Im zugrunde liegenden Fall wurde ein Mediengestalter von seinem Arbeitgeber, einem Druckbetrieb, im Dezember 2011 fristlos gekündigt. Hintergrund der Kündigung war, dass der Mitarbeiter im Oktober 2011 in einer offenen Facebook-Gruppe angesichts einer tariflichen Auseinandersetzung in dem Betrieb folgende Äußerungen tätigte: "ich kotze gleich" und "asoziale Gesellschafter". Der gekündigte Mediengestalter war mit seiner Kündigung jedoch nicht einverstanden und erhob Kündigungsschutzklage.
Das Arbeitsgericht Kassel gab der Klage mit der Begründung statt, dass die Bezeichnung der Gesellschafter als "asozial" zwar eine besonders schwere, den Betroffenen kränkende Beleidigung dargestellt habe. Jedoch habe die Interessensabwägung ergeben, dass das Interesse des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung das Kündigungsinteresse des Arbeitgebers überwiegte. Die fristlose Kündigung sei daher unwirksam gewesen. Der Arbeitgeber sah dies hingegen anders und legte Berufung ein.
Das Hessische Landesarbeitsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil und wies die Berufung des Arbeitgebers zurück. Zwar habe die Bezeichnung der Gesellschafter als "asozial" sowie die Äußerung "ich kotze gleich" eine grobe Beleidigung dargestellt. Diese sei auch nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen. Da derartige Äußerungen keine sachliche Kritik mehr beinhalten, habe sie ausschließlich dazu gedient, die Gesellschafter des Arbeitgebers persönlich herabzuwürdigen und sie pauschal zu verunglimpfen. Damit habe der Arbeitnehmer seine arbeitsvertragliche Rücksichtsnahmepflicht verletzt. Es habe eine unsachliche, grobe und überzogene Meinungsbekundung vorgelegen.
Dennoch folgte das Landesarbeitsgericht der Entscheidung des Arbeitsgerichts, dass das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinter dem Interesse des Mediengestalters an dessen Fortbestand zurücktreten musste. Zwar sei zu Lasten des Arbeitnehmers unter anderem zu berücksichtigen gewesen, dass bei Äußerungen im Internet die Gefahr besteht, dass es schnell zu einer hohen Verbreitung kommt.
Demgegenüber habe zu seinen Gunsten gesprochen, so das Landesarbeitsgericht weiter, dass er seit fast 28 Jahre beanstandungsfrei im Betrieb gearbeitet und er sich aufrichtig entschuldigt hatte. Außerdem sei mildernd zu berücksichtigen gewesen, dass er die Äußerung nach einer Nachtschicht am frühen Morgen vor dem Hintergrund eines ungelösten Tarifkonflikts getätigt und über eine Schwerbehinderung verfügte.
Darüber hinaus sei nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts zu beachten gewesen, dass sich Diskussionsbeiträge bei Facebook durch ihre Schnelligkeit auszeichnen. Die Vielzahl und Geschwindigkeit der Einträge führe in ihrer Gesamtheit dazu, dass die einzelne Äußerung schnell wieder an Bedeutung verliert. Aufgrund dieser Schnelllebigkeit und der unübersehbaren Größe des Internets wiege eine derartige Äußerung in ihrer herabwürdigenden Wirkung weniger schwer, als eine Erklärung, die in einem persönlich adressierten Brief oder im Angesichts des Betroffenen getätigt wird. Des Weiteren habe die unbegrenzte Zugriffsmöglichkeit der Äußerungen nach Auffassung des Gerichts nur in der Theorie bestanden. Denn von den über 800 Millionen Nutzern von Facebook, sei nur ein Bruchteil deutschsprachig. Und unter den deutschsprachigen Nutzern habe sich wiederum nur ein geringfügiger Teil für die Tarifauseinandersetzung in dem Betrieb interessiert und damit den Eintrag gelesen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.09.2013
Quelle: Hessiches Landesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)