31.10.2024
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Bayerisches Landessozialgericht Urteil08.04.2013

Krankenkasse muss bei tödlicher Krebserkrankung Kosten für Behandlung mit nicht zugelassenem Medikament übernehmenRechtsgut des Patienten auf Leben überwiegt

Sind die zugelassenen Methoden der medizinischen Wissenschaft bei einer Krebstherapie als erfolglos ausgeschöpft anzusehen und ist nach ärztlicher Einschätzung eine Therapie mit einem für diese konkrete Krepsbehandlung nicht zugelassenen Medikament aufgrund gesicherter Daten als erfolgreich einzuschätzen, überwiegt unter diesen Voraussetzungen das Rechtsgut des Patienten auf Leben. Die Krankenkasse hat daher die Kosten für die Behandlung mit dem Medikament zu übernehmen. Dies entschied das Bayerische Landes­so­zi­al­gericht.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Ein 46jähriger Patient war an einem hirneigenen bösartigen Tumor erkrankt. Operative, radiologische und chemo­the­ra­peu­tische Maßnahmen konnten aber den Krebs nicht stoppen. Das Leben des Patienten war akut bedroht. Die behandelnden Ärzte einer hoch angesehenen Univer­si­täts­klinik sahen nur noch die Chance, mittels des Medikaments Avastin den tödlichen Verlauf zu stoppen oder wenigstens zu verlangsamen. Dieses Mittel ist aber für diese konkrete Krebsbehandlung nicht zugelassen. Deshalb lehnte die Kasse es ab, die Therapie zu übernehmen. Sie stützte sich dabei auf die Einschätzung des Medizinischen Dienstes (MDK).

Avastintherapie war nach ärztlicher Einschätzung als erfolgreich einzuschätzen

Das Bayerischen Landes­so­zi­al­gericht hat die Kasse im Eilverfahren zur Kosten­frei­stellung verpflichtet. Die besondere Dringlichkeit - so die Entscheidung - verbietet es, den Patienten auf ein langwieriges Verfahren mit Beweiserhebung und Sachver­stän­di­gen­gut­achten zu verweisen. Vielmehr sind die Rechtsgüter des Patienten und der Krankenkasse gegeneinander abzuwägen. Dabei sind der im Grundgesetz verankerte Schutz von Leben und Gesundheit mit den Interessen aller Beitragszahler abzuwägen, keine Kosten aussichtsloser Behandlungen zu tragen. Das bedeutet im Falle des Patienten: Die zugelassenen Methoden der medizinischen Wissenschaft waren als erfolglos ausgeschöpft anzusehen und nach ärztlicher Einschätzung war die Avastintherapie auf Grund gesicherter Daten als erfolgreich einzuschätzen. Unter diesen Voraussetzungen überwiegt das Rechtsgut des Patienten auf Leben. Das mehr oder weniger rein finanzielle Risiko einer nicht vollständig sicheren Therapie hat dahinter zurückzustehen.

Besonderheiten der Entscheidung

Die Gesetzliche Kranken­ver­si­cherung darf nur solche Medikamente übernehmen, deren Nutzen und Freiheit von Nebenwirkungen völlig gesichert sind. Diese Grund­ent­scheidung hat der Deutsche Gesetzgeber vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Arzneimittel Contergan getroffen. An dieser Gesetzeslage ändert auch die Entscheidung nichts. Geht es aber um Leben oder Tod gilt: Bieten die herkömmlichen Maßnahmen keine Aussicht auf erfolgreiche Behandlung und ist nach ärztlicher, wissen­schaftlich fundierter Kenntnis ein neues Verfahren aussichtsreich, dann müssen die Kassen auch diese Verfahren übernehmen. Das gebietet die grund­ge­setzliche Entscheidung für Leben und Gesundheit. Das gerichtliche Verfahren über zwei Instanzen hinweg hatte von der Antragstellung bis zur unanfechtbaren Entscheidung des Landes­so­zi­al­ge­richts rund einen Monat gedauert - trotz des komplexen medizinischen Hintergrundes. Bayer. LSG Beschluss vom 8.4.2013 -

Quelle: Bayerisches Landessozialgericht/ra-online

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