15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen vier farbige Figuren vor grünem Grund, welche von mehreren hellgrünen Figuren umringt werden.
ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil14.03.2013

Zur Wettbe­wer­bs­wid­rigkeit von Vereinbarungen zwischen Versicherungen und Kfz-Repara­tur­werk­stätten über die Reparaturkosten versicherter FahrzeugeUngarisches Gericht muss Beurteilung des Zwecks der Vereinbarungen in Bezug auf den Markt für Kfz-Reparaturen beurteilen

Vereinbarungen zwischen Versi­che­rungs­ge­sell­schaften und Kfz-Repara­tur­werk­stätten über die Preise für die Reparatur versicherter Fahrzeuge haben einen wettbe­wer­bs­widrigen Zweck und sind daher verboten, wenn sie schon ihrer Natur nach schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs sind. Ob sie insoweit schädlich sind, ist in Bezug auf die beiden betroffenen Märkte–den der Kfz-Versicherungen und den der Kfz-Reparaturen– zu beurteilen. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.

Dem vorzuliegenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die ungarischen Versicherer - u. a. Allianz Hungária und Generali-Providencia - vereinbaren einmal jährlich mit den Kfz-Vertrags­händlern oder mit deren nationaler Vereinigung die Bedingungen und Tarife für Reparaturen von Schäden an versicherten Fahrzeugen, die der Versicherer regulieren muss. Die Werkstätten der Vertragshändler können dadurch im Schadensfall unmittelbar Reparaturen gemäß diesen Bedingungen und Tarifen vornehmen. Die Vertragshändler unterhalten dabei eine zweifache Beziehung zu den Versicherern: Zum einen reparieren sie im Schadensfall die versicherten Fahrzeuge auf Rechnung der Versicherer, zum anderen handeln sie als deren Agenten und bieten ihren Kunden beim Verkauf oder bei der Reparatur von Fahrzeugen Kfz-Versicherungen an. Nach den Vereinbarungen zwischen den Versicherern und den Vertrags­händlern erhöht sich der Stundensatz der Vertragshändler für die Reparatur beschädigter Fahrzeuge nach Maßgabe der Zahl oder des Prozentsatzes der für die Versi­che­rungs­ge­sell­schaft verkauften Versi­che­rungs­verträge.

Kartellamt verhängte Geldbußen wegen wettbe­wer­bs­widrigen Verhaltens

Da das ungarische Kartellamt der Auffassung war, dass die fraglichen Vereinbarungen die Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt für Kfz-Versi­che­rungs­verträge und auf dem Markt für Kfz-Reparaturen bezweckten, verbot es das wettbe­wer­bs­widrige Verhalten und verhängte Geldbußen gegen die betroffenen Unternehmen. Der Legfelsöbb Bíróság (Oberster Gerichtshof in Ungarn), der im Rechts­mit­tel­ver­fahren mit dieser Rechtssache befasst ist, möchte vom Gerichtshof wissen, ob die fraglichen Vereinbarungen die Verhinderung, die Einschränkung oder die Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken.

Vereinbarungen können Wettbe­wer­bs­be­schränkung bezwecken

In seinem Urteil erinnert der Gerichtshof zunächst daran, dass Vereinbarungen mit einem solchen Zweck, d. h. Vereinbarungen, die schon ihrer Natur nach schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs sind, verboten sind, ohne dass es einer Prüfung ihrer Auswirkungen auf den Wettbewerb bedarf. Weiter stellt der Gerichtshof fest, dass die untersuchten Vereinbarungen zwei grundsätzlich voneinander unabhängige Tätigkeiten miteinander verbinden, nämlich die Dienstleistung der Kfz-Reparatur und die Vermittlung von Kfz-Versicherungen. Hierzu weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Herstellung einer solchen Verbindung nicht automatisch bedeutet, dass die betreffenden Vereinbarungen eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken, dass sie aber einen wichtigen Aspekt bei der Beurteilung der Frage darstellen kann, ob diese Vereinbarungen ihrer Natur nach schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs sind. In diesem Zusammenhang führt der Gerichtshof aus, dass es sich im vorliegenden Fall zwar um vertikale Vereinbarungen - d. h. um Vereinbarungen zwischen nicht miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen - handelt, dass sie aber gleichwohl eine Wettbe­wer­bs­be­schränkung bezwecken können.

Ungarisches Gericht soll mögliche Beein­träch­tigung des Wettbewerbs auf dem Markt für Kfz-Versicherungen prüfen

Der Gerichtshof erläutert ferner, dass im vorliegenden Fall der Zweck der beanstandeten Vereinbarungen im Hinblick auf die beiden betroffenen Märkte zu beurteilen ist. So ist es Sache des ungarischen Gerichts, zum einen zu prüfen, ob die vertikalen Vereinbarungen unter Berück­sich­tigung des wirtschaft­lichen und rechtlichen Zusammenhangs, in dem sie stehen, eine hinreichende Beein­träch­tigung des Wettbewerbs auf dem Markt für Kfz-Versicherungen erkennen lassen, um die Feststellung zu gestatten, dass sie eine Wettbe­wer­bs­be­schränkung bezwecken. Dies wäre u. a. der Fall, wenn die Rolle, die das nationale Recht den als Versi­che­rung­s­agenten oder -makler tätig werdenden Vertrags­händlern zuweist, deren Unabhängigkeit von den Versicherungsgesellschaften erfordert. Außerdem würde der wettbe­wer­bs­widrige Zweck der Vereinbarungen auch dann feststehen, wenn der Wettbewerb auf dem Markt für Kfz-Versicherungen infolge des Abschlusses dieser Vereinbarungen wahrscheinlich beseitigt oder erheblich geschwächt werden wird.

Vereinbarungen offenbar auf Grundlage der "Preis­emp­feh­lungen" geschlossen

Zum anderen muss das ungarische Gericht bei der Beurteilung des Zwecks der Vereinbarungen in Bezug auf den Markt für Kfz-Reparaturen berücksichtigen, dass die Vereinbarungen offenbar auf der Grundlage der "Preis­emp­feh­lungen" geschlossen wurden, die in den von der nationalen Vereinigung der Kfz-Vertragshändler getroffenen Entscheidungen enthalten sind. Sollte das ungarische Gericht feststellen, dass diese Entscheidungen bezweckten, durch die Verein­heit­lichung der Stundensätze für die Kfz-Reparatur den Wettbewerb zu beschränken, und dass die Versi­che­rungs­ge­sell­schaften diese Entscheidungen durch die beanstandeten vertikalen Vereinbarungen bewusst gebilligt haben, was vermutet werden kann, wenn sie unmittelbar eine Vereinbarung mit der Vereinigung der Kfz-Vertragshändler getroffen haben, so würde die Rechts­wid­rigkeit der Entscheidungen die Rechts­wid­rigkeit der Vereinbarungen nach sich ziehen.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil15432

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI