21.11.2024
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Dokument-Nr. 8699

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Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil28.10.2009

LAG Hessen zu Entschä­di­gungs­ansprüchen bei Benachteiligung schwer­be­hin­derter BewerberKeine Entschädigung bei mangelnder Qualifikation des schwer­be­hin­derten Bewerbers

Ein schwer­be­hin­derter Bewerber kann eine Entschädigung verlangen, wenn der Arbeitgeber ihn wegen seiner Behinderung bei einem ausge­schriebenen Arbeitsplatz benachteiligt hat. Dies entschied das Hessische Landes­a­r­beits­gericht.

Zur Widerlegung der Benach­tei­li­gungs­ver­mutung könne sich der Arbeitgeber jedoch auf alle geeigneten objektiven Tatsachen berufen. Daran sei er durch eine fehlende Unterrichtung nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nicht gehindert. Ein öffentlicher Arbeitgeber könne sich allerdings nur auf solche Auswahlgründe stützen, die dokumentiert seien. Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens sei zwar die Ergänzung, nicht aber die Nachholung der Dokumentation zulässig (19/3 Sa 1636/08).

Verzögerte Unterrichtung der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tretung als Vermutung der Benachteiligung nicht ausreichend

Nach einer weiteren Entscheidung (19/3 Sa 340/08) ist die verzögerte Unterrichtung der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tretung über den Eingang einer Bewerbung eines schwer­be­hin­derten Menschen allein nicht geeignet, die Vermutung der Benachteiligung wegen einer Behinderung zu begründen, wenn die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tretung noch so rechtzeitig unterrichtet wird, dass sie bei der Vorauswahl die Belange der schwer­be­hin­derten Bewerber vertreten kann. Auch bestünden die Pflichten nach § 81 Abs. 1 Satz 7–9 SGB IX nur, wenn der Arbeitgeber seine gesetzliche Beschäf­ti­gungs­pflicht nicht erfülle. Grundsätzlich folge weder aus § 15 AGG noch aus § 242 BGB ein Anspruch des abgelehnten Bewerbers auf Mittelung der Gründe.

Hintergrund der Klage

Hintergrund beider Entscheidungen waren mehrere Klagen eines behinderten Stellen­be­werbers gegen öffentliche Arbeitgeber, die seine Bewerbungen abschlägig beschieden hatten. Daraufhin hatte der abgelehnte Bewerber Entschä­di­gungs­ansprüche wegen Benachteiligung aufgrund seiner Behinderungen gegenüber den Arbeitgebern gerichtlich geltend gemacht.

Kein Anspruch auf Entschädigung

Das Hessische Landes­a­r­beits­gericht wies in der einen Entscheidung 19/3 Sa 340/08 darauf hin, dass dem Kläger ein Entschä­di­gungs­an­spruch mangels Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeits­ver­hält­nisses nicht zustehe.

Entschädigung bei Nicht­ein­stellung beläuft sich auf maximal drei Monatsgehälter

Zwar kann nach § 15 Abs. 2 AGG bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen eines Schadens, der nicht Vermö­gens­schaden ist, der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Wenn der oder die Beschäftigte auch bei benach­tei­li­gungs­freier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, darf die Entschädigung bei einer Nicht­ein­stellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen.

Schwer­be­hin­der­ten­ver­tretung zwar verspätet aber dennoch rechtzeitig informiert

§ 81 Abs. 1 SGB IX lege dem Arbeitgeber Pflichten über die Beteiligung der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tretung im Zusammenhang mit Bewer­bungs­ver­fahren auf und die Nicht­be­tei­ligung der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tretung sei grundsätzlich geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen Behinderung zu begründen. Allerdings rechtfertige die verzögerte Unterrichtung der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tretung über den Eingang einer Bewerbung eines schwer­be­hin­derten Menschen allein nicht die Vermutung einer Benachteiligung, wenn sie – wie vorliegend geschehen – noch so rechtzeitig erfolgt sei, dass diese bei der Vorauswahl der Bewerbungen die Belange des behinderten Bewerbers vertreten könne.

Einladung zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch bei fehlender Qualifikation nicht erforderlich

Auch auf dem Umstand der unterbliebenen Einladung zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch, der nur bei einem öffentlichen Arbeitgeber eine Tatsache darstellt, die geeignet ist, die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung zu begründen, habe der Kläger den Anspruch nicht stützen können. Denn diese Verpflichtung bestehe nicht, wenn der schwer­be­hinderte Bewerber für die ausgeschrieben Stelle offensichtlich nicht geeignet sei. Diese Feststellung sei anhand eines Vergleichs des für die zu besetzende Stelle bestehenden Anforderungs- mit dem Leistungsprofil des behinderten Bewerbers zu ermitteln. Die fachliche Eignung fehle, wenn der Bewerber über die für die zu besetzende Stelle bestehenden Ausbildungs- oder Prüfungs­vor­aus­set­zungen oder sonstige Voraussetzungen, wie z.B. die nach der Stelle geforderten ausreichenden praktischen Erfahrung nicht verfüge.

Keine Einladung zum Vorstel­lungs­ge­spräch bei ausreichender Qualifikation führt zu Entschä­di­gungs­ansprüchen

In dem weiteren Verfahren (19/3 Sa 1636/09) sprach das Berufungs­gericht dem Kläger hingegen eine Entschädigung in Höhe eines Monatsgehaltes zu, da der öffentliche Arbeitgeber ihn nicht zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch eingeladen hatte. Der Arbeitgeber konnte sich in diesem Fall nicht darauf berufen, dass der Bewerber für die zu besetzende Stelle offensichtlich nicht geeignet sei, da die nach dem Anfor­de­rungs­profil in der Stelle­n­aus­schreibung geforderten Voraussetzungen in seiner Person vorlagen. Insoweit müsse der öffentliche Arbeitgeber sich an dem Wortlaut seiner Stelle­n­aus­schreibung festhalten lassen.

Klage nicht rechts­miss­bräuchlich

Im Übrigen sah das Berufungs­gericht die Klage des abgelehnten Bewerbers auch nicht als rechts­miss­bräuchlich an. Zwar könne einer Entschä­di­gungsklage der Einwand des Rechts­miss­brauchs entgegen gehalten werden, wenn die Bewerbung nicht subjektiv ernsthaft, sondern nur zum Zweck des Erwerbs von Entschä­di­gungs­ansprüchen erfolge. Allerdings hätten vorliegend keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Kläger sich nicht subjektiv ernsthaft beworben habe. Er sei für die Stelle nicht objektiv ungeeignet und habe eine auf die Stelle­n­aus­schreibung zugeschnittene Bewerbung abgegeben. Aufgrund der Kündigung seines früheren Arbeitgebers habe er mit dem Verlust seines Arbeitplatzes rechnen müssen, so dass auch die Zahl von 120 Bewerbungen innerhalb von zwei Jahren nicht gegen die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbungen spreche.

Quelle: ra-online, Hessisches LAG

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