23.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil30.01.2019

Schrittweises Verkaufsverbot von aromatisierten Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen gültigVerbot verstößt nicht gegen Gleich­be­handlung, Verhält­nis­mä­ßigkeit oder Grundsatz des freien Warenverkehrs

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass das unionsweite schrittweise Verbot von Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen, die Aromastoffe enthalten, gültig ist. Dieses Verbot verstößt weder gegen die Grundsätze der Rechts­si­cherheit, der Gleich­be­handlung und der Verhält­nis­mä­ßigkeit noch gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs.

Das deutsche Unternehmen Planta Tabak stellt Tabak­er­zeugnisse her und vertreibt sie, insbesondere aromatisierten Tabak zum Selbstdrehen. Das Unternehmen begehrte vor dem Verwal­tungs­gericht Berlin die Feststellung, dass bestimmte deutsche Rechts­vor­schriften*, die das Verbot von Aromen, die Schockfotos und das Verbot der Werbung für Aromen betreffen, auf seine Erzeugnisse nicht anwendbar sind. Mit diesen Vorschriften wird die Richtlinie von 2014** über Tabak­er­zeugnisse umgesetzt, deren Gültigkeit Planta Tabak bestreitet.

VG erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH

Da das Verwal­tungs­gericht Zweifel in Bezug auf die Gültigkeit und die Auslegung der einschlägigen Richt­li­ni­en­be­stim­mungen hatte, legte es dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Reihe von Fragen vor.

EuGH erklärt Verbot des Inver­kehr­bringens von aromatisiertem Tabak und Zigaretten für gültig

Mit seinem Urteil stellte der Gerichtshof fest, dass das Verbot des Inver­kehr­bringens, das für Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen mit einem charak­te­ris­tischen Aroma, deren unionsweite Verkaufsmengen weniger als 3 % dieser Kategorien darstellen, seit dem 20. Mai 2016 und in den übrigen Fällen ab dem 20. Mai 2020 gilt, gültig ist.

Kein Verstoß gegen Grundsatz der Rechts­si­cherheit

Der Umstand, dass die Richtlinie keine näheren Angaben dazu enthält, bei welchen Erzeugnissen die Verkaufsmengen 3 % oder mehr darstellen, und keine konkrete Verfahrensweise für ihre Bestimmung vorsieht, bedeutet nicht, dass die Richtlinie gegen den Grundsatz der Rechts­si­cherheit verstößt. Das Verfahren, um festzustellen, ob ein bestimmtes Tabakerzeugnis die 3 %-Grenze erreicht, ist im nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats zu regeln.

Unterscheidung anhand von Verkaufsmengen verstößt nicht gegen Grundsatz der Gleich­be­handlung

Die Unterscheidung anhand der Verkaufsmengen ist objektiv gerechtfertigt und verstößt daher nicht gegen den Grundsatz der Gleich­be­handlung. Der Unions­ge­setzgeber war nämlich berechtigt, schrittweise vorzugehen, um den Verbrauchern von Erzeugnissen mit hohen Verkaufsmengen ausreichend Zeit zu geben, zu anderen Erzeugnissen zu wechseln.

Verstoß gegen Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit ebenfalls verneint

Das Verbot des Inver­kehr­bringens von Tabak­er­zeug­nissen, die Aromastoffe enthalten, geht auch nicht offensichtlich über das hinaus, was zur Gewährleistung eines hohen Schutzes der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen, erforderlich ist, und verstößt daher nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es wird nämlich nicht bestritten, dass bestimmte Aromen insbesondere für junge Menschen attraktiv sind und den Einstieg in den Tabakkonsum erleichtern (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 04.05.2016 - C-358/14, C-477/14 und C-547/14 -).

Beschränkung des freien Warenverkehrs gerechtfertigt

Außerdem stellt das fragliche Verbot zwar eine Beschränkung des freien Warenverkehrs dar, die jedoch durch die Abwägung seiner wirtschaft­lichen Folgen gegen das Erfordernis, einen hohen Schutz der menschlichen Gesundheit zu gewährleisten, gerechtfertigt ist.

Mitglieds­s­taaten dürfen keine ergänzenden Überg­angs­fristen festlegen

Zu den Fristen für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht führte der Gerichtshof aus, dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, ergänzende Überg­angs­fristen neben den in der Richtlinie vorgesehenen Fristen festzulegen. Der Gerichtshof stellte hierzu fest, dass die Frist von zwei Jahren, über die die Mitgliedstaaten verfügten, um die zur Umsetzung der Richtlinie erforderlichen Bestimmungen zu erlassen und sicherzustellen, dass den betroffenen Wirtschafts­teil­nehmern ausreichend Zeit zur Anpassung an die Vorgaben der Richtlinie bleibt, im Hinblick auf den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit ausreicht.

Verwendung von Informationen über Geschmack, Geruch, Aroma- oder sonstige Zusatzstoffe verboten

Zum Verbot der Verwendung auf den Geschmack, Geruch, Aroma- oder sonstige Zusatzstoffe bezogener Informationen führt der Gerichtshof aus, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten aufgibt, die Verwendung solcher Informationen auch dann zu verbieten, wenn es sich um nicht werbliche Informationen handelt und die Verwendung der betreffenden Inhaltsstoffe weiterhin erlaubt ist. Der Unions­ge­setzgeber wollte nämlich nicht zwischen werblichen Informationen und nicht werblichen Informationen unterscheiden.

Verbote sollen Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten

In Bezug auf das Verbot, auf der Kennzeichnung der Packung und der Außenverpackung sowie dem Tabakerzeugnis selbst Marken anzubringen, die sich auf einen Aromastoff beziehen, stellt der Gerichtshof fest, dass diese Beschränkung nicht einem Entzug des Eigentumsrechts gleichkommt, sondern es lediglich einschränkt. Die Richtlinie lässt nämlich die Freiheit der Inhaber solcher Markennamen unberührt, sie in jeder anderen Weise zu nutzen, etwa beim Großhan­dels­verkauf. Außerdem ist dieses Verbot, da Tabak­er­zeugnisse, die Aromastoffe enthalten, den Einstieg in den Tabakkonsum erleichtern oder die Konsum­ge­wohn­heiten beeinflussen, geeignet, ihre Anziehungskraft zu verringern, und entspricht den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen, indem es dazu beiträgt, einen hohen Schutz der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten.

Erläuterungen

* Gesetz über Tabak­er­zeugnisse und verwandte Erzeugnisse vom 4. April 2016 (BGBl. 2016 I S. 569).

** Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwal­tungs­vor­schriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabak­er­zeug­nissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (ABl. 2014, L 127, S. 1, berichtigt im ABl. 2015, L 150, S. 24).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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