21.11.2024
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Sie sehen ein Flugzeug am Himmel.

Dokument-Nr. 31203

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Urteil21.12.2021Gerichtshof der Europäischen UnionC-146/20, C-188/20, C-196/20
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil21.12.2021

EuGH: Entschädigung auch bei um mehr als 1 Stunde vorverlegtem FlugEine solche Vorverlegung komme einer Annullierung gleich

Ein Flug ist als "annulliert" anzusehen, wenn das ausführende Luftfahrt­un­ter­nehmen ihn um mehr als eine Stunde vorverlegt. Dies entschied der Gerichtshof der europäischen Union.

Wurde ein bestimmter Flug gebucht, kann unter Umständen auch dann ein Ausgleichs­an­spruch gegen das ausführende Luftfahrt­un­ter­nehmen bestehen, wenn ihm die Buchung nicht übermittelt wurde.

Das Landesgericht Korneuburg (Österreich) und das Landgericht Düsseldorf (Deutschland) sind mit mehreren Rechtss­trei­tig­keiten zwischen Fluggästen sowie den Unternehmen Airhelp und flightright auf der einen Seite und den Flugge­sell­schaften Azurair, Corendon Airlines, Eurowings, Austrian Airlines und Laudamotion auf der anderen Seite wegen Ausgleichs­ansprüchen der Fluggäste, u. a. aufgrund der Vorverlegung ihres Fluges, befasst.

Diese beiden Gerichte ersuchen den Gerichtshof um eine Reihe von Klarstellungen zu den Voraussetzungen, unter denen Fluggäste die in der Verordnung über Fluggastrechte vorgesehenen Ansprüche, namentlich den Ausgleichs­an­spruch (in Höhe von, je nach Entfernung, 250 Euro, 400 Euro oder 600 Euro) bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen, erheben können.

Gerichtshof der europäischen Union nimmt Klarstellungen zur Flugga­st­rech­te­ver­ordnung vor

In seinen Urteilen nimmt der Gerichtshof folgende Klarstellungen vor: Ein Flug ist als „annulliert“ anzusehen, wenn das ausführende Luftfahrt­un­ter­nehmen ihn um mehr als eine Stunde vorverlegt.

In einem solchen Fall ist die Vorverlegung als erheblich anzusehen, denn sie kann für die Fluggäste in gleicher Weise wie eine Verspätung zu schwerwiegenden Unannehm­lich­keiten führen. Eine solche Vorverlegung nimmt den Fluggästen die Möglichkeit, frei über ihre Zeit zu verfügen und ihre Reise oder ihren Aufenthalt nach Maßgabe ihrer Erwartungen zu gestalten. So kann die neue Abflugzeit den Fluggast u. a. zwingen, erhebliche Anstrengungen zu unternehmen, um seinen Flug zu erreichen; es kann sogar sein, dass er, obwohl er alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, das Flugzeug nicht nehmen kann.

Zudem muss das ausführende Luftfahrt­un­ter­nehmen im Fall einer erheblichen Vorverlegung des Fluges, die zu einem Ausgleichs­an­spruch führt (was u. a. eine verspätete Benach­rich­tigung von der Vorverlegung voraussetzt), stets den Gesamtbetrag zahlen (d. h., je nach Entfernung, 250 Euro, 400 Euro oder 600 Euro). Das Unternehmen hat nicht die Möglichkeit, die etwaige Ausgleichs­zahlung mit der Begründung, dass es dem Fluggast eine anderweitige Beförderung angeboten habe, mit der er sein Endziel ohne Verspätung habe erreichen können, um 50 % zu kürzen.

Im Übrigen kann die vor Reisebeginn an den Fluggast gerichtete Mitteilung über die Vorverlegung des Fluges ein Angebot einer anderweitigen Beförderung darstellen. Ein Fluggast, der einen Flug gebucht hat, verfügt nicht nur dann über eine „bestätigte Buchung“ (die eine unerlässliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme der in der Verordnung vorgesehenen Rechte darstellt), wenn er im Besitz eines Flugscheins ist, sondern auch dann, wenn er von dem Reise­un­ter­nehmen, mit dem er in einer Vertrags­be­ziehung steht, einen anderen Beleg erhalten hat, durch den ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer indivi­du­a­li­sierten Flug versprochen wird.

