden Aktivitäten seien abhängig von den individuellen Bedürfnissen. Ob ein Anspruch bestehe, richte sich deshalb nach den Gegebenheiten des Einzelfalls.

Das vierjährige Kind sei aufgrund einer Sprach­ent­wick­lungs­störung wesentlich in seiner Teilha­be­fä­higkeit eingeschränkt. Nach den ärztlichen Stellungnahmen stoße das Mädchen mit der Mundmuskulatur an seine Grenzen. Um die psychische Belastung für das Kind abzumildern, sei es äußert wichtig, als weiteres Kommu­ni­ka­ti­o­ns­mittel die Gebärdensprache zu erlernen. Nach den Angaben der behandelnden Logopädin lernten viele Kinder durch das Kommunizieren mit Gebärden schneller Sprechen. Auch die Unterstützte Kommunikation arbeite nicht nur mit körperfernen, sondern vielmehr auch mit körpereigenen Kommu­ni­ka­ti­o­ns­formen (Gestik, Mimik, Körperhaltung und Gebärden).

Daher sei für das Gericht nicht nachzu­voll­ziehen, weshalb das (ergänzende) Erlernen der Gebärdensprache – im Gegensatz zu Unterstützter Kommunikation - die Sprach­ent­wicklung hemmen solle.

Unbeachtlich sei, dass im Kindergarten derzeit die Gebärdensprache nicht genutzt werde.

Im Rahmen der Einglie­de­rungshilfe könnten auch Assis­tenz­leis­tungen beansprucht werden, die – soweit geeignet und erforderlich – auch einen Gebär­den­dol­metscher bzw. eine Sprachassistenz umfassen könnten.

Im bereits anhängigen Klageverfahren, in welchem endgültig über den Anspruch entschieden werde, könne eine weitere Sachaufklärung durch ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten erfolgen.

Quelle: Hessisches Landessozialgericht, ra-online (pm/pt)

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