15.11.2024
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Dokument-Nr. 6236

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Urteil18.06.2008Europäisches Gericht Erster InstanzT-410/03
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Europäisches Gericht Erster Instanz Urteil18.06.2008

EuG mindert Kartellstrafe gegen Hoechst auf 74,25 Mio €

Der Europäischen Kommission ist ein Fehler unterlaufen, indem sie Hoechst die führende Rolle im Kartell zugeschrieben hat, und sie hat gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleich­be­handlung verstoßen. Dies hat das Europäische Gericht erster Instanz entschieden.

Am 1. Oktober 2003 entschied die Kommission, dass ein europäisches Unternehmen (Hoechst) und vier japanische Unternehmen (Chisso, Daicel, Nippon Synthetic und Ueno) durch ihre Beteiligung an einem Kartell auf dem Sorbatmarkt zwischen 1978 und 1996 gegen das Wettbe­wer­bsrecht der Gemeinschaft verstoßen hatten. Sorbate sind Konser­vie­rungs­stoffe, durch deren Verwendung das Wachstum von Mikroorganismen wie Bakterien und Schimmelpilzen in erster Linie in Nahrungsmitteln verhindert werden soll.

Kommission gegen vier Unternehmen Geldbußen von insgesamt 138,4 Millionen Euro

Die Kommission verhängte gegen vier der fünf Unternehmen Geldbußen in Höhe von insgesamt 138,4 Millionen Euro. Gegen die deutsche Gesellschaft Hoechst wurde eine Geldbuße in Höhe von 99 Millionen Euro festgesetzt. Dieser Betrag spiegelte u. a. ihre führende Rolle im Kartell (zusammen mit Daicel) und ihre Wieder­ho­lung­s­tä­ter­schaft wider. Chisso wurde vollständige Bußgeldfreiheit gewährt, weil sie das erste Unternehmen war, das der Kommission entscheidende Beweise für das Bestehen des Kartells geliefert hatte.

Europäisches Gericht erster Instanz: Geldbuße ist wegen zwei Fehler herabzusetzen

Hoechst erhob Klage beim Gericht erster Instanz, um die Nichti­g­er­klärung der Entscheidung oder, hilfsweise, die Herabsetzung der Geldbuße zu erwirken.

Das Gericht weist den Antrag auf Nichti­g­er­klärung der Entscheidung und den Großteil des auf die Herabsetzung der Geldbuße gerichteten Vorbringens von Hoechst zurück. Es stellt jedoch fest, dass der Kommission zwei Fehler unterlaufen sind, aufgrund deren die festgesetzte Geldbuße herabzusetzen ist.

Kommission verstieß gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleich­be­handlung

Das Gericht befindet erstens, dass die Kommission gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleich­be­handlung verstoßen hat. Obwohl sie nämlich klar ihre Absicht erkennen ließ, den mit ihr zusam­me­n­a­r­bei­tenden Unternehmen, insbesondere Hoechst, nicht offenzulegen, dass andere Unternehmen Schritte unternommen hatten, um die Befreiung von einer Geldbuße zu erreichen, sicherte sie Chisso zur gleichen Zeit zu, ihr eine "angemessene Warnung" zukommen zu lassen, sollte der Eindruck entstehen, ein anderes Unternehmen könnte Chisso auf dem Gebiet der Zusammenarbeit überholen. In Anbetracht der Bedeutung der Einhaltung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleich­be­handlung durch die Kommission im Verwal­tungs­ver­fahren entscheidet das Gericht aufgrund seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, die gegen Hoechst festgesetzte Geldbuße um 10 % herabzusetzen, um dem Verstoß gegen diese Grundsätze Rechnung zu tragen.

Führende Rolle von Hoechst im Kartell zweifelhaft

Das Gericht befindet zweitens, dass der Kommission ein Fehler unterlaufen ist, indem sie den erschwerenden Umstand einer führenden Rolle von Hoechst im Kartell berücksichtigt hat, ohne dass dieser Umstand jedoch in der Mitteilung der Beschwer­de­punkte hinreichend klar und präzise eingestuft worden ist. Auch wenn alle von der Kommission zur Begründung ihres Vorwurfs der Anführerschaft in der Entscheidung herangezogenen tatsächlichen Gesichtspunkte bereits in der Mitteilung der Beschwer­de­punkte enthalten waren, waren sie dort jedoch in verschiedenen Randnummern wiedergegeben, ohne dass irgendein Zusammenhang zwischen ihnen hergestellt worden ist oder die Kommission sie in irgendeiner Form bewertet hat. Im Übrigen konnte aus einigen von der Kommission berück­sich­tigten tatsächlichen Gesichtspunkten nicht hinreichend präzise der Schluss gezogen werden, dass Hoechst der Vorwurf der Anführerschaft gemacht wurde. Aufgrund dieser Ungenauigkeit war Hoechst nicht in der Lage, sich sachgerecht zu verteidigen.

Demgemäß ändert das Gericht die Entscheidung ab und befindet, dass der erschwerende Umstand einer führenden Rolle von Hoechst nicht zu berücksichtigen und die Geldbuße insoweit nicht zu erhöhen ist.

Unter Berück­sich­tigung dieser beiden Fehler berechnet das Gericht daher die gegen Hoechst festgesetzte Geldbuße neu und setzt den Endbetrag von 99 Millionen Euro auf 74,25 Millionen Euro herab.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 38/08 des EuGH vom 18.06.2008

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