Insoweit spielt es keine Rolle, ob das Reise­un­ter­nehmen von dem betreffenden Luftfahrt­un­ter­nehmen eine Bestätigung in Bezug auf die Abflug- und Ankunftszeit dieses Fluges erhalten hat. Von dem Fluggast kann nämlich nicht verlangt werden, dass er sich Informationen über die Beziehungen zwischen dem Reise­un­ter­nehmen und dem Luftfahrt­un­ter­nehmen beschafft.

Ferner kann ein Luftfahrt­un­ter­nehmen im Verhältnis zu einem Fluggast als „ausführendes Luftfahrt­un­ter­nehmen“ (gegen das sich die in der Verordnung vorgesehenen Ansprüche in erster Linie richten) eingestuft werden, wenn der Fluggast mit einem Reise­un­ter­nehmen einen Vertrag für einen bestimmten Flug dieses Luftfahrt­un­ter­nehmens geschlossen hat, ohne dass das Luftfahrt­un­ter­nehmen die Flugzeiten bestätigt hat und ohne dass das Reise­un­ter­nehmen bei dem Luftfahrt­un­ter­nehmen eine Buchung für den Fluggast vorgenommen hat. Ein ausführendes Luftfahrt­un­ter­nehmen, das aufgrund eines Verhaltens des Reise­un­ter­nehmens den Fluggästen eine Ausgleichs­zahlung nach der Verordnung leisten muss, hat die Möglichkeit, gegen das Reise­un­ter­nehmen Regress­ansprüche zu erheben.

Die bei der Prüfung, ob eine einen Ausgleichs­an­spruch begründende erhebliche Vorverlegung oder Verspätung vorliegt, heranzuziehende „planmäßige Ankunftszeit“ eines Fluges kann sich auch aus einem anderen Beleg als einem dem Fluggast vom Reise­un­ter­nehmen ausgestellten Flugschein ergeben.

Im Fall der Nicht­be­för­derung oder der Annullierung von Flügen muss das ausführende Luftfahrt­un­ter­nehmen den Fluggast darüber unterrichten, unter welcher genauen Unter­neh­mens­be­zeichnung und Anschrift er eine Ausgleichs­zahlung verlangen kann und welche Unterlagen er seinem Verlangen gegebenenfalls beifügen soll; es muss den Fluggast jedoch nicht über den genauen Betrag der Ausgleichs­zahlung unterrichten, die er unter Umständen beanspruchen kann.

Flugga­st­rech­te­ver­ordnung ist maßgeblich und nicht die Richtlinie über den elektronischen Geschäfts­verkehr

Ob die Verpflichtung, den Fluggast rechtzeitig über die Annullierung seines Fluges zu unterrichten, eingehalten wurde, ist ausschließlich anhand der Verordnung über Fluggastrechte zu beurteilen und nicht anhand der Richtlinie über den elektronischen Geschäfts­verkehr. Es ist davon auszugehen, dass ein Fluggast, der über einen Vermittler einen Flug gebucht hat, nicht über die Annullierung dieses Fluges unterrichtet wurde, wenn das ausführende Luftfahrt­un­ter­nehmen die Verständigung von der Annullierung dem Vermittler (etwa einer elektronischen Plattform), über den der Vertrag über die Beförderung im Luftverkehr mit dem betreffenden Fluggast geschlossen wurde, mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit übermittelt hat, der Vermittler den Fluggast aber nicht fristgerecht über die Annullierung unterrichtet hat und der Fluggast den Vermittler nicht ausdrücklich ermächtigt hat, die vom ausführenden Luftfahrt­un­ter­nehmen übermittelten Informationen entge­gen­zu­nehmen.

Schließlich kann ein Flug nicht als „annulliert“ angesehen werden, wenn das ausführende Luftfahrt­un­ter­nehmen dessen Abflugzeit ohne sonstige Änderung des Fluges um weniger als drei Stunden verschiebt.

Quelle: Gerichtshof der europäischen Union, ra-online (pm/pt)

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