21.11.2024
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Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil12.04.2018

"Tatsächliche Verständigung" mit dem Finanzamt über Hinter­ziehungs­zinsen nicht zulässigZusage über Hinter­ziehungs­zinsen unzulässig und nicht bindend

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass wegen einer Steuer­hin­ter­ziehung festzusetzende Hinter­ziehungs­zinsen nicht Gegenstand einer sogenannten "tatsächlichen Verständigung" zwischen Steuer­pflichtigem und Finanzamt sein können.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls betreibt in der Vorderpfalz einen Handel mit gebrauchten Fahrzeugen. Im Rahmen einer Steuer­fahn­dungs­prüfung wurde festgestellt, dass der Kläger in den Jahren 2004 bis 2009 Steuern hinterzogen hatte, deren Höhe allerdings nicht mehr zweifelsfrei aufklärbar war. Der Kläger und das Finanzamt einigten sich daher in einer schriftlich dokumentierten sogenannten "tatsächlichen Verständigung" dahingehend, dass nicht verbuchte Einnahmen anzusetzen und die Gewinne um die vereinbarten Beträge (rund 100.000 Euro pro Jahr) zu erhöhen seien. Nach Bestandskraft der entsprechend geänderten Einkom­men­steu­er­be­scheide setzte das beklagte Finanzamt Hinter­zie­hungs­zinsen fest (rund 9.800 Euro). Dagegen legte der Kläger Einspruch ein, weil nach seiner Auffassung im Rahmen der tatsächlichen Verständigung ein Zahlungsbetrag festgelegt worden sei, der auch die Hinter­zie­hungs­zinsen habe beinhalten sollen. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen erhob der Kläger Klage (über die noch nicht entschieden ist) und stellte außerdem einen Antrag beim Finanzamt auf Erlass der Hinter­zie­hungs­zinsen. Gegen die Ablehnung dieses Erlassantrags erhob der Kläger (nach erfolglosem Einspruchs­ver­fahren) ebenfalls Klage.

Tatsächliche Verständigung oder Zusage allenfalls in Bezug auf unklare Sachverhalte oder bei Entscheidungen zulässig

Die Klage wurde vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz jedoch mit folgender Begründung abgewiesen, dass die schriftlich abgefasste tatsächliche Verständigung keine Vereinbarung zu den Hinter­zie­hungs­zinsen enthalte. Eine wie auch immer geartete mündliche Zusage sei ebenfalls nicht nachgewiesen. Unabhängig davon wäre eine solche (mündliche wie schriftliche) Vereinbarung auch gar nicht zulässig und daher - jedenfalls für das Gericht - ohnehin nicht bindend. Denn eine tatsächliche Verständigung oder Zusage sei allenfalls in Bezug auf einen unklaren Sachverhalt oder bei Entscheidungen zulässig, bei denen der Finanz­ver­waltung ein Ermessens- oder Beurtei­lungs­spielraum zustehe. Bei reinen Rechtsfragen hingegen könnten solche Vereinbarungen nach ständiger Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofes nicht getroffen werden. Die Rechtsfolge, dass bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung - die hier aufgrund der bestands­kräftigen Einkom­men­steu­er­be­scheide feststehe - zwingend Hinter­zie­hungs­zinsen festgesetzt werden müssten, ergebe sich bereits aus dem Gesetz und sei daher einer Einigung nicht zugänglich.

Hintergrund:

Im Zuge einer Steuer­fahn­dungs­prüfung bei Verdacht einer Steuer­hin­ter­ziehung kann es zu einer schriftlichen tatsächlichen Verständigung über die Besteu­e­rungs­grundlagen zwischen dem Steuer­pflichtigen und dem Finanzamt kommen, weil die Sachverhalte teils lange zurückliegen und mitunter sehr schwierig zu ermitteln sind (z.B. bei Auslands­sach­ver­halten).

Bei diesem Verfahren ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung weder schriftlich noch mündlich der Verzicht des Finanzamtes auf die Festsetzung von Hinter­zie­hungs­zinsen sein kann. Bei der Auslotung der Möglichkeit einer tatsächlichen Verständigung sollte der Steuer­pflichtige in der wirtschaft­lichen Gesamt­be­trachtung - zur Vermeidung späterer Rechtss­trei­tig­keiten vor dem Finanzgericht - daher berücksichtigen, dass bei Vorliegen einer Steuer­hin­ter­ziehung zwingend noch Hinter­zie­hungs­zinsen festzusetzen sind.

Quelle: Finanzgericht Rheinland-Pfalz/ra-online

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