18.10.2024
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Dokument-Nr. 24682

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Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil17.02.2016

Kein grobes Verschulden des Arbeitnehmers bei Übernahme von Arbeit­ge­be­r­angaben zum ArbeitslohnJahres­bescheinigungen eines Grenzgängers weist durch Kinder­geld­zulagen zu hohen Brutto­a­r­beitslohn aus

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass einem Steuer­pflichtigen kein grobes Verschulden vorgeworfen werden kann, wenn ihm nachträglich bekannt wird, dass der in den Jahres­bescheinigungen seines Schweizer Arbeitgebers ausgewiesene Brutto­a­r­beitslohn zu hoch war, weil er gezahlte Kinderzulagen enthielt.

Die Kläger haben drei Kinder und wurden in den Streitjahren 2009 bis 2011 zusammen veranlagt. Der Kläger arbeitet seit dem Jahr 2009 in der Schweiz. Als Monatsgehalt war ein Betrag von 6.250 SFR "zuzüglich der gesetzlichen Kinderzulage für jedes bezugs­be­rechtigte Kind, Sozia­l­leis­tungen, abzüglich AHV/IV/Pensionskasse" vereinbart. Der Kläger pendelte täglich zwischen dem Arbeitsort und der Familienwohnung in Deutschland, wo er auch seinen Arbeitslohn als Grenzgänger versteuerte. Die Einkom­men­steu­e­r­er­klä­rungen der Jahre 2009 bis 2011 enthielten jeweils die Anlage N für Grenzgänger (N-Gre). In diesen hatte der Kläger seinen Bruttoarbeitslohn entsprechend den Angaben auf dem Lohnausweis des Arbeitgebers für das jeweilige Jahr eingetragen. Das Feld "Kinderzulage" in Zeile 6 der Anlage N-Gre blieb unausgefüllt. In den Anlagen Kind trugen die Kläger jeweils den Jahresbetrag des deutschen Kindergeldes ein. Das Finanzamt übernahm die Angaben der Kläger in den Einkom­men­steu­er­be­scheiden 2009 bis 2011.

Finanzamt lehnt Änderung der Steuererklärung ab

Mit Schreiben vom 18. November 2013 teilte der Prozess­be­voll­mächtigte der Kläger dem Finanzamt mit, dass in den Anlage N-Gre der Jahre 2009 bis 2011zu hohe Bruttogehälter eingetragen worden seien, weil die Bruttolohnsumme Kinderzulagen enthalten habe. Unter den nunmehr eingereichten Belegen waren u.a. monatliche Lohna­b­rech­nungen des Arbeitgebers des Klägers, in denen die Kinderzulage gesondert ausgewiesen wird. In den Steue­r­er­klä­rungen seien außerdem Kinder­geld­beträge angegeben worden, die die Kläger nie erhalten hätten. Der Prozess­be­voll­mächtigte beantragte insoweit die Änderung der Veranlagungen für 2009 bis 2011. Das Finanzamt lehnte die Änderung ab. Eine Änderung gemäß § 173 der Abgabenordnung (AO) sei nicht möglich, weil die Kläger am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsache ein grobes Verschulden treffe.

Finanzgericht verneint grobes Verschulden seitens des Klägers

Dieser Auffassung folgte das Finanzgericht Baden-Württemberg nicht. Die Kläger treffe kein grobes Verschulden an der nachträglichen Mitteilung, dass in dem vom Schweizer Arbeitgeber ausgewiesenen Brutto­a­r­beitslohn Kinderzulagen enthalten waren. Die Grenze zur groben Fahrlässigkeit sei nicht überschritten. Zwar sei die im Formular N-Gre ausdrücklich enthaltene Zeile "Kinderzulage" nicht ausgefüllt gewesen. Es liege aber keiner der Fälle vor, in denen der Steuer­pflichtige bzw. deren steuerlicher Berater eine im Steue­r­er­klä­rungs­formular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage bewusst nicht beantwortet habe. Von einer groben Fahrlässigkeit sei nur dann auszugehen, wenn der Steuer­pflichtige bzw. sein steuerlicher Berater in Steuer­for­mularen gestellte Fragen - bewusst - nicht beantwortet oder klare und ausreichend verständliche Hinweise und Angaben - bewusst - unbeachtet lasse. Einen Rechtssatz, wonach eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO immer ausgeschlossen sei, sofern ein bloßer Zusammenhang der nachträglich bekannt gewordenen Tatsache mit einer in der Steuererklärung gestellten Frage bestehe, gebe es nicht.

Fragen in Formularen wurden unbewusst unrichtig beantwortet

Im Streitfall habe der steuerliche Berater der Kläger die im Formular N-Gre gestellte Frage nach einer Kinderzulage anhand der Jahres­lohn­be­schei­nigung (mittelbar) mit "nein" beantwortet. Denn in dieser war eine solche nicht ausgewiesen. Um die Frage richtig zu beantworten, hätte der Bevollmächtigte zunächst erkennen müssen, dass die Kinderzulagen im Bruttolohn enthalten waren. Die Kläger und ihr steuerlicher Berater hätten also im Formular die Frage nicht bewusst nicht, sondern unbewusst unrichtig beantwortet.

Keine grobe Pflicht­ver­letzung seitens des Beraters des Klägers

Dass die Kläger dem steuerlichen Berater jeweils nur die Jahres­lohn­be­schei­ni­gungen vorgelegt und dieser die Einkom­men­steu­e­r­er­klärung nur anhand dieser Bescheinigung erstellte habe, begründe keinen Vorwurf einer groben Pflicht­ver­letzung. Die Erstellung einer Einkom­men­steu­e­r­er­klärung anhand der Jahres­lohn­be­schei­nigung sei in der Praxis absolut üblich. Weder die Kläger noch der Prozess­be­voll­mächtigte hätten zudem - in den Streitjahren - Anlass gehabt, den jeweiligen Bescheinigungen nicht zu vertrauen. Diese seien auch nicht falsch, denn aus Sicht des Schweizer Arbeitgebers sei die Kinderzulage Bestandteil des Bruttolohns gewesen.

Quelle: Finanzgericht Baden-Württemberg/ra-online

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