21.11.2024
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Dokument-Nr. 6225

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Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil23.04.2008

Phobie gegen amtliche Schreiben ist kein Wieder­ein­set­zungsgrundVersäumung der Verfahrensfrist erfolgte nicht schuldlos

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz zu der Frage Stellung genommen, ob bei Versäumung einer Frist Wieder­ein­setzung in den vorigen Stand gewährt werden kann, wenn die Frist wegen einer Phobie gegen amtliche Schreiben versäumt wurde.

Im Streitfall erhielt die Klägerin Kindergeld für ihre Tochter (T). Am 16. Mai 2007 wurde die Klägerin aufgefordert, innerhalb der folgenden 2 Wochen Nachweise über die Fortdauer oder das Ende der Schulausbildung der T vorzulegen. Sollten Hinde­rungs­gründe bestehen, wurde gebeten, diese mitzuteilen. Ferner wurde darauf hingewiesen, wenn innerhalb der Frist keine Antwort erfolge, müsse die Kinder­geld­fest­setzung für T ab September 2005 aufgehoben werden. Da innerhalb der Frist keine Antwort einging, wurde die Kinder­geld­fest­setzung mit Bescheid vom 17. Juli 2007 ab September 2005 aufgehoben (der letzte vorliegende Ausbil­dungs­nachweis datierte nämlich auf den Monat Juli 2005). Das bisher gezahlte Kindergeld (September 2005 bis März 2007) in Höhe von 2.926,00 € wurde zurückgefordert.

Erst am 7. September 2007 - also nach Ablauf der Rechts­be­helfsfrist von einem Monat - ging der Einspruch der Klägerin mit den angeforderten Unterlagen bei der Kinder­geld­stelle ein. Auf den Hinweis der Kinder­geld­stelle, dass der Einspruch verspätet sei, teilte die Klägerin mit, sie habe eine Phobie gegen amtliche Schreiben. Ihr seien schon sehr viele finanzielle Nachteile dadurch entstanden, dass sie amtliche Schreiben nicht geöffnet habe, sondern liegen gelassen oder entsorgt habe, weil sie panische Angst vor dem Inhalt der amtlichen Schreiben gehabt habe und weiterhin habe. Der Einspruch wurde wegen Fristversäumnis als unzulässig verworfen.

Klägerin leidet unter Angstzuständen

Mit der dagegen angestrengten Klage machte die Klägerin geltend, ihr sei das genaue Zugangsdatum des aufhebenden Bescheides vom 17. Juli 2007 nicht bekannt. Sie leide unter Angstzuständen, die durch amtliche Schreiben ausgelöst würden. Um dies zu verhindern, lasse sie zugehende Post auf Wochen, ja sogar monatelang im Briefkasten. Sie habe sich wiederholt in psychologische Behandlung begeben wollen, schäme sich jedoch ihres Leidens zu sehr. Seit dem 6. September 2007 werde ihr private Unterstützung gewährt. Es sei außerdem völlig sinnwidrig, Gelder zurückzufordern, die ihr zugestanden hätten.

Richter: Krankheit ist nur dann ein entschuldbares Hindernis, wenn es sich um eine schwere und plötzliche Erkrankung handelt

Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, eine Wieder­ein­setzung in den vorigen Stand sei zu gewähren, wenn eine Verfahrensfrist schuldlos versäumt worden sei. Das setze in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen würden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben solle. Daran fehle es. Eine Krankheit sei nur dann ein entschuldbares Hindernis, wenn es sich um eine schwere und plötzliche Erkrankung handele, so dass der Kranke dadurch gehindert sei, seine steuerlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen und auch nicht in der Lage sei, sich einen Vertreter zu bestellen. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin habe diese schon über einen längeren Zeitraum eine Phobie gegen amtliche Schreiben. Da es sich hierbei nicht um eine plötzlich eingetretene Krankheit handele, wäre es ihr - der Klägerin - möglich gewesen eine private Unterstützung schon früher zu erhalten. Außerdem habe die Klägerin drei Kinder, wovon auf jeden Fall T im Haushalt der Klägerin wohne. T habe in diesem Jahr das Abitur gemacht und das 18. Lebensjahr vollendet, es wäre ihr möglich gewesen, der Klägerin zu helfen und Unterstützung zu geben. Da die Klägerin keine Sorge dafür getragen habe, dass die Schreiben der Kinder­geld­stelle geöffnet und beantwortet würden, sei sie nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, rechtzeitig Einspruch einzulegen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des FG Rheinland-Pfalz vom 18.06.2008

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