15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen auf azurblauem Grund die zwölf goldenen Sterne, wie sie auch in der Europaflagge zu finden sind, wobei in der Mitte ein Paragraphenzeichen zu sehen ist.

Dokument-Nr. 6390

Drucken
Urteil17.07.2008Gerichtshof der Europäischen UnionC-500/06
ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil17.07.2008

EuGH sieht italienische Vorschriften zur Werbung für medizinisch-chirurgische Behandlungen als gemein­schafts­rechts­widrig anBeschränkung der Niederlassungs- und der Dienst­leis­tungs­freiheit

Rechts­vor­schriften, die zu einem Verbot von Werbung für medizinisch-chirurgische Behandlungen über nationale Fernsehsender führe, während sie eine solche Werbung über lokale Fernsehsender erlauben, sind gemein­schafts­widrig. Eine solche Regelung stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit bzw. der Dienst­leis­tungs­freiheit dar. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Eine solche Regelung stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit bzw. der Dienstleistungsfreiheit dar Im Oktober 2005 erteilte Corporación Dermoestética, eine auf dem Gebiet der kosmetischen Medizin tätige spanische Gesellschaft, der Werbeagentur To Me Group den Auftrag, für ihre Dienst­leis­tungen eine Werbekampagne durchzuführen, die über den nationalen italienischen Fernsehsender Canale 5 verbreitet werden sollte.

Nach Erhalt eines Vorschusses teilte To Me Group Corporación Dermoestética mit, dass die Verbreitung der vorgesehenen Werbespots über nationale Fernsehkanäle aufgrund eines Gesetzes von 1992 unmöglich sei. Nach diesem Gesetz ist Fernsehwerbung für medizinisch-chirurgische Behandlungen, die in privaten Gesund­heits­ein­rich­tungen vorgenommen werden, unter bestimmten Voraussetzungen nur über lokale Fernsehsender erlaubt, was einem Verbot dieser Werbung über nationale Fernsehsender gleichkommt.

Da To Me Group sich weigerte, den Vorschuss zurückzuzahlen, klagte Corporación Dermoestética vor dem italienischen Gericht auf Aufhebung des zwischen den beiden Gesellschaften geschlossenen Vertrags und auf Verurteilung der Werbeagentur zur Rückzahlung des Vorschusses.

Italienische Gericht fragt, ob Niederlassungs- und Dienst­leis­tungs­freiheit durch die nationale Regelung verletzt werden

Für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits hält es das italienische Gericht für geboten, den Gerichtshof zu fragen, ob die Grundsätze der Nieder­las­sungs­freiheit und der Dienst­leis­tungs­freiheit einer nationalen Regelung wie der italienischen entgegenstehen. Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass das nach dem italienischen Gesetz von 1992 vorgesehene Werbeverbot über das nach der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“* hinausgeht, die u. a. bestimmt, dass Fernsehwerbung für medizinische Behandlungen, die nur auf ärztliche Verordnung erhältlich sind, untersagt ist. Die Mitgliedstaaten können zwar nach der Richtlinie in den von ihr erfassten Bereichen ausführlichere oder strengere Bestimmungen vorsehen, doch sind bei der Ausübung einer solchen Befugnis die durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu beachten.

EuGH: Niederlassungs- und Dienst­leis­tungs­freiheit werden durch Regelung beschränkt

Der Gerichtshof sieht in einer Regelung über Werbung wie der nach dem italienischen Gesetz von 1992 eine Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit, da sie für Unternehmen, die ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik haben, ein ernsthaftes Hindernis für die Ausübung ihrer Tätigkeiten durch eine in diesem letztgenannten Mitgliedstaat ansässige Tochter­ge­sell­schaft darstellt. Zudem sieht er in dieser Regelung eine Beschränkung der Dienst­leis­tungs­freiheit, soweit sie Unternehmen wie Corporación Dermoestética daran hindert, in der Verbreitung von Fernsehwerbung bestehende Leistungen zu empfangen.

EuGH: Beschränkungen können unter bestimmen Voraussetzungen zulässig sein

Der Gerichtshof erinnert jedoch daran, dass solche Beschränkungen unter vier Voraussetzungen zulässig sein können: Sie müssen in nicht diskri­mi­nie­render Weise angewandt werden, sie müssen zwingenden Gründen des Allge­mein­in­teresses entsprechen, sie müssen zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Dazu stellt der Gerichtshof erstens fest, dass die streitige Regelung über Werbung unabhängig davon gilt, in welchem Mitgliedstaat die Unternehmen, die Adressaten der Regelung sind, ihren Sitz haben. Zweitens könnte die Regelung über Fernsehwerbung für medizinisch-chirurgische Behandlungen im Hinblick auf das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt werden.

EuGH sieht Widerspruch in der Regelung

Drittens stellt der Gerichtshof jedoch fest, dass die streitige Regelung dadurch, dass sie zu einem Verbot von Werbung für medizinisch-chirurgische Behandlungen über nationale Fernsehsender führt, zugleich aber die Möglichkeit eröffnet, eine solche Werbung über lokale Fernsehsender zu verbreiten, einen Widerspruch aufweist, den die italienische Regierung nicht zu rechtfertigen versucht hat. Der Gerichtshof befindet daher, dass nationale Rechts­vor­schriften wie die hier streitigen nicht zur Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit geeignet sind und eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der beiden Freiheiten darstellen.

EuGH: Italienische Vorschriften sind gemein­schafts­rechts­widrig

Der Gerichtshof stellt folglich fest, dass die Nieder­las­sungs­freiheit und die Dienst­leis­tungs­freiheit dahin auszulegen sind, dass sie Rechts­vor­schriften wie den hier streitigen entgegenstehen, soweit sie die Werbung für von privaten Gesund­heits­ein­rich­tungen vorgenommene medizinisch-chirurgische Behandlungen über landesweite Fernsehsender verbieten, während sie eine solche Werbung unter bestimmten Bedingungen über lokale Fernsehsender erlauben.

----------

* Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwal­tungs­vor­schriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtä­tigkeit (ABl. L 298, S. 23) in der durch die Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 (ABl. L 202, S. 60) geänderten Fassung.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 56/08 des EuGH vom 17.07.2008

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil6390

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI