21.11.2024
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Dokument-Nr. 9057

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Urteil14.01.2010Gerichtshof der Europäischen UnionC-304/08
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • WRP 2010, 232Zeitschrift: Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP), Jahrgang: 2010, Seite: 232
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ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil14.01.2010

EuGH: Anlocken von Kunden durch kostenlose Teilnahme an Lotterie stellt nicht automatisch unlautere Geschäftspraxis darVerbot von Bonusaktionen darf nicht ohne Prüfung der Hintergründe des Einzelfalls erfolgen

Kunden nach einer bestimmten Zahl von Einkäufen die Teilnahme an einer Lotterie anzubieten, stellt nicht automatisch eine unlautere Geschäftspraxis dar. Eine solche Bonusaktion darf im nationalen Recht nicht ohne Berück­sich­tigung der besonderen Umstände des Einzelfalls verboten werden. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften.

Die europäische Richtlinie über unlautere Geschäft­s­praktiken hat den Zweck, zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbrau­cher­schutz­niveaus beizutragen. Sie stellt ein generelles Verbot von unlauteren Geschäft­s­praktiken auf, die geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers zu beeinflussen. Sie stellt zudem Regeln über irreführende und aggressive Geschäft­s­praktiken auf. Anhang I enthält eine Liste jener Geschäft­s­praktiken, die unter allen Umständen unlauter sind.

Sachverhalt

Das deutsche Einzel­han­dels­un­ter­nehmen Plus ermunterte im Rahmen seiner Bonusaktion „Ihre Millionenchance“ dazu, bei Plus einzukaufen, um Punkte zu sammeln. Die Ansammlung von 20 Punkten ermöglichte es, kostenlos an bestimmten Ziehungen des Deutschen Lottoblocks (eines nationalen Verbands von 16 Lotte­rie­ge­sell­schaften) teilzunehmen. Die deutsche Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. sah diese Praxis als unlauter im Sinne des deutschen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) an, nach dem Preis­aus­schreiben und Gewinnspiele mit einer Kaufver­pflichtung generell verboten sind. Auf Antrag der Zentrale wurde Plus in erster und in zweiter Instanz verurteilt, diese Praxis zu unterlassen. Der Bundes­ge­richtshof, der in letzter Instanz über diesen Rechtsstreit zu entscheiden hat, möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Richtlinie einem Verbot wie dem im UWG aufgestellten entgegensteht.

Nationale Regelung steht Geschäft­s­praktiken, bei denen Teilnahme an Gewinnspiel von Warenerwerb abhängt entgegen

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie einer nationalen Regelung wie der im UWG vorgesehenen entgegensteht, nach der Geschäft­s­praktiken, bei denen die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preis­aus­schreiben oder Gewinnspiel vom Erwerb einer Ware oder von der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig gemacht wird, ohne Berück­sich­tigung der besonderen Umstände des Einzelfalls grundsätzlich unzulässig sind.

Geschäft­s­praktiken des Einzel­han­dels­un­ter­nehmens fallen in Geltungsbereich der Richtlinie

Einleitend legt der Gerichtshof dar, dass Werbekampagnen, mit denen die kostenlose Teilnahme des Verbrauchers an einer Lotterie davon abhängig gemacht wird, dass in bestimmtem Umfang Waren oder Dienst­leis­tungen erworben bzw. in Anspruch genommen werden, sich eindeutig in den Rahmen der Geschäftss­trategie eines Gewer­be­trei­benden einfügen und unmittelbar mit der Absatzförderung und dem Verkauf zusammenhängen. Sie stellen folglich Geschäft­s­praktiken im Sinne der Richtlinie dar und fallen damit in deren Geltungsbereich.

Strengere Maßnahmen für höheres Verbrau­cher­schutz­niveau als in Richtlinien festgelegt, nicht zulässig

Sodann weist er darauf hin, dass die Regeln über unlautere Geschäft­s­praktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern mit der Richtlinie auf Gemein­schaft­sebene vollständig harmonisiert werden. Daher dürfen die Mitgliedstaaten, wie dies in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehen ist, keine strengeren als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen, und zwar auch nicht, um ein höheres Verbrau­cher­schutz­niveau zu erreichen.

Aktionen müssen auf mögliche Beeinflussung des Durch­schnitts­ver­brauchers geprüft werden

In Bezug auf die in der vorliegenden Rechtssache fragliche Praxis stellt der Gerichtshof fest, dass sie nicht von Anhang I der Richtlinie erfasst wird, der die Praktiken, die allein ohne eine Einzel­fa­ll­prüfung verboten werden dürfen, abschließend aufzählt. Daher kann diese Praxis nicht verboten werden, ohne dass anhand des tatsächlichen Kontexts des Einzelfalls bestimmt wird, ob sie im Licht der in der Richtlinie aufgestellten Kriterien „unlauter“ ist. Zu diesen Kriterien gehört insbesondere die Frage, ob die Praxis in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durch­schnitts­ver­brauchers wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen.

Quelle: ra-online, EuGH

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