21.11.2024
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Dokument-Nr. 8128

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Urteil09.07.2009Gerichtshof der Europäischen UnionC-204/08
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • RRa 2009, 234Zeitschrift: Reiserecht aktuell (RRa), Jahrgang: 2009, Seite: 234
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ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil09.07.2009

EuGH zur gerichtlichen Zuständigkeit bei Ansprüchen von Passagieren aufgrund von Flugan­nul­lie­rungenFluggast kann bei gerichtlicher Zuständigkeit frei zwischen An- und Abflugsort wählen

Die Fluggäste eines Inner­ge­mein­schaft­lichen Fluges können ihre Klage auf pauschalen Ausgleich im Fall einer Annullierung beim Gericht des Abflugortes oder des Ankunftsortes erheben. Ausschlaggebend für die Wahl des zuständigen Gerichts sind weder der Ort des Geschäftssitzes der Gesellschaft, die den Flug durchführt, noch der Ort, an dem der Vertrag über die Beförderung im Luftverkehr geschlossen wurde. Die hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Die Klage eines Fluggasts auf Ausgleichs­zah­lungen infolge der Annullierung seines Fluges gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, die Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit im Bereich des Luftverkehrs zu präzisieren.

Frage der gerichtlichen Zuständigkeit

Die Verordnung über Ausgleichs- und Unter­stüt­zungs­leis­tungen für Fluggäste sieht vor, dass Fluggäste bei Annullierung eines Fluges eine pauschale Ausgleichs­zahlung zwischen 250 und 600 Euro erhalten können. Weigert sich bei einem inner­ge­mein­schaft­lichen Flug die Flugge­sell­schaft, den pauschalen Ausgleich zu zahlen, so stellt sich die Frage, ob der betroffene Fluggast nach der Gemein­schafts­ver­ordnung über die gerichtliche Zuständigkeit neben dem Gericht, in dessen Zustän­dig­keits­bereich sich der Geschäftssitz dieser Gesellschaft befindet, auch ein Gericht in einem anderen Mitgliedstaat anrufen kann.

Sachverhalt

Herr Rehder, der seinen Wohnsitz in München hat, hatte bei Air Baltic, deren Geschäftssitz sich in Riga (Lettland) befindet, einen Flug von München nach Vilnius gebucht. Etwa 30 Minuten vor dem geplanten Start in München wurden die Fluggäste über die Annullierung ihres Fluges unterrichtet. Nach entsprechender Umbuchung durch Air Baltic flog der Kläger über Kopenhagen nach Vilnius.

Mit Klage beim Amtsgericht Erding, in dessen Zustän­dig­keits­bereich der Flughafen München liegt, begehrte Herr Rehder, Air Baltic zu verurteilen, ihm nach der Verordnung über Ausgleichs- und Unter­stüt­zungs­leis­tungen für Fluggäste Ausgleich in Höhe von 250 Euro zu zahlen.

Das Amtsgericht Erding erklärte sich für die Klage von Herrn Rehder auf Ausgleichs­zahlung für zuständig und begründete dies damit, dass Dienst­leis­tungen im Luftverkehr am Abflugort erbracht würden, dass also der Ort des Abflug­flug­hafens der Erfüllungsort der vertraglichen Verpflichtung im Sinne der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit sei.

Nachdem diese Entscheidung auf die von Air Baltic eingelegte Berufung hin mit der Begründung aufgehoben worden war, dass das Gericht des Geschäftssitzes der Flugge­sell­schaft zuständig sei, rief Herr Rehder den Bundes­ge­richtshof an. Diesem stellt sich die Frage, ob nicht die speziell für Verträge vorgesehene gerichtliche Zuständigkeit bei Rechtss­trei­tig­keiten aufgrund eines Vertrags über eine Beförderung im internationalen Luftverkehr grundsätzlich an einem Erfüllungsort zu konzentrieren sei.

Zuständig ist der Ort, an dem engste Verbindung zwischen Vertrag und zuständigem Gericht besteht

In seinem Urteil führt der Gerichtshof aus, dass im Fall mehrerer, in verschiedenen Mitgliedstaaten gelegener Orte, an denen die Dienst­leis­tungen erbracht werden, der Ort zu bestimmen ist, an dem die engste Verknüpfung zwischen dem fraglichen Vertrag und dem zuständigen Gericht besteht, insbesondere der Ort, an dem nach dem Vertrag die Haupt­dienst­leistung zu erbringen ist.

Der Ort des Sitzes oder der Haupt­nie­der­lassung der betroffenen Flugge­sell­schaft weist nicht die erforderliche enge Verbindung mit dem Vertrag auf. Die Operationen und Handlungen, die von diesem Ort aus unternommen werden, wie etwa die Bereitstellung eines angemessenen Flugzeugs mit entsprechender Besatzung, stellen nämlich logistische Vorbe­rei­tungs­hand­lungen für die Durchführung des Vertrags über die Beförderung im Luftverkehr dar und keine Dienst­leis­tungen, deren Erbringung in Zusammenhang mit dem Inhalt des Vertrags im eigentlichen Sinne stünde. Ebenso verhält es sich mit dem Ort, an dem der Vertrag über die Beförderung im Luftverkehr abgeschlossen wurde, und dem der Aushändigung des Flugscheins.

Zu erfüllenden Dienst­leis­tungen

Bei den Dienst­leis­tungen, die in Erfüllung der Verpflichtungen aus einem Vertrag über die Beförderung von Personen im Luftverkehr erbracht werden, handelt es sich nämlich um die Abfertigung und das Anbordgehen der Fluggäste sowie ihren Empfang an Bord des Flugzeugs an dem im fraglichen Beför­de­rungs­vertrag vereinbarten Abflugort, den Start der Maschine zur vorgesehenen Zeit, die Beförderung der Fluggäste und ihres Gepäcks vom Abflugort zum Zielort, die Betreuung der Fluggäste während des Fluges und schließlich das sichere Verlassen des Flugzeugs durch die Fluggäste am Ort der Landung zur im Vertrag vereinbarten Zeit.

An- und Abflugsort haben gleichen Stellenwert

Die einzigen Orte, die eine unmittelbare Verbindung zu den genannten Dienst­leis­tungen aufweisen, die in Erfüllung der Verpflichtungen entsprechend dem Gegenstand des Vertrags erbracht werden, sind der Ort des Abflugs und der Ort der Ankunft des Flugzeugs, wobei unter den Begriffen „Ort des Abflugs und Ort der Ankunft“ die Orte zu verstehen sind, die in dem fraglichen, mit einer einzigen Flugge­sell­schaft, dem ausführenden Luftfahrt­un­ter­nehmen, geschlossenen Vertrag vereinbart wurden.

Jeder dieser beiden Orte weist eine hinreichende Nähe zum Sachverhalt des Rechtsstreits auf, so dass an beiden Orten die enge Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zuständigen Gericht besteht. Folglich kann eine Klage auf Ausgleichs­zahlung aufgrund der Annullierung eines Fluges nach Wahl des betroffenen Fluggasts bei dem Gericht, in dessen Zustän­dig­keits­bereich der Abflugort liegt, oder bei dem für den Ankunftsort zuständigen Gericht erhoben werden.

Quelle: ra-online, EuGH

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