18.10.2024
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Finanzgericht Münster Urteil10.08.2022

"Passive Entstrickung" führt nicht zur BesteuerungTatbestand der Beschränkung des Besteu­e­rungs­rechts im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht erfüllt

Die Änderung eines DBA kann nicht zur Verwirklichung des Entstrickungs­tatbestands nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG führen (sog. passive Entstrickung). Dies hat das Finanzgericht Münster entschieden.

Die Klägerin ist eine im Inland ansässige KG, deren beide Kommanditisten zugleich an einer spanischen Kapital­ge­sell­schaft (S.L.) beteiligt waren. Ein Kommanditist wohnt in Deutschland, der andere in der Schweiz. Die Komman­di­tanteile waren dem Sonder­be­trie­bs­vermögen II der beiden Kommanditisten bei der Klägerin zugeordnet. Die S.L. wies in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2012 unbewegliches Vermögen aus, das ca. 59 % der Bilanzsumme ausmachte. Im Jahr 2012 wurde in das DBA Deutschland - Spanien erstmals eine Regelung aufgenommen, die für Veräu­ße­rungs­gewinne aus Beteiligungen, deren Aktivvermögen zu mindestens 50 % aus unbeweglichem Vermögen besteht, dem Belegen­heitsstaat des unbeweglichen Vermögens ein zusätzliches Besteu­e­rungsrecht zuweist und eine Anrechnung der daraus resultierenden Steuer auf die im Wohnsitzstaat anfallende Einkommensteuer vorsieht. Aus dieser Änderung des DBA leitete das Finanzamt eine passive Entstrickung der in dem Anteil des in der Schweiz ansässigen Kommanditisten ruhenden stillen Reserven zum 1. Januar 2013 ab und unterwarf diese gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG der Besteuerung. Die Klägerin wandte hiergegen ein, dass ihr die Änderung des DBA nicht zugerechnet werden könne. Zudem verstoße eine sofort fällig werdende Einkommensteuer gegen die Kapita­l­ver­kehrs­freiheit gemäß Art. 63 AEUV. Einen Ausgleich­s­posten nach § 4 g EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung habe die Klägerin mangels Zuordnung zu einer Betriebsstätte nicht bilden können.

Änderung eines DBA kann nicht der Klägerin zugerechnet werden

Das FG Münster hat der Klage stattgegeben. Dabei hat er offengelassen, ob das Besteu­e­rungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung der Komman­di­tanteile durch die Änderung des DBA zum 1. Januar 2013 beschränkt oder im Hinblick auf eine drohende zukünftige Steuer­an­rechnung lediglich gefährdet wurde. Jedenfalls sei der Tatbestand der Beschränkung des Besteu­e­rungs­rechts im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Änderung eines DBA nicht der Klägerin bzw. ihren Kommanditisten zuzurechnen sei. Aus der systematischen Stellung dieser Norm, die eine Gleichstellung mit einer Entnahme bewirke, folge, dass eine dem Steuer­pflichtigen zurechenbare Handlung zum Ausschluss oder der Beschränkung des Besteu­e­rungs­rechts Deutschlands führen müsse.

Gesetzgeber wollte keine Fälle der passiven Entstrickung erfassen

Außerdem habe der Gesetzgeber mit Einführung von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG keine Fälle der passiven Entstrickung erfassen wollen. Er habe vielmehr die zuvor von der Rechtsprechung entwickelte Theorie der finalen Entnahme, die die Überführung von Einzel­wirt­schafts­gütern in eine ausländische Betriebsstätte als gewinnwirksame Entnahme behandelt hatte, gesetzlich regeln wollen, also allein Fälle der aktiven Entstrickung. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Geset­zes­be­gründung zur Neufassung des § 4 g Abs. 1 EStG durch das ATAD-Umset­zungs­gesetz vom 25. Juni 2021, wonach nunmehr auch die passive Entstrickung erfasst werden solle. Eine solche Erwägung könne nicht auf die ursprüngliche gesetz­ge­be­rische Intention zurückwirken. Anderenfalls wäre § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG wegen Verstoßes gegen die Kapita­l­ver­kehrs­freiheit europa­rechts­widrig. Zur Vermeidung dieses Verstoßes sehe § 4 g EStG zwar die Möglichkeit der Bildung eines Ausgleich­s­postens vor. Die Neuregelung habe jedoch im Streitjahr 2013 noch keine Fälle der passiven Entstrickung erfasst. Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: Finanzgericht Münster, ra-online (pm/ab)

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