15.11.2024
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Dokument-Nr. 17963

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Urteil27.03.2014Gerichtshof der Europäischen UnionC-322/13
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil27.03.2014

Verwendung der Deutschen Sprache vor Gericht muss in der Region Bozen für alle Unionsbürger möglich seinNationale Regelung nicht mit Unionsrecht vereinbar

Die Möglichkeit, die deutsche Sprache vor den Zivilgerichten der Provinz Bozen zu gebrauchen, darf nicht allein den in dieser Region wohnhaften italienischen Bürgern vorbehalten werden. Diese Möglichkeit muss vielmehr jeder Unionsbürger haben. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Vor den italienischen Zivilgerichten ist der Gebrauch der italienischen Sprache vorgeschrieben. Jedes in einer anderen Sprache abgefasste Schriftstück ist nichtig. Für die Gerichte in der Provinz Bozen besteht jedoch eine Ausnahme: Die in dieser Region wohnhaften italienischen Bürger haben die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu gebrauchen. Diese Ausnahme soll die ethnisch-kulturelle deutsch­sprachige Minderheit in der Provinz Bozen schützen.

Nationales Gericht erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH über Zulässigkeit der Deutschen Sprache vor Gericht

Das Landesgericht Bozen fragt den Gerichtshof der Europäischen Union, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, dass die Möglichkeit, vor den Gerichten der Provinz Bozen die deutsche Sprache zu gebrauchen, allein den in dieser Region wohnhaften italienischen Bürgern vorbehalten ist. In der Rechtssache, über die es zu entscheiden hat, verletzte sich eine deutsche Skifahrerin - deren Wohnsitz sich in Deutschland befindet - auf einer Piste in der Provinz Bozen und nimmt eine tschechische Skifahrerin - deren Wohnsitz sich in der Tschechischen Republik befindet -, die den Unfall verursacht haben soll, auf Schadensersatz in Anspruch. Da der verfah­ren­s­ein­leitende Schriftsatz und die Klage­be­ant­wortung in Deutsch verfasst waren, müsste das Landesgericht Bozen diese Akte nach den italienischen Rechts­vor­schriften für nichtig erklären. Es zweifelt jedoch daran, ob dies mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Unionsrecht steht nationaler Regelung entgegen

Mit seinem Urteil antwortet der Gerichtshof, dass das Unionsrecht (speziell das Verbot jeder Diskriminierung aus Gründen der Staats­an­ge­hö­rigkeit und die den Unionsbürgern garantierte Freizügigkeit) einer nationalen Regelung entgegensteht, die das Recht, in Zivilverfahren vor den Gerichten einer bestimmten Gebiets­kör­per­schaft des betreffenden Mitgliedstaats eine andere Sprache als dessen Amtssprache zu gebrauchen, allein den in dieser Gebiets­kör­per­schaft wohnhaften Angehörigen dieses Staates einräumt. Der Gerichtshof erinnert daran, dass er diese Frage in Bezug auf Strafverfahren vor den Gerichten der Provinz Bozen bereits bejaht hat (vgl. Urteil des EuGH vom 24. November 1998 - Az. C-274/96 -). Die dafür maßgebenden Erwägungen gelten seines Erachtens für alle Gerichts­ver­fahren in der betreffenden Gebiets­kör­per­schaft.

Richter der Provinz Bozen sind zur Durchführung der Gerichts­ver­fahren in Italienischer und deutscher Sprache in der Lage

Keines der von der italienischen Regierung in der vorliegenden Rechtssache vorgetragenen Argumente kann die fragliche Regelung rechtfertigen. Das Argument, wonach das Verfahren erschwert würde, wenn Unionsbürger die deutsche Sprache verwenden könnten, wird durch die Angaben des Landesgerichts Bozen entkräftet, dass die Richter der Provinz Bozen in der Lage sind, Gerichts­ver­fahren sowohl in Italienischer als auch in deutscher Sprache zu führen. Der Einwand, dass Italien durch die Anwendung dieser Sprachen­re­gelung zusätzliche Kosten entstünden, vermag als rein wirtschaft­liches Motiv keine Beschränkung einer vom Unionsrecht garantierten Grundfreiheit zu rechtfertigen.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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