21.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Leipzig Urteil09.07.2020

BVerwG: Geschenke als Zugabe bei Rezepteinlösung in der Apotheke unzulässigGewährung von Sachleistungen für den Erwerb eines rezept­pflichtigen Arzneimittels stellt Verstoß gegen die arzneimittel­rechtliche Preisbindung dar

Das BVerwG hat entschieden, dass inländische Apotheken ihren Kunden beim Erwerb verschreibungs­pflichtiger Arzneimittel keine Vorteile in Form von Sachleistungen versprechen und gewähren dürfen.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin ist Inhaberin einer Apotheke im Bezirk der beklagten Apothekerkammer. Im November 2013 und im Januar 2014 gab sie Werbeflyer mit Gutscheinen heraus, die bei Abgabe eines Rezeptes gegen eine Rolle Geschenkpapier bzw. ein Paar Kuschelsocken eingelöst werden konnten.

Klagen gegen die Untersagung in Vorinstanzen erfolglos

Die Beklagte untersagte ihr daraufhin durch Ordnungs­ver­fügung vom 1. April 2014, "gekoppelt mit dem Erwerb von verschrei­bungs­pflichtigen und/oder sonstigen preisgebundenen Arzneimitteln Vorteile wie z.B. eine Rolle Geschenkpapier, ein Paar Kuschelsocken oder Gutscheine hierfür zu gewähren oder gewähren zu lassen sowie dafür zu werben oder werben zu lassen". Zur Begründung verwies sie auf ihre Berufsordnung, die es den Apothekerinnen und Apothekern verbiete, preisgebundene Arzneimittel unter Gewährung von Rabatten oder sonstigen geldwerten Vorteilen an ihre Kunden abzugeben. Die dagegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

BVerwG bejahrt Verstoß gegen die arznei­mit­tel­rechtliche Preisbindung

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen. Das Oberver­wal­tungs­gericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat im Einklang mit Bundesrecht angenommen, dass die Unter­sa­gungs­ver­fügung der Beklagten rechtmäßig ist. Die Klägerin verstößt, indem sie ihren Kunden für den Erwerb eines rezept­pflichtigen Arzneimittels eine Sachzuwendung verspricht und gewährt, gegen die arznei­mit­tel­rechtliche Preisbindung. Gemäß § 78 des Arznei­mit­tel­ge­setzes ist insbesondere für verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel ein einheitlicher Apothe­ke­n­ab­ga­bepreis zu gewährleisten; die Einzelheiten der Preisberechnung sind in der Arznei­mit­tel­preis­ver­ordnung geregelt.

EuGH: Preis­bin­dungs­verbot gilt nicht für Versan­d­a­po­theken

Gegen die Verfas­sungs­mä­ßigkeit der arznei­mit­tel­recht­lichen Preis­bin­dungs­vor­schriften bestehen auch unter Berück­sich­tigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 (C-148/15, Deutsche Parkinson Vereinigung e.V. gegen Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.) keine durchgreifenden Bedenken. Der Gerichtshof hatte entschieden, dass die Festlegung eines einheitlichen Apothe­ke­n­ab­ga­be­preises für verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel eine unzulässige Beschränkung des freien Warenverkehrs darstellt. Seit dieser Entscheidung ist aufgrund des Anwen­dungs­vorrangs des Unionsrechts das deutsche Arznei­mit­tel­preisrecht nicht auf Versan­d­a­po­theken mit Sitz im EU-Ausland anwendbar. Diese können daher im Falle des Versands an Kunden in Deutschland Rabatte und Boni auf verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel gewähren. Hierdurch werden die inländischen Apotheken, für die die Arznei­mit­tel­preis­bin­dungs­vor­schriften weiterhin gelten, nicht in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufs­aus­übungs­freiheit verletzt.

Preisbindung auch wegen ihrer Nichtgeltung für ausländische EU -Versan­d­a­po­theken nicht unver­hält­nismäßig

Die gesetzlichen Regelungen über die Preisbindung dienen vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls. Sie sind geeignet, einen Preiswettbewerb zwischen den inländischen Apotheken zu verhindern und so das Ziel des Gesetzgebers zu fördern, eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Die Preisbindung erweist sich auch nicht wegen ihrer Nichtgeltung für ausländische EU-Versan­d­a­po­theken als unver­hält­nismäßig. Angesichts des bislang geringen Marktanteils der ausländischen Arznei­mit­tel­ver­sender an der Abgabe von rezept­pflichtigen Arzneimitteln in Deutschland ist die Preisbindung für die inländischen Apotheken weiterhin zumutbar.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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