21.11.2024
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Dokument-Nr. 32373

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil15.11.2022

EuGH: Standesamt-Scheidung im EU-Ausland ist anzuerkennenIm EU-Ausland durchgeführte nicht­ge­richtliche Scheidung ist in Deutschland automatisch anzuerkennen

Automatische Anerkennung außer­ge­richt­licher Ehescheidungen: Eine von einem Standesbeamten eines Mitgliedstaats errichtete Schei­dungs­urkunde, die eine Vereinbarung der Ehegatten über die Ehescheidung enthält, die sie vor dem Standesbeamten getreu den in den Rechts­vor­schriften dieses Mitgliedstaats vorgesehenen Bedingungen bestätigt haben, stellt eine Entscheidung im Sinne der Brüssel-IIa-Verordnung dar. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Im Jahr 2013 heirateten TB, eine deutsche und italienische Staats­an­ge­hörige, und RD, ein italienischer Staats­an­ge­höriger, in Deutschland. Im Anschluss an ein außer­ge­richt­liches Schei­dungs­ver­fahren nach italienischem Recht stellte ihnen im Jahr 2018 der befasste italienische Standesbeamte eine Bescheinigung über die Ehescheidung aus. Die deutschen Standes­amts­be­hörden verweigerten die Beurkundung dieser Scheidung wegen fehlender vorheriger Anerkennung durch die zuständige deutsche Landes­jus­tiz­ver­waltung. Der mit der Sache befasste deutsch Bundes­ge­richtshof sieht sich vor die Frage gestellt, ob der Entschei­dungs­begriff der Brüssel-IIa-Verordnung über die Anerkennung von Entscheidungen über Ehescheidungen den Fall einer außer­ge­richt­lichen Scheidung erfasst, die durch eine von den Ehegatten geschlossene Vereinbarung bewirkt und von einem Standesbeamten eines Mitgliedstaats nach dessen Rechts­vor­schriften ausgesprochen wurde.

„Entscheidung“ über Ehescheidung auch durch nicht gerichtlichen Behörden möglich

Der Gerichtshof hat nun entschieden, dass eine von einem Standesbeamten des Ursprungs­mit­glied­staats errichtete Schei­dungs­urkunde, die eine Vereinbarung der Ehegatten über die Ehescheidung enthält, die sie vor dem Standesbeamten getreu den in den Rechts­vor­schriften dieses Mitgliedstaats vorgesehenen Bedingungen bestätigt haben, eine „Entscheidung“ im Sinne der Brüssel-IIa-Verordnung darstellt. Der Gerichtshof stellt zunächst klar, dass in Eheschei­dungs­sachen der Begriff „Entscheidung“ im Sinne dieser Verordnung jede Entscheidung über eine Ehescheidung in einem gerichtlichen oder aber außer­ge­richt­lichen Verfahren umfasst, sofern das Recht der Mitgliedstaaten auch nicht gerichtlichen Behörden Zuständigkeiten in Eheschei­dungs­sachen zuweist. Somit muss jede Entscheidung solcher nicht gerichtlichen Behörden, die in einem Mitgliedstaat in Eheschei­dungs­sachen zuständig sind, automatisch anerkannt werden, sofern die in der Brüssel-IIa-Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind.

Prüfungs­er­for­dernis maßgebliches Kriterium

Darüber hinaus verweist der Gerichtshof auf seine Rechtsprechung, wonach von der Brüssel-IIa-Verordnung nur Ehescheidungen erfasst werden, die entweder von einem staatlichen Gericht oder von einer öffentlichen Behörde oder unter deren Kontrolle ausgesprochen werden, was reine Privat­schei­dungen ausschließt. Daraus leitet er ab, dass jede Behörde, die eine „Entscheidung“ zu treffen hat, die Kontrolle über den Ausspruch der Ehescheidung behalten muss, was bei einver­nehm­lichen Ehescheidungen impliziert, dass sie eine Prüfung der Schei­dungs­vor­aus­set­zungen anhand des nationalen Rechts vornehmen muss und prüfen muss, ob das Einvernehmen der Ehegatten über die Scheidung tatsächlich gegeben und gültig ist. Der Gerichtshof erläutert, dass dieses Prüfungs­er­for­dernis das Kriterium zur Abgrenzung des Begriffs „Entscheidung“ von den ebenfalls in der Brüssel-IIa-Verordnung vorkommenden Begriffen „öffentliche Urkunde“ und „Vereinbarung zwischen den Parteien“ ist. Dabei stellt er klar, dass dieses Kriterium ebenso wie die Regelung für öffentliche Urkunden und Vereinbarungen zwischen den Parteien im Rahmen der Brüssel-IIb-Verordnung, die die Brüssel-IIa-Verordnung ab dem 1. August 2022 ersetzt hat, übernommen und präzisiert wurde.

„Entscheidung“ hier automatisch anzuerkennen

In Bezug auf die vorliegende Rechtssache stellt der Gerichtshof fest, dass der Standesbeamte in Italien als gesetzlich eingesetzte Behörde dafür zuständig ist, die Ehescheidung rechts­ver­bindlich auszusprechen, indem er die von den Ehegatten aufgesetzte Schei­dungs­ver­ein­barung nach einer Prüfung in Schriftform beurkundet. Der Standesbeamte vergewissert sich nämlich, dass das Einvernehmen der Ehegatten zur Scheidung gültig, aus freien Stücken und in Kenntnis der Sachlage erteilt wird, und prüft auch den Inhalt der Eheschei­dungs­ver­ein­barung anhand der geltenden Rechts­vor­schriften, indem er sich vergewissert, dass sich die Vereinbarung nur auf die Auflösung der Ehe oder die Beendigung der zivilen Wirkungen der Ehe bezieht und weder Vermögenswerte übertragen werden noch andere als volljährige wirtschaftlich unabhängige Kinder betroffen sind. Im Ergebnis handelt es sich somit um eine von den deutschen Standes­amts­be­hörden automatisch anzuerkennende „Entscheidung“ im Sinne der Brüssel-IIa-Verordnung.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union, ra-online (pm/ab)

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