15.11.2024
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Dokument-Nr. 11621

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil12.05.2011

EuGH bestätigt Gültigkeit der Richtlinie über Flugha­fenentgelteAls Eintrittsort in den Mitgliedsstaat anzusehende Flughäfen genießen privilegierte Stellung gegenüber Flugge­sell­schaften und fallen somit unter die Richtlinie über Flugha­fenentgelte

Der Flughafen Luxemburg-Findel fällt unter die Richtlinie über Flugha­fenentgelte, da er die meisten Fluggast­be­we­gungen pro Jahr aufweist und eine privilegierte Stellung als Einreiseort in diesen Mitgliedstaat hat. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.

Luxemburg hatte beim Gerichtshof eine Klage auf Teilnich­ti­g­er­klärung der Richtlinie 2009/12/EG erhoben, mit der gemeinsame Grundsätze für die Erhebung von Entgelten1 festgelegt werden, die Flugge­sell­schaften auf Flughäfen der Europäischen Union zahlen2. Die Richtlinie findet Anwendung auf Flughäfen, die für den gewerblichen Verkehr geöffnet sind und jährlich mehr als 5 Millionen Fluggast­be­we­gungen aufweisen, sowie, wenn in einem Mitgliedstaat kein Flughafen diese Schwelle erreicht, auf den Flughafen mit den meisten Fluggast­be­we­gungen, der als Einreiseort in diesen Mitgliedstaat eine privilegierte Stellung hat.

Flugha­fenentgelte dürfen keine Diskriminierung zwischen Flugha­fen­nutzern beinhalten

Nach dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Flugha­fenentgelte keine Diskriminierung zwischen Flugha­fen­nutzern (den Flugge­sell­schaften) beinhalten. Es ist ein verbindliches Verfahren für regelmäßig (mindestens einmal jährlich) durchzuführende Konsultationen zwischen dem Flugha­fen­lei­tungsorgan und Flugha­fen­nutzern oder den Vertretern oder Verbänden von Flugha­fen­nutzern bezüglich der Durchführung der Regelung, der Höhe der Flugha­fenentgelte und gegebenenfalls der Qualität der Dienst­leis­tungen einzurichten.

Luxemburg hält Anwendung der Richtlinie für Flughafen Luxemburg-Findel für ungerecht­fertigt

Luxemburg wandte sich dagegen, dass der einzige Flughafen dieses Staates, Luxemburg-Findel, mit einem jährlichen Verkehr­s­auf­kommen von 1,7 Mio. Fluggast­be­we­gungen, den administrativen und finanziellen Verpflichtungen aus dieser Richtlinie unterliegen soll, während andere nahe gelegene Regio­na­l­flughäfen nicht in den Anwen­dungs­bereich der Richtlinie fallen, obwohl sie ein höheres Verkehr­s­auf­kommen aufweisen. Als Beispiele führte Luxemburg die Flughäfen Charleroi (Belgien) und Hahn (Deutschland) mit einem Verkehr­s­auf­kommen von 2,9 bzw. 4 Mio. Fluggast­be­we­gungen jährlich sowie Bordeaux (Frankreich) und Turin (Italien) an, die in der Nähe eines städtischen Ballungs­zentrums einer gewissen Größe oder Wirtschaftskraft liegen und jährlich 3,4 bzw. 3,5 Mio. Fluggast­be­we­gungen verzeichnen.

Luxemburg verneint Gefahr des Missbrauchs der beherrschenden Stellung für die in den Anwen­dungs­bereich fallenden Flughäfen

Die Richtlinie solle zwar, so Luxemburg, die Gefahr ausräumen, dass die in ihren Anwen­dungs­bereich fallenden Flughäfen ihre beherrschende Stellung missbrauchten. Beim Flughafen Findel, der im Gegenteil mit den benachbarten Flughäfen Hahn (Deutschland) oder Charleroi (Belgien), die Billig­flug­ge­sell­schaften aufnähmen, und Drehkreuz­flughäfen („hubs“) wie Frankfurt (Deutschland) oder Brüssel (Belgien) im Wettbewerb stehe, bestehe diese Gefahr aber nicht.

