03.12.2024
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Dokument-Nr. 7433

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Urteil10.02.2009Europäisches Gericht Erster InstanzT-388/03
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Europäisches Gericht Erster Instanz Urteil10.02.2009

EuG: Bei der Entscheidung über eine Kapita­l­zu­führung zugunsten der belgischen La Poste hätte die Deutsche Post beteiligt werden müssenDeutsche Post gewinnt Rechtsstreit gegen EU-Kommission

Das Gericht erster Instanz hat eine Entscheidung der Kommission, mit der die Kommission einer Kapita­l­zu­führung in Höhe von 297,5 Mio. Euro zugunsten von La Poste (Belgien) zugestimmt hat, für nichtig erklärt. Die Beurteilung der Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt warf ernsthafte Schwierigkeiten auf, so dass die Eröffnung eines förmlichen Prüfungs­ver­fahrens geboten war, das Deutsche Post und DHL International ermöglicht hätte, Stellung zu nehmen, führten die Richter aus.

La Poste ist das öffentliche Unternehmen, das mit dem Univer­sa­l­post­dienst in Belgien betraut ist; ihre Anteile wurden 2003 zu 100 % vom belgischen Staat gehalten. Die Gemein­wohl­aufgaben von La Poste, ihre Tarifierung, die Verhal­tens­regeln gegenüber den Nutzern und die Subventionen sind in einem mit dem Staat abgeschlossenen "contrat de gestion" (Betrei­ber­vertrag) im Einzelnen aufgeführt. Der Betrei­ber­vertrag regelt außerdem den Ausgleich der Nettomehrkosten der Dienst­leis­tungen von allgemeinem wirtschaft­lichem Interesse (gemein­wirt­schaftliche Dienst­leis­tungen). 2003 hatte La Poste im Bereich Expresspakete einen Marktanteil von 18 %. 35 % bis 45 % dieses Marktes entfielen auf die Deutsche Post-Gruppe (Deutsche Post AG und ihre belgische Tochter­ge­sell­schaft DHL International SA).

Belgien meldete der Kommission eine geplante Kapitalerhöhung bei La Poste

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2002 meldete Belgien bei der Kommission eine geplante Erhöhung des Kapitals von La Poste um 297,5 Mio. Euro an. Zwischen Dezember 2002 und April 2003 hielten die Kommission und die belgischen Behörden drei Besprechungen ab und wechselten mehrere Schreiben. Nachdem Deutsche Post und DHL International im Juli 2003 bekannt geworden war, dass ein Prüfungsverfahren stattfand, ersuchten sie die Kommission um Auskunft über den Stand des Verfahrens, um sich daran gegebenenfalls zu beteiligen.

Kommission hatte gegen geplante Kapitalerhöhung keine Einwände

Am 23. Juli 2003 beschloss die Kommission, gegen die geplante Kapitalerhöhung keine Einwände zu erheben. Sie befand, dass die angemeldete Kapitalerhöhung als solche keine staatliche Beihilfe darstelle, da ihr Betrag geringer gewesen sei als die Unter­kom­pen­sation der Nettomehrkosten der gemein­wirt­schaft­lichen Dienst­leis­tungen für den Zeitraum 1992-2002. Zudem vergewisserte sich die Kommission, dass zugunsten von La Poste nach deren Umwandlung in ein eigenständiges öffentliches Unternehmen keine Maßnahmen ergangen waren, die als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen eingestuft werden könnten.

Deutsche Post: Kommission eine förmliches Prüfungs­ver­fahren durchführen müssen

Nach Auffassung von Deutsche Post und DHL International hätte die Kommission das förmliche Prüfungs­ver­fahren eröffnen müssen. Sie haben daher die Nichti­g­er­klärung der Entscheidung, keine Einwände zu erheben, beantragt.

