15.11.2024
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Dokument-Nr. 6388

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Urteil17.07.2008Gerichtshof der Europäischen UnionC-207/07
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil17.07.2008

EuGH verurteilt Spanien: Spanisches Geneh­mi­gungs­er­for­dernis bei Erwerb von Unternehmen im Energiesektor gemein­schafts­widrigVerstoß gegen Freiheit des Kapitalverkehrs und der Niederlassung

Spanien hat gegen das Gemein­schaftsrecht verstoßen, in dem es den Erwerb von Beteiligungen an Unternehmen des Energiesektors und von bestimmten Anlagen dieser Unternehmen von einer vorherigen Genehmigung durch die Strom- und Gaslie­fe­rungs­behörde abhängig gemacht hat. Die eingeführte Regelung über eine vorherige Genehmigung beeinträchtigt den freien Kapitalverkehr und die Nieder­las­sungs­freiheit und ist nicht durch das Ziel der Sicherheit der Energie­ver­sorgung gerechtfertigt.

Die Strom- und Gaslie­fe­rungs­behörde (CNE) ist das spanische Regulie­rungsorgan für den Betrieb der Energiesysteme. Seit 2006 können bestimmte Beteiligungen an Unternehmen, die der Regulierung unterliegenden Tätigkeiten im Energiesektor nachgehen, sowie die für solche Tätigkeiten notwendigen Anlagen nur nach vorheriger Genehmigung durch die CNE wirksam erworben werden. Spanien hat diese Regelung über eine vorherige Genehmigung insbesondere im Rahmen des von E.ON in Bezug auf das spanische Unternehmen Endesa abgegebenen öffentlichen Übernah­me­an­gebots sowie bei dem von Acciona und Enel in Bezug auf Endesa abgegebenen öffentlichen Übernah­me­angebot angewandt.

Kommission erhebt Vertrags­ver­let­zungsklage

Da die Kommission der Auffassung war, dass Spanien mit der Einführung dieser neuen Regelung gegen seine Verpflichtungen in Bezug auf den freien Kapitalverkehr und die Niederlassungsfreiheit verstoßen hat, hat sie im April 2007 beim Gerichtshof eine Vertrags­ver­let­zungsklage erhoben.

Der Gerichtshof befindet zunächst, dass die neue spanische Regelung über eine vorherige Genehmigung diese beiden Grundfreiheiten beschränkt. Zum einen stellt diese Regelung eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, da sie in anderen Mitgliedstaaten als Spanien niedergelassene Investoren vom Erwerb von Beteiligungen an im Energiesektor tätigen spanischen Unternehmen abhalten und somit den Erwerb von Beteiligungen an diesen Unternehmen verhindern oder einschränken kann. Zum anderen enthält diese neue Regelung eine Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit.

Beschränkungen sind bei zwingenden Gründen des Allge­mein­in­teresses, wie der öffentlichen Sicherheit möglich

Eine Regelung, die solche Beschränkungen enthält, kann jedoch aus im EG-Vertrag vorgesehenen Gründen oder aus zwingenden Gründen des Allge­mein­in­teresses, wie der öffentlichen Sicherheit, gerechtfertigt sein. Dafür muss sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen: Sie muss dazu geeignet sein, die Erreichung des im Allge­mein­in­teresse liegenden Ziels zu gewährleisten und in Bezug auf dieses Ziel verhältnismäßig sein.

Der Gerichtshof weist dazu darauf hin, dass der freie Kapitalverkehr und die Nieder­las­sungs­freiheit durch nationale Regelungen beschränkt werden können, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, soweit keine gemein­schaftliche Harmo­ni­sie­rungs­maßnahme vorliegt, die den Schutz dieses Interesses gewährleistet. Der Gerichtshof stellt fest, dass in Bezug auf die Sicherheit der Energie­ver­sorgung keine vollständige Harmonisierung vorliegt. Er erkennt außerdem an, dass das Ziel, im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats die Sicherheit der Energie­ver­sorgung zu gewährleisten, einen Grund der öffentlichen Sicherheit darstellen und gegebenenfalls eine Beschränkung der beiden Freiheiten rechtfertigen kann.