Luxemburg macht Verstoß gegen Gleich­be­hand­lungs­grundsatz geltend

Neben einem Verstoß gegen den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz durch Ungleich­be­handlung vergleichbarer Sachverhalte – der Flughafen Findel falle unter die Richtlinie, während Regio­na­l­flughäfen derselben Größe nicht erfasst würden – macht Luxemburg auch einen Verstoß gegen den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz geltend, der darin liege, dass der Flughafen Luxemburg-Findel mit den Flughäfen, deren jährliches Verkehr­s­auf­kommen 5 Mio. Fluggast­be­we­gungen übersteige, gleichbehandelt werde, obwohl er weder die gleiche Machtposition gegenüber den Flugge­sell­schaften noch die gleiche Wirtschaftskraft wie diese Flughäfen habe.

Flughafen Luxemburg-Findel genießt als „Eintrittsort“ in Mitgliedstaat privilegierte Stellung im Sinne der Richtlinie

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof der Europäischen Union fest, dass beim Flughafen Luxemburg-Findel davon auszugehen ist, dass er als „Eintrittsort“ in diesen Mitgliedstaat im Sinne der Richtlinie eine privilegierte Stellung genießt. Es verstößt daher nicht gegen den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz, dass er in ihren Anwen­dungs­bereich fällt.

Regelungen der Richtlinie sehen nur zwei Kategorien von Flughäfen vor

Der Gerichtshof führt aus, dass es der Unions­ge­setzgeber beim Erlass der Richtlinie nicht für erforderlich gehalten hat, sämtliche Flughäfen der Union einzubeziehen, sondern dass nur zwei Kategorien von Flughäfen unter die Richtlinie fallen sollten, nämlich diejenigen, die die Mindestgröße von 5 Mio. Fluggast­be­we­gungen überschreiten, und diejenigen – wie der Flughafen Luxemburg-Findel – mit den meisten Fluggast­be­we­gungen pro Jahr in den Mitgliedstaaten, in denen kein Flughafen diese Mindestgröße erreicht. Mit dem Erlass dieses gemeinsamen Rahmens wollte der Unions­ge­setzgeber erreichen, dass bestimmte grundlegende Anforderungen, wie die Transparenz der Entgelte, die Konsultation und die Gleich­be­handlung der Flugge­sell­schaften, eingehalten werden.

Flughafen mit den meisten Fluggast­be­we­gungen pro Jahr sind als Eintrittsort in den betreffenden Mitgliedstaat anzusehen

Nachdem er die Lage der Hauptflughäfen hinsichtlich ihrer Beziehung zu den Flugge­sell­schaften geprüft hat, stellt der Gerichtshof fest, dass in den Mitgliedstaaten, in denen kein Flughafen die in der Richtlinie vorgesehene Mindestgröße erreicht, der Flughafen mit den meisten Fluggast­be­we­gungen pro Jahr als Eintrittsort in den betreffenden Mitgliedstaat anzusehen ist, was ihm eine privilegierte Stellung gegenüber den Flugge­sell­schaften verschafft. Diese Hauptflughäfen liegen nämlich in der Regel in der Nähe eines großen politischen und/oder wirtschaft­lichen Zentrums und ziehen überwiegend Geschäftskunden an, für die der Flugscheinpreis nur ein Kriterium unter anderen ist und die besonders auf die Lage des Flughafens, seine Verkehr­s­an­bindung und die Qualität der erbrachten Dienst­leis­tungen achten. Hinsichtlich dieses mittleren und oberen Marktsegments haben die Flugge­sell­schaften daher ein großes strategisches Interesse daran, Flüge von und nach einem Hauptflughafen wie Luxemburg- Findel – und nicht nach einem Nebenflughafen wie Hahn – anzubieten, ohne dass die Höhe der Flugha­fenentgelte oder die genaue Zahl der jährlichen Fluggast­be­we­gungen dabei als entscheidende Kriterien angesehen werden könnten.

