15.11.2024
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Urteil20.03.2012

Frankfurter Spielhallen-Sperr­zeit­ver­ordnung vorläufig aufgehobenSpiel­ha­l­len­dichte und Spiel­sucht­po­tential unter Landes­durch­schnitt

Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof hat auf Antrag einiger in Frankfurt am Main tätiger Spiel­ha­l­len­be­treiber die am 1. Januar 2012 in Kraft getretene Verordnung der Oberbür­ger­meisterin der Stadt Frankfurt am Main über die Regelung der Sperrzeit für das Gebiet der Stadt Frankfurt am Main vom 1. Dezember 2011 durch einstweilige Anordnung vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Die Verordnung verbietet als Ausnahme von der Sperr­zeit­ver­ordnung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport, die landesweit täglich auch für Spielhallen nur eine Stunde Sperrzeit vorsieht, seit 1. Januar 2012 die Öffnung solcher Einrichtungen im Frankfurter Stadtgebiet in der Zeit von 3.00 Uhr bis 11.00 Uhr.

Gründe für ein Abweichen von der festgelegten Sperrzeit nicht ersichtlich

Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof führte in seiner Entschei­dungs­be­gründung aus, dass es nach den verfügbaren Erkennt­nis­quellen im Frankfurter Stadtgebiet an Gründen für ein solches Abweichen von der durch den Minister des Innern und für Sport in seiner Sperr­zeit­ver­ordnung allgemein festgelegten Sperrzeit fehle. Nach dem Wortlaut dieser SperrzeitVO kann die zuständige örtliche Ordnungsbehörde innerhalb des jeweiligen Gemeindegebiets „bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse die Sperrzeit allgemein verlängern, verkürzen oder aufheben“.

Allgemeine Sperr­zeit­re­gelung soll durch­schnitt­lichem Gefah­ren­po­ten­tialen Rechnung tragen

Nach Auffassung des Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshofs ist für beide Alternativen auf die lokalen Besonderheiten abzustellen und für eine Ausnah­me­re­gelung ein gegenüber dem Landes­durch­schnitt erhöhtes lokales Gefah­ren­po­tential notwendig. Denn nach dem Regel-Ausnahme-Prinzip solle die allgemeine Sperr­zeit­re­gelung durch­schnitt­lichen Gefah­ren­po­ten­tialen Rechnung tragen. Solle das Grundrecht der Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 S. 2 des Grundgesetzes (GG) durch ordnungs­be­hördliche Ausnah­me­re­ge­lungen stärker beschränkt werden, bedürfe es dafür eines dies recht­fer­ti­genden erhöhten Gefah­ren­po­tentials im Zustän­dig­keits­bereich der handelnden Ordnungsbehörde. Daran fehle es in Frankfurt am Main.

Frankfurt am Main liegt mit Zahl der Einwohner je Gerät deutlich unter Landes- und Bundes­durch­schnitt

Eine dem Verwal­tungs­ge­richtshof vorliegende Studie zur Angebotss­truktur der Spielhallen und Geldspielgeräte in Hessen weist für Frankfurt am Main 633,18 Einwohner pro Spielgerät in Spielhallen aus, während der Durchschnitt in Hessen bei 550,66 und in der Bundesrepublik Deutschland bei 497,27 Einwohnern je Gerät liegt. Vier weitere hessische Großstädte verzeichnen ungünstigere Zahlen­ver­hältnisse als Frankfurt am Main, darunter Kassel mit 440,29 Einwohnern pro Spielhallen-Geldspielgerät; dabei ist der Anfang 2011 erfolgte explo­si­ons­artige Anstieg der Zahl der aufgestellten Geräte in Kassel noch gar nicht berücksichtigt. Auch wenn man die in der Studie mitgeteilten Zahlen der in Gastro­no­mie­be­trieben aufgestellten Geldspielgeräte einbeziehe, liege Frankfurt am Main mit 355,53 Einwohnern je Gerät deutlich unter dem Landes- und Bundes­durch­schnitt (330,74 bzw. 294, 75 Einwohner je Gerät) und noch deutlicher hinter den Gefähr­dungs­po­ten­tialen des hessischen „Spitzenreiters“ Kassel (267,82 Einwohner je Gerät).

Besorg­nis­er­regende Steige­rungsraten im Hinblick auf Zahl der Behand­lungsfälle von Spielsucht nicht auszumachen

Im Gegensatz zu Kassel, wo sich die Zahl der wegen Spielsucht oder Spiel­sucht­ge­fährdung therapierten Personen zwischen 2006 und 2010 um ca. 135 Prozent gesteigert hat, seien in Frankfurt am Main auch keine besorg­nis­er­re­genden Steige­rungsraten bei der Zahl der Behand­lungsfälle auszumachen. Wegen der Kasseler Besonderheiten hatte der 8. Senat des Verwal­tungs­ge­richtshofs eine Sperr­zeit­ver­ordnung des dortigen Oberbür­ger­meisters mit ähnlichem Inhalt im September 2011 unbeanstandet gelassen.

Das Gericht sah allerdings auch bei seiner die Frankfurter Verordnung betreffenden Entscheidungen einen breiten gesell­schaft­lichen Konsens, dass im Interesse des Jugendschutzes und der Suchtprävention der Allgegenwart und jederzeitigen Verfügbarkeit von Spielhallen wirksame Grenzen zu setzen sind. Damit seien die Voraussetzungen für das Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses für eine Sperr­zeit­ver­län­gerung landesweit gegeben. Gleichwohl habe der Hessische Minister des Innern und für Sport bei der Verlängerung der Geltungsdauer der Sperr­zeit­ver­ordnung im November 2011 keinen Anlass gesehen, die allgemeine Sperrzeit im Vorgriff auf die jetzt im Spiel­ha­l­len­gesetz beabsichtigte Regelung zu verlängern, denn es sei lediglich das Datum des Außer-Kraft-Tretens auf den 31. Dezember 2012 verändert und die Sperrzeit bei einer Stunde täglich belassen worden. Diese Entscheidung könne nunmehr nicht durch Ausnah­me­re­ge­lungen der örtlichen Ordnungsbehörde „nachgebessert“ werden, sofern – wie in Frankfurt am Main – keine örtlichen Besonderheiten ein über den Landes­durch­schnitt hinaus erhöhtes Gefah­ren­po­tential begründen.

Quelle: Hessischer Verwaltungsgerichtshof/ra-online

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