14.11.2024
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Dokument-Nr. 8778

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Urteil17.11.2009Gerichtshof der Europäischen UnionC-169/08
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil17.11.2009

EuGH erklärt sardische Regionalsteuer auf Landungen von Privat­flug­zeugen und Freizeitbooten für gemein­schafts­rechts­widrigSteuer behandelt Gebiets­an­sässige und Gebietsfremde unterschiedlich

Die sardische Regionalsteuer auf zu touristischen Zwecken durchgeführte Landungen von Flugzeugen und Booten, die von Personen mit steuerlichem Wohnsitz außerhalb der Region erhoben wird, verstößt gegen das Gemein­schaftsrecht. Sie verstößt gegen den Grundsatz der Dienst­leis­tungs­freiheit und stellt eine staatliche Beihilfe dar.

Mit einem Steuergesetz der Region Sardinien (Gesetz Nr. 4 vom 11. Mai 2006) wurde ab 2006 eine regionale Steuer auf zu touristischen Zwecken durchgeführte Landungen von zum privaten Transport von Personen bestimmten Flugzeugen und von Freizeitbooten mit einer Länge von über 14 Metern eingeführt. Die Steuer wird von natürlichen oder juristischen Personen mit steuerlichem Wohnsitz außerhalb des Gebiets der Region erhoben.

Im Rahmen von zwei Klagen, die der Präsident des italienischen Ministerrats gegen dieses Gesetz erhoben hat, hat das italienische Verfas­sungs­gericht, das einen Verstoß gegen die Gemein­schafts­regeln über die Dienst­leis­tungs­freiheit und den freien Wettbewerb für möglich hält, dem Gerichtshof sein erstes Vorab­ent­schei­dungs­er­suchen vorgelegt.

Verstoß gegen die Grundsätze der Dienst­leis­tungs­freiheit

Bei Booten findet die Steuer auf Unternehmen Anwendung, die Beförderungen entgeltlich oder unentgeltlich durchführen. Bei Flugzeugen ist die Steuer hingegen nur von den Unternehmen zu zahlen, die Lufttransporte unentgeltlich, aber zu Zwecken der eigenen Geschäft­s­tä­tigkeit durchführen.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass, auch wenn die Steuer auf Flugzeuge nicht die Beför­de­rungs­leis­tungen betrifft, dies nicht bedeutet, dass sie keinen Bezug zur Dienst­leis­tungs­freiheit aufweist. Denn der Begriff „Dienstleistung“ findet zwar grundsätzlich nur auf entgeltlich erbrachte Leistungen Anwendung, er schließt jedoch auch die Freiheit der Leistungs­emp­fänger ein, sich in den Mitgliedstaat zu begeben, in dem sich der Leistende aufhält, um dort eine Vielzahl von Dienst­leis­tungen (wie diejenigen, die auf Flugplätzen und in Häfen erbracht werden) in Anspruch zu nehmen. Die Landung als Steuer­tat­bestand ist in diesem Sinne eine notwendige Voraussetzung für die Inanspruchnahme anderer Dienst­leis­tungen als derjenigen, die unentgeltlich erbracht wird.

Die Dienst­leis­tungen, auf die sich die regionale Landungssteuer auswirkt, können somit grenz­über­schrei­tenden Charakter haben, denn diese Steuer beeinträchtigt die Dienst­leis­tungen, die in Sardinien ansässige Unternehmen Personen oder Unternehmen aus einem anderen Mitgliedstaat anbieten, sowie die Dienst­leis­tungen, die von Unternehmen angeboten werden, die in einem anderen Mitgliedstaat als Italien ansässig sind und in Sardinien Freizeitboote betreiben. Die Anwendung dieser Steuer­vor­schriften führt dazu, dass die betroffenen Dienst­leis­tungen für alle Steuer­pflichtigen mit steuerlichem Wohnsitz außerhalb der Region und für alle in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Steuer­pflichtigen teurer sind als die für die in der Region ansässigen Betreiber erbrachten Dienst­leis­tungen. Die zusätzlichen Kosten für die Abfer­ti­gungs­leis­tungen zulasten der Betreiber mit steuerlichem Wohnsitz außerhalb der Region, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, schaffen einen Vorteil für in Sardinien ansässige Unternehmen.

