15.11.2024
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Dokument-Nr. 18157

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil06.05.2014

EuGH erklärt Richtlinie für grenz­überschrei­tenden Informations­aus­tausch bei Verkehrs­de­likten für nichtigWirkungen der Richtlinie wird für begrenzten Zeitraum weiter aufrecht­er­halten

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Richtlinie über den grenz­überschrei­tenden Austausch von Informationen über die Straßen­verkehrs­sicherheit gefährdende Verkehrsdelikte für nichtig erklärt. Die Wirkungen der Richtlinie werden jedoch für einen Zeitraum von höchstens einem Jahr aufrecht­er­halten.

Am 19. März 2008 legte die Kommission dem Parlament und dem Rat einen Vorschlag für eine Richtlinie vor, mit der im Wesentlichen der Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch über bestimmte, die Straßen­ver­kehrs­si­cherheit gefährdende Verkehrsdelikte sowie deren grenz­über­greifende Ahndung erleichtert werden sollte. Dieser Vorschlag wurde auf die Zuständigkeit der Union für die Verkehrs­si­cherheit* gestützt. Am 25. Oktober 2011 erließen das Parlament und der Rat die Richtlinie 2011/82**, legten ihr jedoch als Rechtsgrundlage die Zuständigkeit der Union im Bereich der polizeilichen Zusam­me­n­a­r­beit*** zugrunde. Da die Kommission der Ansicht war, dass die Richtlinie auf einer falschen Rechtsgrundlage erlassen worden sei, hat sie beim Gerichtshof Nichtig­keitsklage erhoben.

Richtlinie legt Verfahren für den Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch zwischen den Mitgliedstaaten für Verkehrsdelikte fest

Die Richtlinie legt für acht Straßen­ver­kehrs­delikte (Geschwin­dig­keits­über­tre­tungen, Nichtanlegen des Sicher­heitsgurts, Überfahren eines roten Lichtzeichens, Trunkenheit im Straßenverkehr, Fahren unter Drogeneinfluss, Nichttragen eines Schutzhelms, unbefugte Benutzung eines Fahrstreifens und rechtswidrige Benutzung eines Mobiltelefons beim Fahren) ein Verfahren für den Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Die Mitgliedstaaten können somit in anderen Mitgliedstaaten auf die nationalen Fahrzeug­zu­las­sungsdaten zugreifen, um die Person festzustellen, die für das Delikt haftbar ist.

Hauptsächliches Ziel der Richtlinie ist Verbesserung der Straßen­ver­kehrs­si­cherheit

In seinem Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass das Ziel sowie der Inhalt der Richtlinie zu untersuchen sind, um zu entscheiden, ob diese auf der Grundlage der polizeilichen Zusammenarbeit wirksam erlassen werden konnte. Was die Zielsetzung der Richtlinie anbelangt, kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass das hauptsächliche oder überwiegende Ziel der Richtlinie die Verbesserung der Straßen­ver­kehrs­si­cherheit ist: Mit der Richtlinie wird zwar ein System für den grenz­über­schrei­tenden Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch über die Straßen­ver­kehrs­si­cherheit gefährdende Verkehrsdelikte eingeführt, doch wird dieses System gerade geschaffen, damit die Union das Ziel der Verbesserung der Straßen­ver­kehrs­si­cherheit verfolgen kann. Zum Inhalt der Richtlinie stellt der Gerichtshof fest, dass das System für den Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten das Instrument darstellt, mit dem sie das Ziel der Verbesserung der Straßen­ver­kehrs­si­cherheit verfolgt. Maßnahmen zur Verbesserung der Straßen­ver­kehrs­si­cherheit gehören nämlich zur Verkehrspolitik. Der Gerichtshof folgert daraus, dass die Richtlinie sowohl ihrem Ziel als auch ihrem Inhalt nach eine Maßnahme zur Verbesserung der Verkehrssicherheit darstellt und deshalb auf dieser Grundlage hätte erlassen werden müssen.

Richtlinie steht nicht unmittelbar im Zusammenhang mit Zielen der polizeilichen Zusammenarbeit

Der Gerichtshof stellt außerdem klar, dass die Richtlinie nicht unmittelbar im Zusammenhang mit den Zielen der polizeilichen Zusammenarbeit steht, da diese zum einen die Entwicklung einer gemeinsamen Politik in den Bereichen Asyl, Einwanderung und Kontrollen an den Außengrenzen und zum anderen die Verhütung von Kriminalität, Rassismus und Fremden­feind­lichkeit betreffen.

Aufrecht­er­haltung der Wirkungen der Richtlinie vorerst gerechtfertigt

Nachdem der Gerichtshof somit entschieden hat, die Richtlinie aus diesen Gründen für nichtig zu erklären, prüft er, wie von der Kommission erbeten, die zeitlichen Wirkungen dieser Nichti­g­er­klärung. Hierzu stellt er fest, dass sich die Nichti­g­er­klärung der Richtlinie ohne Aufrecht­er­haltung ihrer Wirkungen angesichts der Bedeutung, die der Verfolgung der in ihr genannten Ziele bei der Verbesserung der Straßen­ver­kehrs­si­cherheit zukommt, negativ auf die Verwirklichung der Verkehrspolitik der Union auswirken könnte. Darüber hinaus berücksichtigt der Gerichtshof, dass die Frist zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht am 7. November 2013 abgelaufen ist. Unter diesen Umständen rechtfertigen nach Auffassung des Gerichtshofs gewichtige Gründe der Rechts­si­cherheit die Aufrecht­er­haltung der Wirkungen der Richtlinie, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die ein Jahr ab dem Tag der Urteils­ver­kündung nicht überschreiten darf, eine neue, auf die geeignete Rechtsgrundlage (nämlich die Verkehrs­si­cherheit) gestützte Richtlinie in Kraft tritt.

Erläuterungen
* Art. 71 Abs. 1 Buchst. c EG, jetzt Art. 91 Abs. 1 Buchst. c AEUV.

** Richtlinie 2011/82/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 zur Erleichterung des grenz­über­schrei­tenden Austauschs von Informationen über die Straßen­ver­kehrs­si­cherheit gefährdende Verkehrsdelikte (ABl. L 288, S. 1).

*** Art. 87 Abs. 2 AEUV.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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