Hauptflughafen unterliegt bei Entgelt­fest­setzung Verpflichtungen aus der Richtlinie

Als Hauptflughafen muss der Flughafen Luxemburg-Findel daher den Verpflichtungen aus der Richtlinie im Hinblick auf die Gefahr der missbräuch­lichen Ausnutzung seiner privilegierten Stellung bei der Entgelt­fest­setzung unterliegen.

Nebenflughäfen verfolgen andere Strategie und befinden sich in anderer Lage als Hauptflughäfen

Dagegen können die – nicht den Verpflichtungen aus der Richtlinie unterliegenden Nebenflughäfen – grundsätzlich nicht als „Eintrittsort“ im Sinne der Richtlinie angesehen werden, und zwar unabhängig von der Zahl der jährlichen Fluggast­be­we­gungen und auch dann, wenn manche von ihnen, wie die Flughäfen Bordeaux und Turin, in der Nähe eines städtischen Ballungs­zentrums liegen. Außerdem können sich diese Nebenflughäfen, insbesondere diejenigen, die nicht in der Nähe eines städtischen Ballungs­zentrums liegen, als für die so genannten „Low cost“-Flugge­sell­schaften interessanter erweisen. Diese Flugge­sell­schaften, die grundsätzlich eine andere Strategie verfolgen, wenden sich nämlich an eine Kundschaft, die ein höheres Flugpreis­be­wusstsein als die Geschäfts­kund­schaft hat und eher bereit ist, längere Transfers zwischen der jeweiligen Stadt und dem Flughafen in Kauf zu nehmen. Unter diesen Umständen hat der Unions­ge­setzgeber keinen offen­sicht­lichen Beurtei­lungs­fehler begangen und auch nicht die Grenzen seiner Befugnis überschritten, als er angenommen hat, dass sich die Nebenflughäfen nicht in der gleichen Lage befinden wie die Hauptflughäfen.

Privilegierte Stellung des Flughafens rechtfertigt Anwendung der Richtlinie

Außerdem bedeutet die Tatsache, dass sich die Lage eines Flughafens wie Findel von derjenigen der Flughäfen mit über 5 Mio. Fluggast­be­we­gungen pro Jahr unterscheidet, nicht, dass es gegen den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz verstößt, beide Kategorien von Flughäfen denselben Trans­pa­renz­pflichten zu unterwerfen, die in der Richtlinie in Bezug auf die Entgelte vorgesehen sind. Dass diese Flughäfen eine privilegierte Stellung gegenüber den Flugge­sell­schaften genießen, rechtfertigt somit die Anwendung der Richtlinie.

Durch die Einführung der Richtlinie ergebender Aufwand steht im Verhältnis zum Nutzen

In diesem Zusammenhang ist der mit der Richtlinie aufgestellte Rahmen gemeinsamer Grundsätze geeignet und zur Erreichung ihres Ziels erforderlich. Was die Verhält­nis­mä­ßigkeit betrifft, steht der Aufwand, der sich aus der mit der Richtlinie eingeführten Regelung ergibt, nicht offensichtlich außer Verhältnis zu ihrem Nutzen. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die von Luxemburg beanstandeten Kosten des mit der Richtlinie eingeführten und für Findel verbindlichen Konsul­ta­ti­o­ns­ver­fahrens dazu führen könnten, dass Flugge­sell­schaften diesen Flughafen verlassen. Zum Subsi­dia­ri­täts­prinzip stellt der Gerichtshof fest, dass der Unions­ge­setzgeber es zu Recht nicht für erforderlich erachtet hat, Flughäfen mit weniger als 5 Mio. Fluggast­be­we­gungen pro Jahr in den Anwen­dungs­bereich dieser Richtlinie einzubeziehen, wenn sie nicht der Hauptflughafen ihres Mitgliedstaats sind.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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