Die Verordnung verbietet als Ausnahme von der Sperrzeitverordnung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport, die landesweit täglich auch für Spielhallen nur eine Stunde Sperrzeit vorsieht, seit 1. Januar 2012 die Öffnung solcher Einrichtungen im Frankfurter Stadtgebiet in der Zeit von 3.00 Uhr bis 11.00 Uhr.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof führte in seiner Entscheidungsbegründung aus, dass es nach den verfügbaren Erkenntnisquellen im Frankfurter Stadtgebiet an Gründen für ein solches Abweichen von der durch den Minister des Innern und für Sport in seiner Sperrzeitverordnung allgemein festgelegten Sperrzeit fehle. Nach dem Wortlaut dieser SperrzeitVO kann die zuständige örtliche Ordnungsbehörde innerhalb des jeweiligen Gemeindegebiets „bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse die Sperrzeit allgemein verlängern, verkürzen oder aufheben“.
Nach Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ist für beide Alternativen auf die lokalen Besonderheiten abzustellen und für eine Ausnahmeregelung ein gegenüber dem Landesdurchschnitt erhöhtes lokales Gefahrenpotential notwendig. Denn nach dem Regel-Ausnahme-Prinzip solle die allgemeine Sperrzeitregelung durchschnittlichen Gefahrenpotentialen Rechnung tragen. Solle das Grundrecht der Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 S. 2 des Grundgesetzes (GG) durch ordnungsbehördliche Ausnahmeregelungen stärker beschränkt werden, bedürfe es dafür eines dies rechtfertigenden erhöhten Gefahrenpotentials im Zuständigkeitsbereich der handelnden Ordnungsbehörde. Daran fehle es in Frankfurt am Main.
Eine dem Verwaltungsgerichtshof vorliegende Studie zur Angebotsstruktur der Spielhallen und Geldspielgeräte in Hessen weist für Frankfurt am Main 633,18 Einwohner pro Spielgerät in Spielhallen aus, während der Durchschnitt in Hessen bei 550,66 und in der Bundesrepublik Deutschland bei 497,27 Einwohnern je Gerät liegt. Vier weitere hessische Großstädte verzeichnen ungünstigere Zahlenverhältnisse als Frankfurt am Main, darunter Kassel mit 440,29 Einwohnern pro Spielhallen-Geldspielgerät; dabei ist der Anfang 2011 erfolgte explosionsartige Anstieg der Zahl der aufgestellten Geräte in Kassel noch gar nicht berücksichtigt. Auch wenn man die in der Studie mitgeteilten Zahlen der in Gastronomiebetrieben aufgestellten Geldspielgeräte einbeziehe, liege Frankfurt am Main mit 355,53 Einwohnern je Gerät deutlich unter dem Landes- und Bundesdurchschnitt (330,74 bzw. 294, 75 Einwohner je Gerät) und noch deutlicher hinter den Gefährdungspotentialen des hessischen „Spitzenreiters“ Kassel (267,82 Einwohner je Gerät).
Im Gegensatz zu Kassel, wo sich die Zahl der wegen Spielsucht oder Spielsuchtgefährdung therapierten Personen zwischen 2006 und 2010 um ca. 135 Prozent gesteigert hat, seien in Frankfurt am Main auch keine besorgniserregenden Steigerungsraten bei der Zahl der Behandlungsfälle auszumachen. Wegen der Kasseler Besonderheiten hatte der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs eine Sperrzeitverordnung des dortigen Oberbürgermeisters mit ähnlichem Inhalt im September 2011 unbeanstandet gelassen.
Das Gericht sah allerdings auch bei seiner die Frankfurter Verordnung betreffenden Entscheidungen einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass im Interesse des Jugendschutzes und der Suchtprävention der Allgegenwart und jederzeitigen Verfügbarkeit von Spielhallen wirksame Grenzen zu setzen sind. Damit seien die Voraussetzungen für das Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses für eine Sperrzeitverlängerung landesweit gegeben. Gleichwohl habe der Hessische Minister des Innern und für Sport bei der Verlängerung der Geltungsdauer der Sperrzeitverordnung im November 2011 keinen Anlass gesehen, die allgemeine Sperrzeit im Vorgriff auf die jetzt im Spielhallengesetz beabsichtigte Regelung zu verlängern, denn es sei lediglich das Datum des Außer-Kraft-Tretens auf den 31. Dezember 2012 verändert und die Sperrzeit bei einer Stunde täglich belassen worden. Diese Entscheidung könne nunmehr nicht durch Ausnahmeregelungen der örtlichen Ordnungsbehörde „nachgebessert“ werden, sofern – wie in Frankfurt am Main – keine örtlichen Besonderheiten ein über den Landesdurchschnitt hinaus erhöhtes Gefahrenpotential begründen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.03.2012
Quelle: Hessischer Verwaltungsgerichtshof/ra-online