Der Gerichtshof weist jedoch darauf hin, dass eine Berufung auf die öffentliche Sicherheit nur im Fall einer tatsächlichen und hinreichend schweren Bedrohung möglich ist, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Der bloße Erwerb von Beteiligungen an Unternehmen, die bestimmten der Regulierung unterliegenden Tätigkeiten im Energiesektor nachgehen, sowie der Erwerb der für solche Tätigkeiten notwendigen Anlagen können grundsätzlich als solche nicht als tatsächliche und hinreichend schwere Bedrohung für die Sicherheit der Energie­ver­sorgung angesehen werden. Außerdem kann die eingeführte Regelung über eine vorherige Genehmigung, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Bedrohung für diese Versorgung nach Erteilung der Genehmigung für eine entsprechende Transaktion auftauchen sollte, nicht in allen Fällen sicherstellen, dass die Versor­gungs­si­cherheit gewährleistet ist. Der Gerichtshof kommt daher zu dem Schluss, dass Spanien nicht dargelegt hat, dass die eingeführte Regelung über die vorherige Genehmigung eine Maßnahme darstellt, die dazu geeignet ist, die Verwirklichung des vom spanischen Gesetzgeber angestrebten Ziels der Sicherheit der Energie­ver­sorgung zu gewährleisten.

EuGH: Ermächtigung der CNE ist nicht verhältnismäßig

Jedenfalls steht nach Ansicht des Gerichtshofs die spanische Regelung über die vorherige Genehmigung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ziel, die Sicherheit der Energie­ver­sorgung zu gewährleisten. Zum einen begrenzt diese Regelung nämlich die Befugnis der CNE, den vorstehend genannten Erwerb von Beteiligungen oder Anlagen zu untersagen oder von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen, nicht auf den Grund, das Ziel der Sicherheit der Energie­ver­sorgung zu gewährleisten. Diese Regelung ermächtigt die CNE vielmehr, auch andere Ziele der Energiepolitik zu berücksichtigen, die nicht notwen­di­gerweise mit der Sicherheit der Energie­ver­sorgung im Zusammenhang stehen. Zum anderen stellt der Gerichtshof fest, dass Spanien nicht dargelegt hat, dass das verfolgte Ziel nicht durch weniger restriktive Maßnahmen erreicht werden könnte, insbesondere durch ein System nachträglicher Erklärungen.

Kaum kontrol­lierbarer Ermes­sens­spielraum birgt die Gefahr von Diskri­mi­nie­rungen

Schließlich muss eine Regelung über eine vorherige Genehmigung auf objektiven, nicht­dis­kri­mi­nie­renden und den betroffenen Unternehmen im Voraus bekannten Kriterien beruhen. Außerdem muss jedem, der von einer solchen einschränkenden Maßnahme betroffen ist, der Rechtsweg offen stehen. Im vorliegenden Fall sind die Vorschriften, in denen die Gründe festgelegt sind, aus denen die CNE befugt ist, die Genehmigung des Erwerbs einer Beteiligung an einem Unternehmen, das der Regulierung unterliegenden Tätigkeiten im Energiesektor nachgeht, oder von für solche Tätigkeiten notwendigen Anlagen zu verweigern oder von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen, allgemein und ungenau formuliert. Der Gerichtshof ist daher der Ansicht, dass die eingeführte Regelung über die vorherige Genehmigung der Verwaltung einen durch die Gerichte kaum kontrol­lierbaren Ermes­sens­spielraum einräumt, der die Gefahr von Diskri­mi­nie­rungen mit sich bringt. Der Gerichtshof stellt daher fest, dass Spanien gegen seine Verpflichtungen in Bezug auf die Grundsätze des freien Kapitalverkehrs und der Nieder­las­sungs­freiheit verstoßen hat, indem es die Vorschriften über die neue Aufgabe der CNE erlassen hat.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 54/08 des EuGH vom 17.07.2008

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