18.10.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil16.06.2011

EuGH: Verkäufer bei Ersatzlieferung für mangelhafte Verbrauchsgüter zu Ein- und Ausbau verpflichtetKosten für Ausbau vertrags­widrigen Verbrauchsguts und Einbau der Ersatzlieferung können Verkäufer auferlegt werden

Im Fall einer Ersatzlieferung für ein mangelhaftes Verbrauchsgut muss der Verkäufer das Gut aus der Sache ausbauen, in die es vom Verbraucher gutgläubig eingebaut wurde, und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in die Sache einbauen oder die für diese Vorgänge notwendigen Kosten tragen. Die Koste­n­er­stattung kann jedoch auf einen Betrag beschränkt werden, der verglichen mit dem Wert, den das Verbrauchsgut hätte, wenn es vertragsmäßig wäre, und der Bedeutung der Vertrags­wid­rigkeit verhältnismäßig gilt. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Die Richtlinie zur Regelung des Verkaufs von Verbrauchs­gütern sieht vor, dass der Verkäufer dem Verbraucher für jede Vertrags­wid­rigkeit des Verbrauchsguts haftet, die zum Zeitpunkt seiner Lieferung besteht. Bei Vertrags­wid­rigkeit hat der Verbraucher Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung, sofern dies nicht unmöglich oder unver­hält­nismäßig ist. Die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung hat innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehm­lich­keiten für den Verbraucher zu erfolgen. Kann der Verbraucher die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands nicht erlangen, so kann er eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder eine Vertrags­auf­lösung verlangen.

Sachverhalt in der Rechtssache C-65/09

Herr Wittmer und die Gebr. Weber GmbH schlossen einen Kaufvertrag über polierte Bodenfliesen zum Preis von 1.382,27 Euro. Nachdem Herr Wittmer rund zwei Drittel der Fliesen in seinem Haus hatte verlegen lassen, stellte er auf der Oberfläche Schattierungen fest, die mit bloßem Auge zu erkennen waren. In einem von Herrn Wittmer eingeleiteten Verfahren kam der benannte Sachverständige zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Schattierungen um feine Mikroschleif­spuren handele, die nicht beseitigt werden könnten, so dass Abhilfe nur durch einen kompletten Austausch der Fliesen möglich sei. Die Kosten dafür bezifferte der Sachverständige mit 5.830,57 Euro.

Sachverhalt in der Rechtssache C-87/09

Frau Putz und Medianess Electronics schlossen über das Internet einen Kaufvertrag über eine neue Spülmaschine zum Preis von 367 Euro zuzüglich Nachnahmekosten. Die Parteien vereinbarten eine Lieferung bis vor die Haustür von Frau Putz. Die Lieferung der Spülmaschine und die Kaufpreis­zahlung erfolgten verein­ba­rungsgemäß. Nachdem Frau Putz die Spülmaschine bei sich in der Wohnung hatte montieren lassen, stellte sich heraus, dass die Maschine einen nicht zu beseitigenden Mangel aufwies, der nicht durch die Montage entstanden sein konnte. Die Parteien einigten sich daher auf den Austausch der Spülmaschine. In diesem Rahmen verlangte Frau Putz von Medianess Electronics, dass sie nicht nur die neue Spülmaschine anliefert, sondern auch die mangelhafte Maschine ausbaut und die Ersatzmaschine einbaut, oder dass sie die Aus- und Einbaukosten trägt, was Medianess Electronics ablehnte.

Deutsche Gerichte erbitten Entscheidung des EuGH

Die mit diesen Rechtss­trei­tig­keiten befassten deutschen Gerichte fragen den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), ob das Unionsrecht den Verkäufer verpflichtet, den Ausbau des vertrags­widrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts oder die entsprechenden Kosten zu übernehmen. Die Gerichte betonen in diesem Zusammenhang, dass nach deutschem Recht der Verkäufer, den kein Verschulden treffe, nicht zur Vornahme dieser Handlungen oder zur Übernahme der entsprechenden Kosten verpflichtet sei.

Pflicht zur unentgeltlichen Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts, soll Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen

Mit seinem Urteil stellte der Gerichtshof fest, dass der Unions­ge­setzgeber die Unent­gelt­lichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch den Verkäufer zu einem wesentlichen Bestandteil des für den Verbraucher gewährleisteten Schutzes machen wollte. Diese Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts unentgeltlich zu bewirken, soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen.

Ersatzlieferung sollte für Verbraucher nicht zu zusätzlichen finanziellen Lasten führen

Wenn aber der Verbraucher im Fall der Ersatzlieferung für ein vertrags­widriges Verbrauchsgut vom Verkäufer nicht verlangen könnte, dass er den Ausbau des Verbrauchsguts aus der Sache, in die es gemäß seiner Art und seinem Verwen­dungszweck eingebaut wurde, und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts in dieselbe Sache oder die entsprechenden Kosten übernimmt, würde diese Ersatzlieferung für ihn zu zusätzlichen finanziellen Lasten führen, die er nicht hätte tragen müssen, wenn der Verkäufer den Kaufvertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Wenn dieser nämlich von vornherein ein vertragsgemäßes Verbrauchsgut geliefert hätte, hätte der Verbraucher die Einbaukosten nur einmal getragen und hätte keine Kosten für den Ausbau des mangelhaften Verbrauchsguts tragen müssen.

