23.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 6206

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Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil06.11.2007

Kündigung wegen der Weigerung, Rufbereitschaft an Wochenenden zu leisten ist unwirksamKeine besondere arbeits­ver­tragliche oder kollek­ti­v­rechtliche Vereinbarung

Nach einer Entscheidung des Hessischen Landes­a­r­beits­ge­richts ist eine ordentliche Kündigung wegen der Weigerung eines Mitarbeiters, an Wochenenden Rufbereitschaft zu leisten, unwirksam, wenn es an einer entsprechenden arbeits­ver­trag­lichen oder kollek­ti­v­recht­lichen Verpflichtung zur Ableistung solcher Dienste fehlt.

Ein Mitarbeiter aus dem IT-Bereich eines Unternehmens unterhielt sowohl am Arbeitsort A als auch an einem mehrere hundert Kilometer entfernten Ort B eine Wohnung, wo seine beiden Kinder, die er nach der Scheidung wechselseitig mit seiner früheren Ehefrau betreut, leben. Im Rahmen eines Projektes führte der Arbeitgeber für den IT-Bereich an Wochenenden eine Rufbereitschaft ein. Sie war in der Weise abzuleisten, dass die Mitarbeiter sich zu Hause aufhielten, um auftretende Störungen im System kurzfristig beheben zu können. Sie erhielten dafür einen Systemzugang, der es ihnen ermöglichte, den Großteil der Störungen von Hause aus zu beheben. Nur in 10 % der Störfälle war es notwendig, dass sie in den Betrieb kommen mussten. Lediglich der Kläger erhielt keinen Systemzugang, teils, weil er ihn wegen der Nähe seiner Wohnung am Arbeitsort zum Betrieb nicht für erforderlich hielt, teils, weil der Arbeitgeber ihm den Zugang für seine Wohnung in B nicht zur Verfügung stellen wollte. Für ihn gehörte zur Leistung von Rufbereitschaft, dass ein Mitarbeiter innerhalb einer halben Stunde im Betrieb erscheinen konnte, was im Falle des Klägers nur bei Anwesenheit in der A Wohnung in Betracht kam. Eine Vereinbarung, die die Verpflichtung zur Leistung von Rufbereitschaft für die Mitarbeiter ausdrücklich regelte, existierte in der Vergangenheit im Betrieb nicht. Nach einer Betrie­bs­ver­ein­barung war die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden auf den Zeitraum von Montag bis Freitag einer Woche verteilt.

Ab dem 1.1.2006 regelte eine Betrie­bs­ver­ein­barung die Rufbereitschaft

Erst mit Wirkung zum 1.1.2006 schlossen die Betrie­b­s­parteien eine neue Betrie­bs­ver­ein­barung, die nunmehr eine Regelung zur Rufbereitschaft enthält. Die Anordnung von Rufbereitschaft erfolgte zunächst jeweils im Einzelfall in Absprache zwischen dem Teamleiter und den Mitarbeitern, ab Mitte 2005 erstellte der Arbeitgeber eine Art Dienstplan. Der Mitarbeiter leistete im Zeitraum bis November 2005 an insgesamt 8 Wochenenden Rufbereitschaft. Als der Arbeitgeber ihn wiederum im Dezember 2005 zur Rufbereitschaft einteilte, informierte er ihn, dass er an diesem Wochenende keine Rufbereitschaft leisten könnte. Darauf wiederholte der Arbeitgeber seine Anweisung. In einem Perso­nal­ge­spräch äußerte der Mitarbeiter die Ansicht, zur Leistung von Rufbe­reit­schaften nicht verpflichtet zu sein. Der Arbeitgeber vertrat die gegenteilige Auffassung und forderte ihn unter Hinweis darauf, dass eine Ablehnung als Arbeitsverweigerung angesehen werde, zur Leistung von Rufbereitschaft an den kommenden Wochenenden im Dezember 2005 auf. Nachdem der Mitarbeiter diese Rufbereitschaft nicht leistete, kündigte der Arbeitgeber ihm ordentlich. Der Mitarbeiter erhob Kündi­gungs­schutzklage.

Arbeitsgericht und Landes­a­r­beits­gericht gaben der Kündi­gungs­schutzklage statt

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Arbeitgebers hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Hessischen Landes­a­r­beits­ge­richts kommt eine verhal­tens­be­dingte Kündigung bei der beharrlichen Verletzung der Arbeitspflicht nach vorheriger Abmahnung zwar grundsätzlich in Betracht. Ein Arbeitnehmer sei allerdings berechtigt, Arbeiten abzulehnen, die der Arbeitgeber ihm unter Überschreitung des Direk­ti­o­ns­rechts nach Art, Zeit und Ort zuweise.

Keine vertragswidrige Pflicht­ver­letzung durch den Arbeitnehmer

Ausgehend von diesen Grundsätzen fehle es an einer vertrags­widrigen Pflicht­ver­letzung seitens des gekündigten Mitarbeiters. Denn er war im Rahmen seines Arbeits­ver­hält­nisses nicht verpflichtet, an den Wochenenden Rufbereitschaft zu leisten. Die entsprechende Anordnung des Arbeitgebers überschritt deshalb das ihm zustehende Direktionsrecht.

Leistung von Rufbe­reit­schaften kann nur bei besonderen arbeits­ver­trag­lichen oder kollek­ti­v­recht­lichen Vereinbarungen verlangt werden

Ein Arbeitnehmer sei nur auf der Grundlage besonderer arbeits­ver­trag­licher oder kollek­ti­v­recht­licher Vereinbarungen zur Leistung von Bereit­schafts­diensten und Rufbereitschaft verpflichtet, woran es im Streitfall fehlte. Die neue Betrie­bs­ver­ein­barung, die eine solche Verpflichtung begründete, sei erst mit Wirkung zum 1. Januar 2006 in Kraft getreten und erfasse nicht davor liegende Zeiten. Die vom Kläger verweigerten Rufbe­reit­schafts­dienste hatten sämtlich noch im Jahr 2005 gelegen.

Letztlich konnte auch aus den in der Vergangenheit von dem Mitarbeiter geleisteten Rufbe­reit­schafts­diensten nicht abgeleitet werden, dass er sich generell und auf unbeschränkte Dauer zur Übernahme von Rufbe­reit­schaften an Wochenenden verpflichten habe.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 05/08 des LAG Hessen vom 13.06.2008

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