23.11.2024
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Dokument-Nr. 16809

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Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil28.01.2013

Grob beleidigende Äußerungen über Arbeitgeber in offener Facebook-Gruppe begründen fristlose Kündigung des ArbeitnehmersÄußerungen wie "ich kotze gleich" und "asoziale Gesellschafter" stellen grobe Beleidigungen dar

Macht ein Arbeitnehmer in einer offenen Facebook-Gruppe Äußerungen wie "ich kotze gleich" und "asoziale Gesellschafter", stellt dies eine grobe Beleidigung dar und rechtfertigt die fristlose Kündigung des Arbeitnehmers. Dies geht aus einer Entscheidung des Hessischen Landes­arbeitsgerichts hervor.

Im zugrunde liegenden Fall wurde ein Mediengestalter von seinem Arbeitgeber, einem Druckbetrieb, im Dezember 2011 fristlos gekündigt. Hintergrund der Kündigung war, dass der Mitarbeiter im Oktober 2011 in einer offenen Facebook-Gruppe angesichts einer tariflichen Ausein­an­der­setzung in dem Betrieb folgende Äußerungen tätigte: "ich kotze gleich" und "asoziale Gesellschafter". Der gekündigte Mediengestalter war mit seiner Kündigung jedoch nicht einverstanden und erhob Kündi­gungs­schutzklage.

Arbeitsgericht Kassel gab Klage statt

Das Arbeitsgericht Kassel gab der Klage mit der Begründung statt, dass die Bezeichnung der Gesellschafter als "asozial" zwar eine besonders schwere, den Betroffenen kränkende Beleidigung dargestellt habe. Jedoch habe die Inter­es­sen­s­ab­wägung ergeben, dass das Interesse des Arbeitnehmers an der Weiter­be­schäf­tigung das Kündi­gungs­in­teresse des Arbeitgebers überwiegte. Die fristlose Kündigung sei daher unwirksam gewesen. Der Arbeitgeber sah dies hingegen anders und legte Berufung ein.

Äußerungen des Medien­ge­stalters nicht von Meinungs­freiheit gedeckt

Das Hessische Landes­a­r­beits­gericht bestätigte das erstin­sta­nzliche Urteil und wies die Berufung des Arbeitgebers zurück. Zwar habe die Bezeichnung der Gesellschafter als "asozial" sowie die Äußerung "ich kotze gleich" eine grobe Beleidigung dargestellt. Diese sei auch nicht von der Meinungs­freiheit gedeckt gewesen. Da derartige Äußerungen keine sachliche Kritik mehr beinhalten, habe sie ausschließlich dazu gedient, die Gesellschafter des Arbeitgebers persönlich herabzuwürdigen und sie pauschal zu verunglimpfen. Damit habe der Arbeitnehmer seine arbeits­ver­tragliche Rücksichts­nah­me­pflicht verletzt. Es habe eine unsachliche, grobe und überzogene Meinungs­be­kundung vorgelegen.

Inter­es­sen­s­ab­wägung ergab Unwirksamkeit der Kündigung

Dennoch folgte das Landes­a­r­beits­gericht der Entscheidung des Arbeitsgerichts, dass das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses hinter dem Interesse des Medien­ge­stalters an dessen Fortbestand zurücktreten musste. Zwar sei zu Lasten des Arbeitnehmers unter anderem zu berücksichtigen gewesen, dass bei Äußerungen im Internet die Gefahr besteht, dass es schnell zu einer hohen Verbreitung kommt.

Lange Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit, Entschuldigung und Hintergrund der Äußerungen waren mildernd zu berücksichtigen

Demgegenüber habe zu seinen Gunsten gesprochen, so das Landes­a­r­beits­gericht weiter, dass er seit fast 28 Jahre beanstan­dungsfrei im Betrieb gearbeitet und er sich aufrichtig entschuldigt hatte. Außerdem sei mildernd zu berücksichtigen gewesen, dass er die Äußerung nach einer Nachtschicht am frühen Morgen vor dem Hintergrund eines ungelösten Tarifkonflikts getätigt und über eine Schwer­be­hin­derung verfügte.

Schnell­le­bigkeit des Internets sprach zu Gunsten des Arbeitnehmers

Darüber hinaus sei nach Ansicht des Landes­a­r­beits­ge­richts zu beachten gewesen, dass sich Diskus­si­ons­beiträge bei Facebook durch ihre Schnelligkeit auszeichnen. Die Vielzahl und Geschwindigkeit der Einträge führe in ihrer Gesamtheit dazu, dass die einzelne Äußerung schnell wieder an Bedeutung verliert. Aufgrund dieser Schnell­le­bigkeit und der unübersehbaren Größe des Internets wiege eine derartige Äußerung in ihrer herab­wür­di­genden Wirkung weniger schwer, als eine Erklärung, die in einem persönlich adressierten Brief oder im Angesichts des Betroffenen getätigt wird. Des Weiteren habe die unbegrenzte Zugriffs­mög­lichkeit der Äußerungen nach Auffassung des Gerichts nur in der Theorie bestanden. Denn von den über 800 Millionen Nutzern von Facebook, sei nur ein Bruchteil deutschsprachig. Und unter den deutsch­spra­chigen Nutzern habe sich wiederum nur ein geringfügiger Teil für die Tarif­aus­ein­an­der­setzung in dem Betrieb interessiert und damit den Eintrag gelesen.

Quelle: Hessiches Landesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

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