21.11.2024
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Dokument-Nr. 33101

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Europäischer Gerichtshof Urteil13.07.2023

Gerichtliche Zuständigkeit für Sorge­rechtsstreit nach der wider­recht­lichen Verbringung des KindesSorge­rechtsstreit kann auch bei wider­recht­licher Verbringung dem Kind folgen

Im Falle des wider­recht­lichen Verbringens eines Kindes kann das Gericht des Mitgliedstaats, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, trotz Zuständigkeit für die Entscheidung über das Sorgerecht in Ausnahmefällen die Verweisung des Falls an ein Gericht des Mitgliedstaats beantragen, in den das Kind verbracht wurde. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Ein slowakisches Paar, das mit seinen beiden Kindern in Österreich wohnhaft war, trägt aufgrund einer Trennung einen Rechtsstreit über die Obsorge für die Kinder und deren Wohnort aus. Da die Mutter die Kinder zu sich in die Slowakei gebracht hatte, beantragte der Vater nach dem Haager Übereinkommen über die internationale Kindes­ent­führung bei einem slowakischen Gericht die Rückführung der Kinder zu ihm nach Österreich. Da die Eltern bisher die gemeinsame Obsorge hatten, beantragte der Vater bei einem öster­rei­chischen Gericht außerdem die Übertragung der alleinigen Obsorge an ihn. Mutter der Kinder beantragte bei diesem öster­rei­chischen Gericht, dass es ein slowakisches Gericht ersuchen sich hinsichtlich des Sorgerechts für die Kinder für zuständig zu erklären. Das österreichische Gericht gab diesem Antrag statt, wogegen der Vater Rekurs erhob.

EuGH erläutert Ausnahmeregeln

Vor diesem Hintergrund hat das österreichische Rekursgericht den Gerichtshof ersucht, die „Brüssel-IIaVerordnung“ auszulegen, die auf Unionsebene Zustän­dig­keits­regeln u. a. für Sorge­rechts­an­ge­le­gen­heiten festlegt. Nach dieser Verordnung sind für die Entscheidung eines Sorge­rechtss­treits grundsätzlich die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Aufgrund ihrer räumlichen Nähe sind diese Gerichte nämlich im Allgemeinen am besten in der Lage, die zum Wohl des Kindes zu erlassenden Maßnahmen zu beurteilen. Bei einem wider­recht­lichen Verbringen des Kindes bleiben jedoch grundsätzlich die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und zwar um von einem derartigen Verbringen abzuschrecken. In Ausnahmefällen kann das Gericht eines Mitgliedstaats, das in der Hauptsache für die Entscheidung über das Sorgerecht zuständig ist, gemäß dieser Verordnung die Verweisung des Falls an ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats beantragen, zu dem das Kind eine besondere Bindung hat, wenn dieses Gericht den Fall besser beurteilen kann und dies dem Wohl des Kindes entspricht. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob diese Möglichkeit auch dann besteht, wenn das Kind widerrechtlich verbracht wurde.

Verweisung des Falls auch bei wider­recht­licher Verbringens eines Kindes möglich

Das Gericht eines Mitgliedstaats, das in der Hauptsache für die Entscheidung über das Sorgerecht zuständig ist, da das Kind unmittelbar, bevor es von einem Elternteil in einen anderen Mitgliedstaat verbracht wurde, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte, kann in Ausnahmefällen die Verweisung des Falls an ein Gericht dieses anderen Mitgliedstaats beantragen. Dies setzt voraus, dass das Kind eine besondere Bindung zu diesem anderen Mitgliedstaat hat, dass das andere Gericht nach Ansicht des zuständigen Gerichts den Fall besser beurteilen kann und dass die Verweisung dem Wohl des Kindes entspricht. Diese kumulativen Voraussetzungen sind abschließend. Bei der Prüfung der letzten beiden Voraussetzungen muss das zuständige Gericht jedoch berücksichtigen, ob gemäß dem Haager Übereinkommen über die internationale Kindes­ent­führung ein Verfahren zur Rückgabe dieses Kindes anhängig ist, das in dem Mitgliedstaat, in den das Kind widerrechtlich verbracht wurde, noch nicht rechtskräftig entschieden wurde. Das zuständige Gericht hat dabei gemäß den Bestimmungen des Haager Übereinkommens insbesondere zu berücksichtigen, dass es den Gerichten des anderen Mitgliedstaats so lange unmöglich ist, eine dem Kindeswohl entsprechende Sachent­scheidung über das Sorgerecht zu treffen, bis das mit dem Antrag auf Rückgabe des Kindes befasste Gericht dieses Mitgliedstaats zumindest über diesen Antrag entschieden hat.

Quelle: Europäische Gerichtshof, ra-online (pm/ab)

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