18.10.2024
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Sie sehen ein Flugzeug am Himmel.

Dokument-Nr. 10900

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Urteil18.01.2011BundesgerichtshofX ZR 71/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DAR 2011, 201Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2011, Seite: 201
  • MDR 2011, 382Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2011, Seite: 382
  • NJW 2011, 2056Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2011, Seite: 2056
  • RRa 2011, 79Zeitschrift: Reiserecht aktuell (RRa), Jahrgang: 2011, Seite: 79
  • TranspR 2011, 196Zeitschrift für Transportrecht (TranspR), Jahrgang: 2011, Seite: 196
  • VuR 2011, 228Zeitschrift: Verbraucher und Recht (VuR), Jahrgang: 2011, Seite: 228
  • WM 2011, 427Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2011, Seite: 427
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil22.04.2009, 29 C 2033/08 - 73
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil22.04.2010, 16 U 84/09
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil18.01.2011

Abflug vom Deutschen Flughafen – Bei Flugan­nul­lierung besteht Entschä­di­gungs­an­spruch auch gegen US-FluglinieBGH zur gerichtlichen Zuständigkeit für Klage auf Ausgleichs­zahlung nach EU-Flugga­st­rech­te­ver­ordnung

Der Bundes­ge­richtshof hatte über die gerichtliche Zuständigkeit für Klagen auf Ausgleichs­zahlung nach der EU-Flugga­st­rech­te­ver­ordnung gegen ein Luftfahrt­un­ter­nehmen, das seinen Sitz nicht in der Europäischen Union hat, zu entscheiden.

Die Kläger des zugrunde liegenden Falls verlangen von dem beklagten Luftfahrt­un­ter­nehmen, das seinen Hauptsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika hat, u. a. eine Ausgleich­zahlung in Höhe von jeweils 600 Euro nach Artikel 5 und 7 der EU-Flugga­st­rech­te­ver­ordnung.* Die Kläger buchten bei der Beklagten einen Flug von Frankfurt am Main in die USA. Wegen eines Defekts des Flugzeugs wurde der Flug jedoch annulliert und die Kläger konnten erst am nächsten Tag in die USA fliegen.

Amtsgericht verneint, Landgericht bejaht gerichtliche Zuständigkeit

Das Amtsgericht Frankfurt am Main wies die Klage ab, weil es sich für international nicht zuständig gehalten hat. Das Berufungs­gericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte hingegen bejaht und das beklagte Luftfahrt­un­ter­nehmen zur Ausgleichs­zahlung nebst Zinsen verurteilt. Gegen das Berufungsurteil hat das beklagte Luftfahrt­un­ter­nehmen Revision eingelegt.

Bei geplantem Abflug aus Deutschland sind hiesige Gerichte für Klagen auf Ausgleichs­zahlung zuständig

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision in der Hauptsache zurückgewiesen. Wenn ein Luftfahrt­un­ter­nehmen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union gestützt auf die EU-Flugga­st­rech­te­ver­ordnung auf Ausgleichs­zahlung in Anspruch genommen wird, sind bei einem geplanten Abflug aus Deutschland die hiesigen Gerichte zuständig. Die internationale Zuständigkeit ist in diesem Fall zwar regelmäßig nicht nach Unionsrecht und daher nicht nach der EU-Zustän­dig­keits­ver­ord­nung** zu bestimmen. Entscheidend sind vielmehr die Zustän­dig­keits­regeln der Zivil­pro­zess­ordnung (ZPO). In Fällen, in denen - wie hier - der vertragsgemäße Abflug von einem Flughafen in Deutschland erfolgen sollte, besteht für den Anspruch auf Ausgleichs­zahlung nach der EU-Flugga­st­rech­te­ver­ordnung an diesem Ort der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes im Sinne des § 29 Absatz 1 ZPO***. Der Anspruch auf Ausgleichs­zahlung ist nach Unionsrecht ausgestaltet und damit unabhängig von der der Beförderung zugrunde liegenden vertraglichen Beziehung. Daher ist die Frage, wo die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist, anhand unions­recht­licher und nicht nach vertrags­recht­lichen Maßstäben zu beantworten. Zur Bestimmung des Erfüllungsortes ist deshalb der Rechtsgedanke von Artikel 5 Nr. 1 Buchst. b, 2. Spiegelstrich der EU-Zustän­dig­keits­ver­ordnung heranzuziehen. Danach kann die Klage auf Ausgleichs­zahlung gestützt auf die EU-Flugga­st­rech­te­ver­ordnung am Ort der vertragsgemäßen Leistungs­er­bringung und damit auch am Abflugort erhoben werden.

Erläuterungen
(Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unter­stüt­zungs­leis­tungen für Fluggäste im Fall der Nicht­be­för­derung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 [Auszug]

Artikel 5

Annullierung

(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

[…]

c) vom ausführenden Luftfahrt­un­ter­nehmen ein Anspruch auf Ausgleichs­leis­tungen gemäß Artikel 7 eingeräumt …

Artikel 7

Ausgleichsanspruch

(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichs­zah­lungen in folgender Höhe:

a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger,

b) 400 EUR bei allen inner­ge­mein­schaft­lichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km

c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen …

**Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

Artikel 5

Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

1. […]

b) im Sinne dieser Vorschrift - und sofern nichts anderes vereinbart worden ist - ist der Erfüllungsort der Verpflichtung

- für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;

- für die Erbringung von Dienst­leis­tungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen

[…]

***Zi­vil­pro­zess­ordnung [Auszug]

§ 29 Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts

(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertrags­ver­hältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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