09.11.2024
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Dokument-Nr. 34495

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Urteil24.10.2024Gerichtshof der Europäischen UnionC-227/23
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil24.10.2024

EuGH: EU-Mitgliedstaaten müssen Kunstwerke im Gebiet der Union schützenUrheber­recht­licher Schutz gilt unabhängig von der Herkunft

Der EuGH hat entschieden, dass die EU-Mitgliedstaaten Design­klas­sikern, die als Werk der angewandten Kunst gelten, unabhängig von der Herkunft urheber­recht­lichen Schutz gewähren müssen.

Vitra, eine schweizerische Gesellschaft, die Designermöbel herstellt, ist Inhaberin von Rechten des geistigen Eigentums an Stühlen, die von den inzwischen verstorbenen Eheleuten Charles und Ray Eames, Staats­an­ge­hörigen der Vereinigten Staaten von Amerika, entworfen wurden. Unter diesen Möbeln befindet sich u. a. der Dining Sidechair Wood, der im Rahmen eines vom Museum of Modern Art in New York (Vereinigte Staaten) ausge­schriebenen Wettbewerbs für Möbeldesign geschaffen und ab dem Jahr 1950 in diesem Museum ausgestellt wurde. Die Gesellschaft Kwantum, die in den Niederlanden und in Belgien eine Kette von Geschäften für Innenmobiliar betreibt, vermarktete einen Stuhl mit der Bezeichnung „Paris-Stuhl“ und missachtete dabei vorgeblich Urheberrechte von Vitra am Dining Sidechair Wood. Vitra rief die nieder­län­dischen Gerichte an, um u. a. die Unterlassung dieser Vermarktung zu erreichen.

"Klausel der materiellen Gegenseitigkeit" aus der Berner Übereinkunft anwendbar?

Vor diesem Hintergrund hat der Oberste Gerichtshof der Niederlande beschlossen, dem Gerichtshof Fragen zum Schutz nach der Richtlinie 2001/291 , Art. 17 Abs. 2 und Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen vorzulegen, der in der Union einem Werk der angewandten Kunst, das aus einem Drittstaat stammt und dessen Urheber nicht Staats­an­ge­höriger eines Mitgliedstaats ist, zugutekommen kann. Im Völkerrecht sieht die Berner Übereinkunft vor, dass Urheber, die Staats­an­ge­hörige der Unter­zeich­ner­länder sind, in den anderen Unter­zeich­ner­ländern grundsätzlich die gleichen Rechte genießen wie inländische Urheber. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz betrifft jedoch den Schutz von Werken der angewandten Kunst. Insoweit haben die Vertrags­parteien eine Klausel der materiellen Gegenseitigkeit geschaffen, nach der Werke der angewandten Kunst mit Ursprung in Ländern, in denen solche Werke nur als Muster oder Modelle geschützt werden, in den anderen Unter­zeich­ner­ländern keinen Anspruch auf Kumulierung dieses Schutzes mit dem Urheber­rechts­schutz haben. Insofern möchte der Oberste Gerichtshof der Niederlande mit seiner dem Gerichtshof vorgelegten Frage wissen, ob es den Mitgliedstaaten noch freisteht, die in der Berner Übereinkunft enthaltene Klausel der materiellen Gegenseitigkeit auf Werke der angewandten Kunst mit Ursprung in Drittstaaten anzuwenden, die diese Werke lediglich aufgrund einer besonderen Regelung schützen, auch wenn der Unions­ge­setzgeber eine solche Einschränkung nicht vorgesehen hat.

Unionsrecht geht vor

In seinem Urteil verneint der Gerichtshof dies: Im Anwen­dungs­bereich der Richtlinie 2001/29 sind die Mitgliedstaaten nicht mehr für die Umsetzung der einschlägigen Vorschriften der Berner Übereinkunft zuständig. Hierzu weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass eine Situation, in der eine Gesellschaft urheber­recht­lichen materiellen Anwen­dungs­bereich des Unionsrechts fällt, sofern dieser Gegenstand als „Werk“ im Sinne der Richtlinie 2001/29 eingestuft werden kann. Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass der Unions­ge­setzgeber beim Erlass dieser Richtlinie zwangsläufig sämtliche Werke berücksichtigt hat, deren Schutz im Gebiet der Union begehrt wird, und dass die Richtlinie im Übrigen kein Kriterium hinsichtlich des Ursprungslandes dieser Werke oder der Staats­an­ge­hö­rigkeit ihres Urhebers enthält.

Der Gerichtshof führt weiter aus, dass die Anwendung der in der Berner Übereinkunft enthaltenen Klausel der materiellen Gegenseitigkeit das Ziel der Richtlinie 2001/29, das in der Harmonisierung des Urheberrechts im Binnenmarkt liegt, untergraben würde, da durch die Anwendung dieser Klausel Werke der angewandten Kunst mit Ursprung in Drittstaaten in verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich behandelt werden könnten. Schließlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass, da die in Rede stehenden Rechte des geistigen Eigentums durch Art. 17 Abs. 2 der Charta geschützt sind, jede Einschränkung dieser Rechte gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta gesetzlich vorgesehen sein muss.

Es ist aber allein Sache des Unions­ge­setz­gebers, zu bestimmen, ob die Zuerkennung der in der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Rechte in der Union einzuschränken ist. Unter diesen Umständen kann sich ein Mitgliedstaat nicht auf die Berner Übereinkunft berufen, um von den Verpflichtungen aus der Richtlinie freigestellt zu werden. Ein Mitgliedstaat kann daher nicht abweichend von den Bestimmungen des Unionsrechts die in der Berner Übereinkunft enthaltene Klausel der materiellen Gegenseitigkeit auf ein Werk anwenden, dessen Ursprungsland die Vereinigten Staaten von Amerika sind.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union, ra-online (pm/ab)

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