Auferlegung der Kosten für Ein- und Ausbau zu Lasten des Verkäufers nicht ungerecht­fertigt

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass der Umstand, dass dem Verkäufer die Kosten für den Ausbau des mangelhaften Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts auferlegt werden, nicht zu einem ungerechten Ergebnis führt. Selbst wenn nämlich die Vertrags­wid­rigkeit des Verbrauchsguts nicht auf einem Verschulden des Verkäufers beruht, hat dieser doch aufgrund der Lieferung eines vertrags­widrigen Verbrauchsguts die Verpflichtung, die er im Kaufvertrag eingegangen ist, nicht ordnungsgemäß erfüllt und muss daher die Folgen der Schlech­t­er­füllung tragen. Dagegen hat der Verbraucher seinerseits den Kaufpreis gezahlt und damit seine vertragliche Verpflichtung ordnungsgemäß erfüllt. Zudem kann der Umstand, dass der Verbraucher im Vertrauen auf die Vertrags­mä­ßigkeit des gelieferten Verbrauchsguts das mangelhafte Verbrauchsgut vor Auftreten des Mangels gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwen­dungszweck eingebaut hat, kein Verschulden darstellen, das ihm zur Last gelegt werden könnte.

Zusatzkosten können durch vornherein vertraglich ordnungsgemäß erfüllte Verpflichtungen vermieden werden

In einem Fall, in dem keine der beiden Vertrags­parteien schuldhaft gehandelt hat, ist es demnach gerechtfertigt, dem Verkäufer die Kosten für den Ausbau des vertrags­widrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts aufzuerlegen, da diese Zusatzkosten, die notwendig sind, um den Austausch vorzunehmen, vermieden worden wären, wenn der Verkäufer von vornherein seine vertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt hätte. Die Verpflichtung des Verkäufers zur Übernahme dieser Kosten besteht unabhängig davon, ob der Verkäufer nach dem Kaufvertrag zum Einbau des gelieferten Verbrauchsguts verpflichtet war. Die den Verbrauchern damit durch die Richtlinie verliehenen Rechte bezwecken nicht, die Verbraucher in eine Lage zu versetzen, die vorteilhafter ist als diejenige, auf die sie nach dem Kaufvertrag Anspruch erheben könnten, sondern sollen lediglich die Situation herstellen, die vorgelegen hätte, wenn der Verkäufer von vornherein ein vertragsgemäßes Verbrauchsgut geliefert hätte.

Verbraucher hat Anspruch auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung

Der Gerichtshof entscheidet außerdem, dass die Richtlinie ausschließt, dass eine nationale gesetzliche Regelung dem Verkäufer das Recht gewährt, die Ersatzlieferung für ein vertrags­widriges Verbrauchsgut als einzig mögliche Art der Abhilfe zu verweigern, weil sie ihm Kosten verursachen würde, die verglichen mit dem Wert, den das Verbrauchsgut hätte, wenn es vertragsgemäß wäre, und der Bedeutung der Vertrags­wid­rigkeit unver­hält­nismäßig wären. Die Richtlinie sieht nämlich vor, dass der Verbraucher Anspruch auf die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung hat, sofern dies nicht unmöglich oder unver­hält­nismäßig ist, und eine Abhilfe gilt nach der Richtlinie als unver­hält­nismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursachen würde, die verglichen mit der alternativen Abhil­femög­lichkeit unzumutbar wären. Erweist sich nur eine dieser beiden Abhilfen als möglich, kann der Verkäufer die einzige Abhilfe, durch die sich der vertragsgemäße Zustand des Verbrauchsguts herstellen lässt, somit nicht verweigern.

Beschränkung der Kosten in Ausnahmen möglich

Der Gerichtshof stellt allerdings fest, dass in einer Situation, in der die Ersatzlieferung für das vertragswidrige Verbrauchsgut als einzig mögliche Art der Abhilfe deswegen zu unver­hält­nis­mäßigen Kosten führen würde, weil das vertragswidrige Verbrauchsgut aus der Sache, in der es eingebaut wurde, ausgebaut und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut eingebaut werden muss, die Richtlinie nicht ausschließt, dass der Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der Kosten für den Ausbau des vertrags­widrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts, falls erforderlich, auf einen Betrag beschränkt wird, der dem Wert, den das Verbrauchsgut hätte, wenn es vertragsgemäß wäre, und der Bedeutung der Vertrags­wid­rigkeit angemessen ist. Eine solche Beschränkung lässt das Recht des Verbrauchers, Ersatzlieferung für das vertragswidrige Verbrauchsgut zu verlangen, nämlich unberührt. Die Möglichkeit, eine solche Herabsetzung vorzunehmen, darf aber nicht zur Folge haben, dass das Recht des Verbrauchers auf Erstattung dieser Kosten in der Praxis ausgehöhlt wird. Zudem ist dem Verbraucher im Fall einer Herabsetzung des Anspruchs auf Erstattung der genannten Kosten die Möglichkeit zu gewähren, statt einer Ersatzlieferung für das vertragswidrige Verbrauchsgut eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder die Vertrags­auf­lösung zu verlangen.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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