21.11.2024
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Dokument-Nr. 31988

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Finanzgericht Münster Beschluss27.06.2022

EuGH-Vorlage zur Reichweite des sog. "Reemtsma-Anspruchs"EuGH soll Reichweite des "Reemtsma-Anspruchs" klären

Ist es unionsrechtlich geboten, dass einem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der von ihm an seine Vorlieferanten zu viel gezahlten Mehrwertsteuer unmittelbar gegen die Finanzbehörde zusteht, auch wenn noch die Möglichkeit besteht, dass die Finanzbehörde durch die Vorlieferanten aufgrund einer Berichtigung der Rechnungen zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch genommen wird und dann möglicherweise keinen Rückgriff mehr beim Kläger nehmen kann? Diese Frage hat das Finanzgericht Münster dem Europäischen Gerichtshof zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt.

Der Kläger lieferte Holz, das er von seinen Vorlieferanten mit 19 % Umsatzsteuer erworben hatte, an seine Kunden zum ermäßigten Steuersatz von 7 % weiter. In einem gegen das Finanzamt geführten Rechtsstreit bestätigte das Finanzgericht Münster, dass der Kläger seine Holzlieferungen zurecht dem ermäßigten Steuersatz unterworfen hatte, führte aber zugleich aus, dass auch die Eingangs­leis­tungen seiner Lieferanten lediglich mit 7 % zu besteuern seien. Dem folgend kürzte das Finanzamt den Vorsteuerabzug des Klägers und forderte die Diffe­renz­beträge von ihm zurück. Der Kläger trat an seine Vorlieferanten mit der Bitte heran, ihre Rechnungen zu berichtigen und ihm die Differenz auszuzahlen. Diese machten jedoch die zivilrechtliche Einrede der Verjährung geltend. Daraufhin stellte der Kläger beim Finanzamt den Antrag, die Diffe­renz­beträge aus Billig­keits­gründen zu erlassen und berief sich hierzu auf das "Reemtsma-Urteil" des EuGH (vom 15. März 2007 Rs. C-35/05). Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab, weil der Kläger selbst für die Situation verantwortlich sei, denn er habe die Ware nicht mit einem veränderten Steuersatz weiterveräußern dürfen.

Umsatzsteuer

Umsatzsteuer gegen das Finanzamt?'> Das FG Münster hat das daraufhin vom Kläger angestrengte Klageverfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage vorgelegt, ob unter den Umständen des Streitfalls ein Direktanspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer gegen das Finanzamt in Betracht kommt. Grundsätzlich sei es unionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass bei zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer der leistende Unternehmer einen Erstat­tungs­an­spruch gegen die Finanzbehörde hat und der Leistungs­emp­fänger auf den Zivilrechtsweg gegen den Leistenden verwiesen wird. Nach dem "Reemtsma-Urteil" (und weiteren Folge­ent­schei­dungen des EuGH) bestehe aber wegen des Grundsatzes der Effektivität ausnahmsweise ein unmittelbarer Erstat­tungs­an­spruch des Leistungs­emp­fängers gegen die Finanzbehörde, wenn die Erstattung "unmöglich oder übermäßig erschwert wird". Im deutschen Recht könne dieser Anspruch im Billig­keits­ver­fahren (§§ 163, 227 AO) geltend gemacht werden.

EuGH-Rechtsprechung zu Fällen der Zahlungs­un­fä­higkeit hier anwendbar?

Das Finanzgericht Münster hat Zweifel, ob die EuGH-Rechtsprechung, die stets Fälle der Zahlungs­un­fä­higkeit der jeweils leistenden Unternehmer betroffen habe, auf den vorliegenden Fall Anwendung findet. Zwar sei es dem Kläger aufgrund der Einrede der Verjährung zivilrechtlich nicht mehr möglich, seine Ansprüche gegen seine Vorlieferanten durchzusetzen. Diese hätten allerdings zeitlich unbegrenzt die Möglichkeit, ihre Rechnungen nach § 14 c Abs. 1 UStG zu berichtigen und von der Finanzbehörde die zu viel gezahlten Umsatz­steu­er­beträge erstattet zu bekommen. Gestehe man dem Kläger einen Direktanspruch zu, müsse das Finanzamt in diesem Fall von ihm eine Rückzahlung verlangen, was z.B. bei zwischen­zeitlich eingetretener Zahlungs­un­fä­higkeit zu einer doppelten Erstattung führen könne. Nach Auffassung des Senats habe der Kläger vielmehr Vorkehrungen zur Sicherung seiner zivil­recht­lichen Ansprüche, z.B. durch rechtzeitige Einholung des Verzichts auf die Einrede der Verjährung, treffen müssen.

Quelle: Finanzgericht Münster, ra-online (pm/ab)

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