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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil29.07.2024
EuGH rügt mindestens zehnjähriges Wohnsitzerfordernis in ItalienZehn Jahre Wohnsitz als Voraussetzung für Sozialhilfe zu lang
Der Zugang langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger zu einer Maßnahme der sozialen Sicherheit, der Sozialhilfe oder des Sozialschutzes darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass sie mindestens zehn Jahre in einem Mitgliedstaat gewohnt haben. Denn es handelt sich laut EuGH dabei um eine nicht gerechtfertigte mittelbare Diskriminierung.
Zwei in Italien langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige werden angeklagt, eine Straftat begangen zu haben. Ihnen wird vorgeworfen, Anträge auf das „Mindesteinkommen für Staatsangehörige“, das eine Sozialhilfeleistung zur Sicherung des Existenzminimums darstellt, unterzeichnet und darin wahrheitswidrig erklärt zu haben, dass sie die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistung erfüllten, einschließlich der Voraussetzung, mindestens zehn Jahre, davon die letzten beiden Jahre ununterbrochen, in Italien gewohnt zu haben. Sie sollen dadurch unrechtmäßig einen Betrag von insgesamt 3 414,40 Euro bzw. 3 186,66 Euro erlangt haben. Das Gericht Neapel (Italien) möchte vom Gerichtshof wissen, ob diese Wohnsitzvoraussetzung mit der Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige vereinbar ist.
Wohnsitzvoraussetzung stellt mittelbare Diskriminierung dar
Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die in Rede stehende Wohnsitzvoraussetzung eine mittelbare Diskriminierung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen darstellt. Zwar gilt diese Voraussetzung auch für Inländer, sie betrifft aber hauptsächlich Ausländer, zu denen u. a. Drittstaatsangehörige gehören. Sodann prüft der Gerichtshof, ob diese Ungleichbehandlung durch die Unterschiedlichkeit der jeweiligen Bindungen der eigenen Staatsangehörigen und der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen zu dem betreffenden Mitgliedstaat gerechtfertigt werden kann.
Frist darf nicht einseitig verlängert werden
Der Gerichtshof stellt fest, dass die Richtlinie die Voraussetzung eines ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalts von fünf Jahren im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats vorsieht, damit ein Drittstaatsangehöriger die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erlangen kann. Der Unionsgesetzgeber hat diesen Zeitraum als ausreichend angesehen, um Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats insbesondere in Bezug auf Maßnahmen der sozialen Sicherheit, der Sozialhilfe und des Sozialschutzes zu haben. Folglich kann ein Mitgliedstaat die Aufenthaltsdauer, die nach der Richtlinie erforderlich ist, damit ein langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger hinsichtlich des Zugangs zu einer solchen Maßnahme Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats beanspruchen kann, nicht einseitig verlängern. Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass es dem betreffenden Mitgliedstaat auch untersagt ist, eine falsche Erklärung betreffend eine unionsrechtswidrige Wohnsitzvoraussetzung strafrechtlich zu ahnden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.08.2024
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union, ra-online (pm/ab)
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