18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen eine Reihe mit gelben Aktenordnern, die mit Barcodes markiert sind.

Dokument-Nr. 10923

Drucken
ergänzende Informationen

Hessischer Verwaltungsgerichtshof Urteil20.01.2011

Hessischer VGH: Zuchtverbot für Landenten mit Federhaube aufgehobenGemäß Vorgaben des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts ist beanstandete Züchtung nicht mit schweren Schäden der betroffenen Tiere verbunden

Ein zunächst vom Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshof ausgesprochene Verbot zur Zucht von Landhennen mit Federhaube aufgrund eines Verstoßes gegen Bestimmungen des Tierschutz­ge­setzes wurde vom gleichen Gericht wieder aufgehoben. Aufgrund der nunmehr verbindlichen Vorgaben des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts konnte der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof dieses Verbot der Qualzüchtung nicht mehr aufrecht­er­halten.

Im vorliegenden Fall züchtete der Kläger seit 1998 Landenten mit Haube. Mit Bescheid vom 11. November 2002 untersagte ihm der Landrat des Vogels­berg­kreises diese Zucht, insbesondere mit den im Besitz des Klägers befindlichen Landenten, mit der Begründung, die Züchtung der Tiere verstoße gegen das Tierschutz­gesetz, weil nach vorliegenden Gutachten bei der Züchtung von Enten mit dem Merkmal "Federhaube" häufiger, als zufällig zu erwarten wäre, kranio-zerebrale Missbildungen (Schädeldefekte, intrakraniale Lipome, Hirnde­for­ma­tionen, Hirnbrüche) aufträten. Das Gehirn sei in diesen Fällen umgestaltet und nicht mehr tauglich, bestim­mungs­gemäße Funktionen auszuüben, wodurch den Tieren Leiden und Schmerzen zugefügt würden.

Hessischer VGH weist Berufung zunächst zurück

Gegen das Zuchtverbot hatte der Kläger zunächst beim Verwal­tungs­gericht Gießen Klage erhoben, die dort mit Urteil vom 26. September 2005 abgewiesen wurde. Die Berufung des Klägers gegen diese Entscheidung blieb zunächst auch vor dem Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshof ohne Erfolg. Ebenso wie die Vorinstanz war der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof in seinem Urteil vom 5. Februar 2009 der Auffassung, insbesondere aufgrund eines neueren Gutachtens verstoße die Zucht von Landenten mit Federhaube gegen Bestimmungen des Tierschutz­ge­setzes, da in einer signifikanten Anzahl von Fällen aufgrund von Mutationen des Gehirns Verhal­tens­stö­rungen bei den Tieren festgestellt worden seien, die teilweise bereits vor dem Schlüpfen aufträten und das Schlüpfen verhinderten oder später zu erheblichen Leiden führten.

BVerwG hebt Urteil des Hessisches VGH auf

Auf die zugelassene Revision hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig mit Entscheidung vom 17. Dezember 2009 (Az.: 7 C 4.09) das Urteil des Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshofs vom 5. Februar 2009 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dabei hat sich das Bundes­ver­wal­tungs­gericht mit den Anforderungen des § 11 b Abs. 1 und 2 Tierschutz­gesetz befasst und ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen nach seiner Auffassung "mit derartigen erblich bedingten Schäden gerechnet werden muss". Dies sei dann der Fall, wenn es nach dem Stand der Wissenschaft überwiegend wahrscheinlich ist, dass solche Schäden signifikant häufiger auftreten, als es zufällig zu erwarten wäre. Eine naheliegende Möglichkeit, dass es zu derartigen Schäden kommen könne, wie sie der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof im aufgehobenen Urteil gesehen und als ausreichend erachtet hat, genüge für ein Verbot nicht. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch müsse nicht bereits dann mit etwas gerechnet werden, wenn nur eine naheliegende Möglichkeit dafür bestehe, dass dies eintreten werde. Vielmehr bedürfe es hierfür eines höheren Maßes an Wahrschein­lichkeit.

Beweislast für Schadens­wahr­schein­lichkeit trage handelnde Behörde

Aufgrund der nunmehr verbindlichen Vorgaben des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts sah sich der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof nicht mehr in der Lage, das ausgesprochene Verbot der Qualzüchtung zu bestätigen. Die Möglichkeiten der Sachver­halt­s­er­mittlung seien bereits im bisherigen Verfahren ausgeschöpft worden. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse berechtigten nicht zu der Annahme, die beanstandete Züchtung sei mit der vom Bundes­ver­wal­tungs­gericht geforderten überwiegenden Wahrschein­lichkeit mit schweren Schäden für die betroffenen Tiere verbunden. Die materielle Beweislast für diesen hohen Grad der Schadens­wahr­schein­lichkeit trage die handelnde Behörde, so dass der Klage nunmehr stattzugeben sei.

§ 11 b Tierschutz­gesetz:

Erläuterungen
(1)

Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten oder durch bio- oder gentechnische Maßnahmen zu verändern, wenn damit gerechnet werden muss, dass bei der Nachzucht, den bio- oder gentechnisch veränderten Tieren selbst oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten.

(2)

Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten oder durch bio- oder gentechnische Maßnahmen zu verändern, wenn damit gerechnet werden muss, dass bei den Nachkommen

a) mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhal­tens­stö­rungen auftreten oder

b) jeder artgemäße Kontakt mit Artgenossen bei ihnen selbst oder einem Artgenossen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führt oder

c) deren Haltung nur unter Bedingungen möglich ist, die bei ihnen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führen.

Quelle: Hessischer Verwaltungsgerichtshof Kassel/ ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil10923

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI