21.11.2024
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Dokument-Nr. 9757

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Urteil08.06.2010Gerichtshof der Europäischen UnionC-58/08
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil08.06.2010

EuGH: Roaming­ver­ordnung der EU ist gültigVorgehen gehen hohen Gebühren für Mobil­funk­ge­spräche im europäischen Ausland im Interesse der Verbraucher zulässig

Die Roaming­ver­ordnung ist gültig. Die Gemeinschaft war berechtigt, im Interesse des Binnenmarkts Obergrenzen für die Entgelte vorzuschreiben, die von den Mobil­funk­be­treibern für Roaminganrufe berechnet werden. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften.

Die Roaming­ver­ordnung legt Obergrenzen für die Entgelte fest, die die Mobil­funk­be­treiber für Sprachanrufe berechnen dürfen, die ein Nutzer außerhalb ihres Netzes annimmt oder tätigt. Die Verordnung schreibt außerdem eine Obergrenze für Großkun­den­entgelte vor, d. h. das Entgelt, das das Netz des Verbrauchers an das vom Verbraucher genutzte ausländische Netz zahlt.

Sachverhalt

Die Verordnung wurde auf der Grundlage von Art. 95 EG erlassen, wonach die Gemeinschaft Rechts­vor­schriften erlassen kann, um das Recht der Mitgliedstaaten anzugleichen, falls Unterschiede oder potenzielle Unterschiede bestehen, die geeignet sind, die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Markts zu behindern.

In der ursprünglichen Fassung der Verordnung war vorgesehen, dass sie am 30. Juni 2010 außer Kraft tritt. Im Juni 2009 wurde die Verordnung durch eine neue Verordnung geändert, mit der die Entgel­to­ber­grenzen auf SMS und die Daten­über­tragung ausgeweitet wurden und die Geltung der Verordnung bis zum 30. Juni 2012 verlängert wurde.

EuGH-Vorlage zum möglichen Verstoß gegen Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit durch Festlegung von Obergrenzen für Endkun­den­entgelte

Vier der wichtigsten europäischen Mobil­funk­be­treiber, Vodafone, Telefónica O2, T-Mobile und Orange, haben vor dem High Court of Justice of England and Wales Zweifel an der Gültigkeit der Roaming­ver­ordnung geäußert. Dieses Gericht hat den Gerichtshof gefragt, ob die Gemeinschaft auf der Grundlage von Art. 95 EG zum Erlass der Verordnung befugt war und ob der Gemein­schafts­ge­setzgeber mit der Festlegung von Obergrenzen für Endkun­den­entgelte gegen den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit und/oder das Subsi­dia­ri­täts­prinzip verstoßen hat.

Verordnung trägt zur Verbesserung eines funkti­o­nie­renden Binnenmarkts bei

Der Gerichtshof stellt erstens fest, dass die Verordnung tatsächlich bezweckt, die Bedingungen für das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern, und auf der Grundlage von Art. 95 EG erlassen werden konnte.

In diesem Zusammenhang führt der Gerichtshof aus, dass das Niveau der Endkun­den­entgelte der Dienste für Auslandsroaming zur Zeit des Erlasses dieser Verordnung hoch und das Verhältnis zwischen Kosten und Entgelten nicht so war, wie es auf Märkten mit wirksamem Wettbewerb der Fall wäre. Dieses hohe Niveau der Entgelte wurde von staatlichen Einrichtungen und Verbrau­cher­schutz­ver­bänden gemein­schaftsweit als anhaltendes Problem betrachtet, und die Versuche, dieses Problem innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens zu lösen, hatten keine Senkung der Entgelte bewirkt. Außerdem standen die Mitgliedstaaten unter dem Druck, Maßnahmen zur Lösung des Problems zu ergreifen. Unter diesen Umständen hatte der Gemein­schafts­ge­setz­gerber es konkret mit einer Situation zu tun, in der der Erlass voneinander abweichender nationaler Maßnahmen zur Senkung des Endkun­den­entgelts ohne gleichzeitige Regelung der Großkun­den­entgelte wahrscheinlich erschien. Eine solche Entwicklung konnte jedoch spürbare Wettbe­wer­bs­ver­zer­rungen verursachen und das ordnungsgemäße Funktionieren des Markts für gemein­schafts­weites Roaming empfindlich stören, was es rechtfertigte, auf der Grundlage von Art. 95 EG eine Verordnung zu erlassen, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu fördern.

Höchstentgelte auf Endkundenebene zum Schutz der Verbraucher erforderlich

Was zweitens die Frage angeht, ob die Verordnung verhältnismäßig ist, obwohl sie nicht nur für Großkun­den­entgelte, sondern auch für Endkun­den­entgelte Obergrenzen festsetzt, stellt der Gerichtshof fest, dass die Höchstentgelte auf Endkundenebene als zum Schutz der Verbraucher gegen überhöhte Entgelte geeignet und erforderlich angesehen werden können.

Verhältnis zwischen Kosten und Entgelten nicht so, wie auf Märkten mit wirksamem Wettbewerb vorgesehen

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Kommission, bevor sie die Verordnung vorschlug, eine umfassende Prüfung der Optionen vorgenommen und die wirtschaft­lichen Auswirkungen der verschiedenen Arten von Regulierungen bewertet hatte. Das Niveau des durch­schnitt­lichen Entgelts für einen Roaminganruf in der Gemeinschaft war zur Zeit des Erlasses der Verordnung hoch (1,15 EURO pro Minute, was mehr als fünfmal soviel war wie die tatsächlichen Kosten der Abwicklung des betreffenden Großkun­den­dienstes), und das Verhältnis zwischen Kosten und Entgelten war nicht so, wie es auf Märkten mit wirksamem Wettbewerb der Fall gewesen wäre. Der in der Verordnung vorgesehene Tarif liegt erheblich unter diesem Durch­schnitt­s­entgelt und orientiert sich an den Obergrenzen für Großkun­den­entgelte, um die Endkundentgelte genauer an den Kosten der Anbieter auszurichten.

Senkung der Großkun­den­entgelte hätte aufgrund des mangelnden Wettbe­wer­bs­drucks nicht zwingend sinkende Entkun­den­entgelte garantiert

Ferner konnte der Gemein­schafts­ge­setzgeber zu Recht annehmen, dass eine Regulierung nur der Großkun­den­märkte nicht dasselbe Ergebnis erzielt hätte wie die streitige Verordnung. Eine Senkung der Großkun­den­entgelte hätte angesichts des mangelnden Wettbe­wer­bs­drucks für die Betreiber nicht zwingend sinkende Entkun­den­entgelte garantiert, da das Roaming bei der Wahl des Betreibers für die meisten Verbraucher keine entscheidende Rolle spielt. Zudem hätte eine Regulierung nur der Großkun­den­entgelte keine unmittelbaren und sofortigen Wirkungen zugunsten der Verbraucher hervorgerufen. Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass die erlassenen Maßnahmen außer­ge­wöhn­lichen Charakter haben, der durch die einzigartigen Merkmale der Roamingmärkte gerechtfertigt ist.

Eingriff in einen dem Wettbewerb unterliegenden Markt steht im angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel

Unter diesen Umständen steht ein Eingriff auf einem dem Wettbewerb unterliegenden Markt, der zeitlich begrenzt ist und die Verbraucher unverzüglich vor überhöhten Entgelten schützt, wie er hier in Rede steht, in angemessenem Verhältnis zum verfolgten Ziel, selbst wenn er möglicherweise negative wirtschaftliche Folgen für einzelne Betreiber hat.

Gemein­schafts­ge­setzgeber durfte Erfor­der­lichkeit eines gemeinsamen Ansatzes auf Gemein­schaft­sebene annehmen

Drittens prüft der Gerichtshof die Verordnung im Hinblick auf das Subsi­dia­ri­täts­prinzip, wonach die Gemeinschaft nur tätig werden darf, wenn die Mitgliedstaaten dasselbe Ziel nicht auf angemessene Art und Weise erreichen können. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Gemein­schafts­ge­setzgeber aufgrund der Wechsel­wir­kungen zwischen den Großkunden- und den Endkun­den­ent­gelten berech­tig­terweise annehmen durfte, dass ein gemeinsamer Ansatz auf Gemein­schaft­sebene erforderlich ist, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts sicherzustellen und es dadurch den Betreibern zu ermöglichen, in einem einheitlichen und kohärenten Rechtsrahmen tätig zu werden.

Quelle: ra-online, EuGH

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