21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil20.09.2011

EuGH verneint Eintra­gungs­fä­higkeit des sowjetischen Staatswappens als Gemein­schaftsmarkeMarke ist von Eintragung auszuschließen, wenn es in nur einem einzigen Mitgliedstaat gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt

Das sowjetische Staatswappen kann nicht als Gemein­schaftsmarke eingetragen werden. Es ist von der Eintragung als Gemein­schaftsmarke auch dann auszuschließen, wenn es nur in einem einzigen Mitgliedstaat gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Die Gemein­schafts­ma­r­ken­ver­ordnung* bestimmt, dass die Eintragung einer Marke bei Vorliegen bestimmter, in dieser Verordnung ausdrücklich vorgesehener Eintra­gungs­hin­dernisse abzulehnen ist. Dies betrifft u. a. den Fall, dass die Marke gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt, und zwar selbst dann, wenn diese Eintra­gungs­hin­dernisse nur in einem Teil der Union bestehen.

Gemeinschaftsmarke

Gemeinschaftsmarke an'> Im Jahr 2006 meldete die Couture Tech Ltd, eine Gesellschaft, die mit den internationalen Tätigkeiten eines russischen Modeschöpfers verbunden ist, beim Gemein­schafts­ma­r­kenamt (HABM) ein Bildzeichen als Gemeinschaftsmarke an.

HABM weist Anmeldung wegen Verstoßes gegen öffentliche Ordnung und guten Sitten in anderen Mitglieds­s­taaten zurück

Das HABM wies diese Anmeldung zurück, weil die Marke aus einer exakten Darstellung des Wappens der ehemaligen Union der Sozialistischen Sowjet­re­pu­bliken (UdSSR) bestehe. Gestützt auf Rechts­vor­schriften und die Verwal­tung­s­praxis in bestimmten Mitgliedstaaten – nämlich Ungarn, Lettland und die Tschechische Republik –, befand das HABM, dass die dargestellten Symbole von einem wesentlichen Teil der betroffenen Verkehrskreise in dem Teil der Europäischen Union, der sowjetischer Herrschaft unterstanden habe, als gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstoßend angesehen würden.

Die Couture Tech Ltd erhob beim Gericht eine Klage auf Aufhebung dieser Entscheidung.

EuGH: Marke ist von Eintragung auszuschließen, wenn sie in einem Teil der Union gegen öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof der Europäischen Union zunächst klar, dass eine Marke von der Eintragung auszuschließen ist, wenn sie in einem Teil der Union gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt, wobei dieser Teil gegebenenfalls ein einziger Mitgliedstaat sein kann.

Besondere Umstände einzelner Mitgliedstaaten sind bei Auslegung der Begriffe "öffentliche Ordnung" und "gute Sitten" zu berücksichtigen

Sodann stellt das Gericht fest, dass bei der Auslegung der Begriffe „öffentliche Ordnung“ und „gute Sitten“ nicht nur die allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Umstände, sondern auch die besonderen Umstände in den einzelnen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind, die einen Einfluss auf die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise im Gebiet dieser Staaten haben können. Da die Gemein­schafts­re­gelung für Marken ein autonomes System ist, dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist, werden die Rechts­vor­schriften und die Verwal­tung­s­praxis bestimmter Mitgliedstaaten im vorliegenden Fall nicht wegen ihrer normativen Geltung, sondern als tatsächliche Anhaltspunkte berücksichtigt, die es erlauben, die Wahrnehmung von mit der ehemaligen UdSSR verbundenen Symbolen durch die maßgeblichen Verkehrskreise in den betreffenden Mitgliedstaaten zu beurteilen.

Bildzeichen ist „Symbol des Despotismus“, dessen Benutzung gegen öffentliche Ordnung verstößt

Schließlich befindet das Gericht, dass die Beschwer­de­kammer mit der auf die Prüfung von Gesichtspunkten der Situation in Ungarn gestützten Feststellung, dass die angemeldete Marke nach der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoße, keinen Beurtei­lungs­fehler begangen hat. Nach den ungarischen Rechts­vor­schriften gelten nämlich Hammer und Sichel und der fünfzackige rote Stern als „Symbole des Despotismus“, deren Benutzung gegen die öffentliche Ordnung verstößt. Das Gericht gelangt so zu dem Ergebnis, dass es, da eine Marke bereits dann von der Eintragung auszuschließen ist, wenn sie auch nur in einem Teil der Union – und gegebenenfalls nur in einem einzigen Mitgliedstaat – gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt, nicht erforderlich ist, weitere Gesichtspunkte zu prüfen, die sich auf die Verkehrs­an­schauung in Lettland und der Tschechischen Republik beziehen.

Demgemäß hat das Gericht die Klage der Couture Tech Ltd abgewiesen.

Erläuterungen

*Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemein­schaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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