Beschränkung der Freizügigkeit

Der Gerichtshof sieht in der unter­schied­lichen Behandlung von Gebiets­an­sässigen und Gebietsfremden eine Beschränkung der Freizügigkeit, da kein objektiver Unterschied besteht, der die unter­schiedliche Behandlung der verschiedenen Kategorien von Steuer­pflichtigen rechtfertigen könnte.

Dass die in Sardinien steuer­pflichtigen Personen über ihre Einkommensteuer zu den Maßnahmen der Region beitragen, spielt, selbst wenn diese dem Umweltschutz dienen sollten, keine Rolle, denn die Landungssteuer und die anderen von den sardischen Steuer­pflichtigen entrichteten Steuern, die der Finanzierung sämtlicher regionaler Maßnahmen dienen, sind nicht gleichartig und dienen nicht denselben Zielen. Die unter­schiedliche Behandlung der Betreiber mit steuerlichem Wohnsitz außerhalb des Gebiets der Region, die allein zur Zahlung der Steuer verpflichtet sind, lässt sich somit nicht mit der Berufung auf den Umweltschutz rechtfertigen. Von Privat­flug­zeugen und Booten gehen zwar zweifellos Umwelt­be­las­tungen aus, diese treten jedoch unabhängig von der Herkunft und vom steuerlichen Wohnsitz ihrer Betreiber auf. Die Flugzeuge und Boote von Gebiets­an­sässigen und Gebietsfremden tragen gleichermaßen zur Beein­träch­tigung der Umwelt bei.

Im Übrigen dient die regionale Landungssteuer nicht denselben Zielen wie die von den in Sardinien ansässigen Steuer­pflichtigen gezahlten Steuern, die allgemein der Deckung des öffentlichen Haushalts der Region dienen. Dass Gebiets­an­sässige nicht zur Entrichtung der Steuer verpflichtet sind, kann somit nicht als Ausgleich für die von ihnen gezahlten anderen Steuern angesehen werden und nicht aus Gründen der Kohärenz des Steuersystems der fraglichen Region gerechtfertigt sein.

Verstoß gegen die Grundsätze des freien Wettbewerbs

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Qualifizierung einer Maßnahme als Beihilfe voraussetzt, dass alle vier kumulativen Kriterien erfüllt sind: Es muss sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln, die geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, durch die dem Begünstigten ein Vorteil gewährt wird und die den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht.

Für den Gerichtshof steht außer Zweifel, dass die Steuer den Handel zwischen Mitgliedstaaten betrifft (da sie Dienst­leis­tungen beeinträchtigt, die bei der Landung von Flugzeugen und Booten erbracht werden, und den inner­ge­mein­schaft­lichen Handel betrifft) und den Wettbewerb verfälschen kann (da sie den in Sardinien ansässigen Betreibern einen wirtschaft­lichen Vorteil verschafft). Außerdem stellt das regionale Steuergesetz, nach dem bestimmte Unternehmen nicht zur Zahlung der Steuer verpflichtet sind, einen Verzicht der Region auf die Steuereinnahmen dar, die sie normalerweise hätte erzielen können. Schließlich verschafft die Steuer ausschließlich den im Gebiet der Region ansässigen Unternehmen gegenüber gebietsfremden Unternehmen einen selektiven Steuervorteil, denn diese beiden Kategorien von Unternehmen befinden sich in dem Moment, in dem sie die Abfer­ti­gungs­dienst­leis­tungen in Sardinien in Anspruch nehmen, in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation.

Quelle: ra-online, Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

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