In seinem Urteil erinnert das Gericht daran, dass die Klage eines mit dem Empfänger einer staatlichen Beihilfe konkurrierenden Unternehmens unter bestimmten Voraussetzungen selbst dann zulässig sein kann, wenn seine Marktstellung nicht spürbar beeinträchtigt wird. Deutsche Post und DHL International können als unmittelbare Wettbewerber von La Poste zu der fraglichen Maßnahme nur dann Stellung nehmen, wenn die Kommission ein förmliches Prüfungs­ver­fahren eröffnet. Folglich ist ihre Klage gegen die Entscheidung der Kommission, über die fraglichen Maßnahmen ohne Eröffnung des förmlichen Prüfungs­ver­fahrens zu befinden, zulässig. Das Gericht ist zwar hinsichtlich dieser Phase des Prüfungs­ver­fahrens nicht befugt, über das Vorbringen der Parteien gegen das Bestehen einer Beihilfe oder ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt zu entscheiden, es muss jedoch alle Gesichtspunkte berücksichtigen, anhand deren es nachprüfen kann, ob die Kommission bei ihrer Vorprüfung auf ernsthafte Schwierigkeiten gestoßen ist.

Kommission hat hinsichtlich der Eröffnung eines förmlichen Prüfungs­ver­fahrens keinen Ermes­sen­s­pielraum

Die Kommission ist nämlich, wenn das Vorprü­fungs­ver­fahren ernsthafte Schwierigkeiten aufwirft, zur Eröffnung des förmlichen Verfahrens verpflichtet und verfügt insoweit über keinerlei Ermessen. Eine unzureichende oder unvollständige Prüfung stellt einen Anhaltspunkt für das Bestehen ernsthafter Schwierigkeiten dar.

Ernsthafte Schwierigkeiten lagen vor

Das Gericht sieht in der Dauer und den Umständen des Vorprü­fungs­ver­fahrens mehrere Anhaltspunkte für das Bestehen ernsthafter Schwierigkeiten. Es stellt insbesondere fest, dass der Zeitraum von sieben Monaten zwischen der Anmeldung der geplanten Beihilfen und der von der Kommission nach dem Vorprü­fungs­ver­fahren erlassenen Entscheidung offenkundig die Frist von zwei Monaten überschreitet, die das Gemein­schaftsrecht für dieses Verfahren vorsieht. Zudem hat die Kommission, die den Unter­su­chungs­bereich sehr weit gefasst hat, die Komplexität der Situation anerkannt und dreimal ergänzende Informationen eingeholt, trotz der drei Besprechungen mit den belgischen Behörden.

Zur Unzuläng­lichkeit und Unvoll­stän­digkeit der Prüfung stellt das Gericht fest, dass der Kommission keine Informationen vorlagen, anhand deren sie sich zur Einstufung einer der früheren Maßnahmen zugunsten von La Poste, nämlich der unentgeltlichen Übertragung von Immobilien durch den belgischen Staat, hätte äußern können. Überdies hat die Kommission nicht entsprechend dem Urteil Altmark die Kosten der von La Poste erbrachten Dienst­leis­tungen von allgemeinem Interesse im Vergleich zu den Kosten geprüft, die ein durch­schnitt­liches Unternehmen gehabt hätte, wobei eine solche Prüfung möglicherweise ergeben hätte, dass die untersuchten Maßnahmen keine staatlichen Beihilfen darstellen.

EuG erklärt die Entscheidung der Kommission für nichtig

Das Gericht gelangt zu dem Ergebnis, dass eine Reihe von objektiven und überein­stim­menden Anhaltspunkten - überlange Dauer des Vorprü­fungs­ver­fahrens, Unterlagen, die den Umfang und die Komplexität der vorzunehmenden Prüfung und die teilweise Unvoll­stän­digkeit und Unzuläng­lichkeit des Inhalts der angefochtenen Entscheidung belegen - vorliegt, die bestätigen, dass die Kommission die Entscheidung, keine Einwände zu erheben, erlassen hat, obwohl ernsthafte Schwierigkeiten bestanden. Folglich erklärt das Gericht die Entscheidung für nichtig.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 12/09 des EuG erster Instanz vom 10.02.2009

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