22.11.2024
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Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil15.09.2009

Adoptionskosten stellen keine außer­ge­wöhn­lichen Belastungen darGesichtspunkt eines angeblichen Makels der Kinderlosigkeit nicht maßgebend

Adoptionskosten können steuerlich nicht bei den außer­ge­wöhn­lichen Belastungen geltend gemacht werden. Dies entschied das Finanzgericht Rheinland-Pfalz.

Im Rahmen ihrer Einkom­men­steu­er­ver­an­lagung für das Jahr 2002 machten die Kläger für die Adoption ihres Sohnes Kosten in Höhe von über 18.000.- € bei den außer­ge­wöhn­lichen Belastungen geltend. Das wurde vom Finanzamt mit der Begründung abgelehnt, dass Adoptionskosten nach der Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofs keine außer­ge­wöhn­lichen Belastungen darstellen würden.

Beklagte sieht sich durch ungewollt Kinderlosigkeit gesell­schaft­lichem Makel ausgesetz

Mit der gegen diese Entscheidung gerichteten Klage machten die Kläger u.a. geltend, ihnen sei bekannt, dass der Bundesfinanzhof die Berück­sich­tigung von Kosten einer Adoption als außer­ge­wöhnliche Belastungen unter Hinweis auf die fehlende Zwangs­läu­figkeit der Aufwendungen abgelehnt habe, da es im Regelfall an der rechtlichen, sittlichen oder tatsächlichen Verpflichtung für eine Adoption fehle. Allerdings sei diese Auffassung im Lichte der jüngeren Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zur Pfleg­ver­si­cherung, der Diskussion um kinderlose Ehepaare und von verschiedenen Geset­ze­s­i­n­i­tiativen zur Famili­en­be­steuerung nicht haltbar und müsse neu überdacht werden (vgl. Bundes­ver­fas­sungs­gericht, Urteil v. 03.04.2001 - 1 BvR 1629/94 -). Seit Ende der 1990er Jahre gelte das Lebensbild des kinderlosen Single oder des kinderlosen Ehepaars als anstößig, egoistisch und unsolidarisch. Der Bundesfinanzhof habe nicht vorhersehen können, dass das Bundes­ver­fas­sungs­gericht den Kinderlosen in seiner Entscheidung vom April 2001 attestieren würde, sie würden sich in den sozialen Siche­rungs­systemen, zumindest in der Pflegeversicherung, auf Kosten der Kinder­er­zie­henden bereichern und kämen ihrer Verpflichtung der Heranziehung der nächsten Beitrags­zahl­er­ge­ne­ration nicht nach. Das Bild das das Bundes­ver­fas­sungs­gericht mit seiner Entscheidung von den Kinderlosen aufgezeigt habe, spiegele die Werturteile der Gesellschaft wieder; der Gesetzgeber sei diesen Vorgaben nachgekommen und erhebe in der Pflege­ver­si­cherung nunmehr einen Kinderzuschlag für Versicherte ohne Kinder. Daher würden sich auch ungewollt Kinderlose dem gesell­schaft­lichen Makel der Kinderlosigkeit ausgesetzt sehen. Diesem latenten Vorwurf könnten sich ungewollt Kinderlose nur durch Adoption entziehen, was die Berück­sich­tigung der Aufwendungen als außer­ge­wöhnliche Belastungen rechtfertige.

Keinen sittlich-moralischen Vorwurf gegenüber Kinderlose erkennbar

Die Klage hatte allerdings keinen Erfolg. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, die notwendige, zur Anerkennung von außer­ge­wöhn­lichen Belastungen führende Zwangs­läu­figkeit der Aufwendungen sei nicht gegeben. Es gäbe einerseits keine Rechtspflicht, Kinder zu haben, andererseits würde eine gesetzliche Verpflichtung, Kinder zu haben, in unzulässiger Weise in das höchst­per­sönliche Recht des Einzelnen, dem allein die Entscheidung hierüber zustehe, eingreifen. Eine Zwangs­läu­figkeit aus sittlichen Gründen sei nicht gegeben. Sittliche Motive müssten so stark sein, dass eine andere Entscheidung kaum möglich sei, d.h. der Steuer­pflichtige müsse bei Unterlassung der Leistung – also hier der Adoption – vor anderen als „unsittlich” oder „unanständig” gelten. Im Streitfall fehle es an einer solchen sittlichen Verpflichtung der Kläger. Es bestehe kein Gebot zur Adoption hilfs­be­dürftiger Kinder. Das Gericht könne eine gesell­schaftliche Haltung, die Kinderlosigkeit ohne weiteres als Ausdruck einer egoistischen und unsolidarischen Grundhaltung eines Kinderlosen verstehe, nicht erkennen. Mit seinen Ausführungen zur Funkti­o­ns­fä­higkeit der Pflege­ver­si­cherung nicht nur durch Beitragszahlung, sondern auch durch Betreuung und Erziehung von Kindern habe das Bundes­ver­fas­sungs­gericht keinen sittlich-moralischen Vorwurf gegenüber Kinderlosen erhoben und weder unmittelbar noch mittelbar die Forderung aufgestellt, Kinderlose müssten durch das Adoptieren von Kindern zum Funktionieren des Sozialsystems beitragen. Demnach sei die Adoption für die Kläger nicht aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen unausweichlich gewesen, sondern habe auf ihrem freien, nicht von außen bestimmten Willen beruht. Das könne keine Berück­sich­tigung von außer­ge­wöhn­lichen Belastungen begründen.

Quelle: ra-online, FG Rheinland-Pfalz

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