18.10.2024
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Hessisches Finanzgericht Urteil23.02.2017

Erste Tätig­keits­stätte bei Flugpersonal ist der im Arbeitsvertrag festgelegte FlughafenFahrten von der Wohnung zum Flughafen können nur im Wege der Entfernungs­pauschale geltend gemacht werden

Ein angestellter Pilot und eine angestellte Flugbegleiterin können seit der gesetzlichen Neuregelung ab 2014 die Aufwendungen für durchgeführte Fahrten von der Wohnung zum Flughafen im Rahmen des Werbungs­kosten­abzugs nicht nach Dienst­reise­grund­sätzen, sondern nur im Wege der Entfernungs­pauschale ansetzen, wenn es sich bei diesem Flughafen um den arbeits­ver­traglich zugewiesenen Flughafen handelt. Dieser arbeits­ver­traglich zugewiesene Arbeitsort ist die erste Tätig­keits­stätte. Dies entschied das Hessische Finanzgericht.

Im zugrunde liegenden Rechtsstreit klagte ein angestellter Pilot und eine angestellte Flugbegleiterin. Die Eheleute waren laut jeweiligem Arbeitsvertrag an einem bestimmten Flughafen beschäftigt bzw. eingesetzt. Der Arbeitgeber hatte aber auch das Recht, den Kläger auf anderen Flugmustern oder an einem anderen Ort einzusetzen und die Klägerin mit Aufgaben an einem anderen Ort im In- und Ausland zu betrauen. Die Kläger machten in ihrer Einkom­men­steu­e­r­er­klärung für 2014 die Fahrt­auf­wen­dungen für die Fahrten von der Wohnung zu dem im Arbeitsvertrag genannten Flughafen in tatsächlicher Höhe nach Reise­kos­ten­grund­sätzen geltend, weil sie eine Auswärt­s­tä­tigkeit ausübten und weil Flugzeuge keine Tätig­keits­s­tätten im Sinne des Einkom­men­steu­er­ge­setzes seien. Zudem hätten sie ihre Arbeit auch von anderen Flughäfen aus aufgenommen. Das Finanzamt berücksichtigte die Fahrten zum Flughafen dagegen nur mit der Entfernungspauschale, also pauschal mit 30 Cent pro Entfer­nungs­ki­lometer.

Im Arbeitsvertrag genannter Flughafen stellt erste Tätig­keits­stätte dar

Das Hessische Finanzgericht folgte der Ansicht der Kläger nicht. Der im jeweiligen Arbeitsvertrag genannte Flughafen sei im Streitjahr 2014 die erste Tätigkeitsstätte beider Kläger gewesen. Denn die Kläger seien diesem Flughafen arbeits­ver­traglich mangels Befristung dauerhaft zugeordnet gewesen. Entscheidend sei dabei allein, dass der Arbeitgeber tatsächlich eine arbeits­ver­tragliche Zuordnung getroffen habe, unabhängig davon, ob er gesetzlich zur Zuweisung eines Arbeitsortes verpflichtet gewesen sei oder nicht und wann der Arbeitsvertrag geschlossen worden sei. Der arbeits­ver­tragliche Vorbehalt, die Kläger jederzeit an einem anderen Ort einsetzen zu können, ändere daran nichts. Wo der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit liege, sei seit der gesetzlichen Neuregelung ab 2014 ebenfalls nicht entscheidend. Bei dem Flughafen handele es sich um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung.

Eigentliche Berufstätigkeit wurde in hinreichendem Umfang an dem im Arbeitsvertrag genannten Flughafen ausgeübt

Schließlich hätten beide Kläger am Flughafen ihre eigentliche Berufstätigkeit auch in einem hinreichenden Umfang ausgeübt. Denn nach den vorliegenden Flugstunden-Übersichten seien sie dort jeweils vor und nach jedem Streckeneinsatz anwesend gewesen. Ferner hätten am Flughafen Lehrgänge, Bürotätigkeiten, Gesund­heits­über­prü­fungen, Bereit­schafts­dienste und das Simula­tor­training stattgefunden. Das genüge für die Annahme einer tatsächlichen Tätigkeit an der ersten Tätig­keits­stätte.

Fahrten von der Wohnung zum Flughafen können nicht nach Reise­kos­ten­grund­sätzen geltend gemacht werden

Fahrten von der Wohnung zum Flughafen seien im Streitfall daher nur nach der seit dem 1. Januar 2014 geltenden Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 Einkom­men­steu­er­gesetz (EStG) im Wege der Entfer­nungs­pau­schale und nicht nach Reise­kos­ten­grund­sätzen anzusetzen. Das genüge auch dem sogenannten objektiven Nettoprinzip und führe nicht zu einer sachwidrigen Ungleich­be­handlung mit Gewer­be­trei­benden.

Gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts wurde Revision eingelegt.

Hinter­grun­d­in­for­mation:

Erläuterungen
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unter­neh­mens­be­steuerung und des steuerlichen Reise­kos­ten­rechts vom 20. Februar 2013 (BGBl I 2013, 285) sind Werbungskosten ab dem 1. Januar 2014 auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätig­keits­stätte i. S. des Absatzes 4 der Vorschrift. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätig­keits­stätte aufsucht, eine Entfer­nungs­pau­schale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätig­keits­stätte von ,30 Euro anzusetzen. Damit sind pauschal Hin- und Rückfahrt abgegolten.

Demgegenüber sind Aufwendungen des Arbeitnehmers für beruflich veranlasste Fahrten, die nicht Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätig­keits­stätte sind, mit den tatsächlichen Aufwendungen oder mit pauschalen Kilometersätzen nach dem Bundes­rei­se­kos­ten­gesetz anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Sätze 1 und 2 EStG); dieser Kilometersatz belief sich im Streitjahr auf ,30 Euro pro gefahrenen Kilometer.

Nach § 9 Abs. 4 EStG ist erste Tätig­keits­stätte die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist (Satz 1). Die Zuordnung i. S. des Satzes 1 wird durch die dienst- oder arbeits­recht­lichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt (Satz 2). Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienst­ver­hält­nisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätig­keits­stätte tätig werden soll (Satz 3). Fehlt eine solche dienst- oder arbeits­rechtliche Festlegung auf eine Tätig­keits­stätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätig­keits­stätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich (Satz 4 Nr. 1) oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll (Satz 4 Nr. 2).

Quelle: Hessisches Finanzgericht/ra-online

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