Im zugrunde liegenden Fall stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer Kündigung des Klägers. Der Kläger beleidigte über seine Facebook-Pinnwand seinen Vorgesetzten. Dabei verwendete er folgende Formulierungen: "scheiss", "kleinen scheisshaufen", "faules schwein der noch nie gearbeitet hat in seinem scheissleben", "drecksau" und "doofmann". Sämtliche "Freunde" des Klägers und dessen "Freunde" hatten Zugriff auf die Pinnwand-Eintragungen. 36 der "Freunde" des Klägers waren Mitarbeiter der Beklagten. Die Beklagte kündigte daraufhin den Kläger außerordentlich und hilfsweise ordentlich. Der Kläger meinte, die Äußerungen seien im privaten Bereich getätigt worden und können daher eine Kündigung nicht rechtfertigen.
Das Arbeitsgericht Hagen entschied, dass eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich war. Es lag zwar grundsätzlich ein Sachverhalt vor, der geeignet war einen wichtigen Grund für den Kündigungsausspruch zu ergeben. Jedoch war die fristlose Kündigung aus Gründen der Interessenabwägung und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht angemessen und daher unwirksam.
Das Arbeitsgericht führte aus, dass grobe Beleidigungen insbesondere des Arbeitgebers oder seiner Vertreter, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bedeuten und eine außerordentliche Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung rechtfertigen können. Dagegen können solche Äußerungen unter bestimmten Umständen eine Kündigung dann nicht rechtfertigen, wenn sie in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen getätigt wurden. Denn der Arbeitnehmer ist nicht gehalten nur positiv von seinem Arbeitsgeber und von seinen Kollegen zu denken und sich in seiner Privatsphäre ausschließlich positiv über sie zu äußern. Er darf darauf vertrauen, dass seine Äußerungen nicht nach außen getragen werden und der Betriebsfrieden nicht gestört wird.
Vorliegend hatte der Kläger seinen Vorgesetzten nach Auffassung des Arbeitsgerichts in strafrechtlicher Weise grob beleidigt (§ 185 StGB). Die Kundgabe erfolgte durch das Posten auf der Pinnwand quasi betriebsöffentlich, vergleichbar mit einem Aushang am "Schwarzen Brett". Die Äußerungen wurden daher nicht vertraulich in einer Privatsphäre getätigt. Ein Berufen auf die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) war ebenfalls nicht möglich, da es sich hier um Formalbeleidigungen und Schmähungen handelte. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB lag somit vor.
Jedoch hielt das Arbeitsgericht die fristlose Kündigung aufgrund der durchzuführenden Interessensabwägung unter Beachtung des ultima-ratio-Prinzips für unangemessen. Zu berücksichtigen war hier, dass der Kläger 52 Jahre alt war, was eine schwierige Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt bedeutete, dass er keine abgeschlossene Berufsausbildung hatte und er bereits 31,5 Jahre bei der Beklagten beschäftigt war. Diese Umstände waren so gewichtig, dass der Pflichtverstoß des Arbeitnehmers dahinter zurücktrat.
Die ausgesprochene ordentliche Kündigung war nach Ansicht des Arbeitsgerichts jedoch wirksam. Denn liegt ein verhaltensbedingter wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor, so rechtfertigt dies erst Recht eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung. Die Beklagte musste wegen der groben Beleidigung des Vorgesetzten auch aus Gründen der Fürsorgepflicht ihm gegenüber eine unbefristete Weiterbeschäftigung des Klägers nicht hinnehmen. Eine Abmahnung vor Kündigungsausspruch war daher ebenso nicht erforderlich
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.10.2012
Quelle: Arbeitsgericht Hagen, ra-online (vt/rb)