21.11.2024
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Dokument-Nr. 17198

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Urteil23.07.2013Hessisches Landesarbeitsgericht4 Sa 617/13
Vorinstanz:
  • Arbeitsgericht Offenbach am Main, Urteil17.04.2013, 5 Ca 58/13
ergänzende Informationen

Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil23.07.2013

Hessisches LAG zum Anspruch auf Entgelt­fort­zahlung nach mutwilliger Selbst­ver­letzungVerweigerung einer Entgelt­fort­zahlung setzt grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten gegen sich selbst voraus

Einem Arbeitnehmer, der aus Wut beispielsweise gegen ein Verkaufsschild haut und sich dabei die Hand bricht, kann nicht die Entgelt­fort­zahlung wegen mutwilliger Selbst­ver­letzung verweigert werden. Der allgemeine zivilrechtliche Verschul­dens­begriff setzt vielmehr ein besonders leichtfertiges, grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten gegen sich selbst voraus und nicht nur leichte Fahrlässigkeit. Dies geht aus einer Entscheidung des Hessischen Landes­arbeits­gerichts hervor.

Der Kläger des vorliegenden Rechtsstreits arbeitet als Warenauffüller in einem Baumarkt in Osthessen. Dazu benutzt er einen Gabelstapler. Anfang August 2012 brachte sich der Kläger an dem Gabelstapler ein provisorisches Plexiglasdach als Wetterschutz an. Dies wurde von dem betrieblichen Sicher­heits­be­auf­tragten gerügt. Der Kläger wurde zum Abbau des Plexiglasdaches angehalten. Darüber geriet er derart in Wut, dass er zunächst mit Verpa­ckungs­ma­terial um sich warf und dann mindestens dreimal mit der Faust auf ein in der Nähe aufgestelltes Verkaufsschild aus Hohlkam­mer­schaumstoff schlug. Dieses war auf einer Holzstrebe montiert, die der Kläger mehrfach traf. Dabei brach er sich die Hand. Er war vom 9. August bis 19. September 2012 arbeitsunfähig krank­ge­schrieben. Seine Arbeitgeberin verweigerte die Entgeltfortzahlung über insgesamt 2.662,52 Euro brutto mit dem Einwand, der Kläger sei an seiner Verletzung selbst schuld. Spätestens nach dem ersten Schlag auf das Verkaufsschild habe er die Holzstrebe spüren müssen. Dennoch habe er voller Wut weiter auf das Verkaufsschild eingeschlagen. Die Verletzung habe er sich somit vorsätzlich beigebracht.

Zivil­recht­licher Verschul­dens­begriff setzt nicht nur leichte Fahrlässigkeit sondern vorsätzliches Verhalten gegen sich selbst voraus

Das Arbeitsgericht Offenbach wie auch das Hessische Landes­a­r­beits­gericht haben der Entgelt­fort­zah­lungsklage dennoch stattgegeben. Der Verschul­dens­begriff im Entgelt­fort­zah­lungsrecht entspreche nicht dem allgemeinen zivil­recht­lichen Verschul­dens­begriff, der auch mittlere und leichte Fahrlässigkeit umfasst. Er erfordere vielmehr einen groben Verstoß gegen das eigene Interesse eines verständigen Menschen. Dieses setze ein besonders leichtfertiges, grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten gegen sich selbst voraus.

Anzeichen für bewusstes Herbeiführen einer Verletzung nicht ersichtlich

Ein solches Verschulden des Klägers liegt nach Ansicht des Hessischen Landes­a­r­beits­ge­richts nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, dass er seine Verletzung bewusst herbeiführen wollte. Nach der Auffassung des Hessischen Landes­a­r­beits­ge­richts lag nur mittlere Fahrlässigkeit vor. Der Kläger hätte bei verständiger Betrachtung allerdings damit rechnen müssen, dass er durch die Schläge auf das Schild eine Verletzung riskiert. Gegen eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers spreche jedoch, dass er sich offensichtlich in einem heftigen Wut- und Erregungs­zustand befand und sich dementsprechend kurzzeitig nicht unter Kontrolle hatte. Das sei nicht zu billigen, aber menschlich gleichwohl nachvollziehbar, da niemand in der Lage sei, sich jederzeit vollständig im Griff zu haben. Der Kläger habe aus Wut und Erregung die erforderliche Kontrolle über sein Handeln verloren. Dies sei sicher leichtfertig gewesen, aber nicht derart schuldhaft, dass von besonderer Leicht­fer­tigkeit oder grober Fahrlässigkeit die Rede sein könne.

Quelle: Hessisches Landesarbeitsgericht/ra-online

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