21.11.2024
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Dokument-Nr. 17510

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Urteil15.01.2014Gerichtshof der Europäischen UnionC-176/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NZA 2014, 193Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 2014, Seite: 193
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ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil15.01.2014

EU-Grund­recht­echarta: Partei eines privaten Rechtsstreits kann sich nicht auf EU-Grund­recht­echarta berufenGewerkschaften machen geltend, dass der im französischen Recht vorgesehene Ausschluss nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist

Art. 27 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer betrifft, reicht für sich allein nicht aus, um dem Einzelnen ein Recht zu verleihen, das geltend gemacht werden kann, um eine dem Unionsrecht entge­gen­stehende nationale Bestimmung unangewendet zu lassen. Die Konkretisierung dieses Rechts durch Bestimmungen des Unionsrechts oder des nationalen Rechts ändert nichts an dieser Beurteilung. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Art. 27 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union regelt das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer. Die Richtlinie 2002/14 konkretisiert dieses Recht, indem sie Minde­st­an­for­de­rungen festlegt. So müssen ab einem bestimmten Schwellenwert der Beschäf­tig­tenzahl eines Unternehmens Beleg­schafts­ver­treter gewählt werden oder ein Gewerk­schafts­ver­treter ernannt und ein Betriebsrat eingesetzt werden. Frankreich hat im Zuge der Umsetzung dieser Richtlinie insbesondere vorgesehen, dass bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern (Lehrlinge, im Rahmen eines Beschäf­ti­gungs­i­n­i­tia­tiv­vertrags Beschäftigte usw.) bei der Berechnung der Beschäf­tig­tenzahl des Unternehmens unberück­sichtigt bleiben.

Gerichtshof soll Anwen­dungs­breich des Art. 27 der Charta festlegen

Die Association de médiation sociale (AMS) wendet sich gegen die Ernennung eines Gewerk­schafts­ver­treters in der Vereinigung mit der Begründung, dass ihre Beschäf­tig­tenzahl unter Berück­sich­tigung der in den französischen Rechts­vor­schriften vorgesehenen Ausschlüsse unter dem in Frankreich geltenden Mindest­schwel­lenwert für die Ernennung von Beleg­schafts­ver­tretern liege. Herr Laboubi (der ernannte Gewerk­schafts­ver­treter) sowie die Gewerkschaften machen geltend, dass der im französischen Recht vorgesehene Ausschluss nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Die Cour de Cassation (Frankreich), bei der die AMS ein Rechtsmittel eingelegt hat, wendet sich an den Gerichtshof zur Klärung der Frage, ob der durch die Bestimmungen der Richtlinie 2002/14 konkretisierte Art. 27 der Charta in einem Rechtsstreit zwischen Privaten geltend gemacht werden kann, um die Anwendung einer dem Unionsrecht entge­gen­ste­henden nationalen Bestimmung auszuschließen.

Bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern dürfen bei Berechnung der Beschäf­tig­tenzahl nicht ausgeschlossen werden

Der Gerichtshof bestätigt, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2002/14 es verbieten, bei der Berechnung der Beschäf­tig­tenzahl des Unternehmens bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern auszuschließen. Denn ein solcher Ausschluss hat zur Folge, dass den Arbeitnehmern die von der Richtlinie 2002/14 zuerkannten Rechte vorenthalten werden, und nimmt der Richtlinie ihre praktische Wirksamkeit.

Sachver­halt­s­än­derung bei Ausgangs­rechtsstreit unter Privatleuten

Der Gerichtshof prüft sodann, ob sich die Gewerkschaften auf die Richtlinie 2002/14 berufen können, um deren unzulängliche Umsetzung zu beanstanden. Dabei erinnert der Gerichtshof daran, dass eine Richtlinie in all den Fällen unmittelbare Wirkung entfaltet, in denen die einschlägigen Bestimmungen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind. Der Gerichtshof stellt fest, dass dies im vorliegenden Fall gegeben ist, da die Richtlinie 2002/14 vorschreibt, dass die Mitgliedstaaten bei der Berechnung der Beschäf­tig­tenzahl nicht bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern unberück­sichtigt lassen dürfen. Der Gerichtshof weist jedoch darauf hin, dass sich im Ausgangs­rechtsstreit Private gegenüberstehen, so dass sich die Gewerkschaften gegenüber der AMS nicht auf die Bestimmungen der Richtlinie 2002/14 als solche berufen können, und dass das nationale Gesetz zudem nicht richt­li­ni­en­konform ausgelegt werden kann.

Art. 27 der Charta reicht für sich allein nicht aus, um dem Einzelnen ein Recht zu verleihen

Unter diesen Umständen prüft der Gerichtshof weiter, ob Art. 27 der Charta für sich genommen oder in Verbindung mit den Bestimmungen der Richtlinie 2002/14 in einem Rechtsstreit zwischen Privaten geltend gemacht werden kann, um zur Schluss­fol­gerung zu gelangen, dass die nicht konforme nationale Bestimmung unangewendet zu lassen ist. Art. 27 der Charta findet zwar auf die vorliegende Rechtssache Anwendung, muss aber, so der Gerichtshof, durch Bestimmungen des Unionsrechts oder des nationalen Rechts konkretisiert werden, damit er seine volle Wirksamkeit entfaltet. Denn das Verbot, bei der Berechnung der Beschäf­tig­tenzahl des Unternehmens eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern auszuschließen, lässt sich als unmittelbar anwendbare Rechtsnorm nicht aus dem Wortlaut des Art. 27 der Charta herleiten. Mit anderen Worten reicht Art. 27 der Charta für sich allein nicht aus, um dem Einzelnen ein Recht zu verleihen, das dieser als solches geltend machen kann. Nach Ansicht des Gerichtshofs gilt dies ebenso bei einer Zusammenschau dieses Artikels mit den Bestimmungen der Richtlinie 2002/14.

Geschädigte Partei kann Schadensersatz fordern

Der Gerichtshof erinnert schließlich daran, dass eine durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geschädigte Partei gegebenenfalls Ersatz des entstandenen Schadens erlangen kann.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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