18.10.2024
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Bayerisches Landessozialgericht Urteil13.08.2013

Berufs­genossen­schaft muss 30 Jahre zurückliegende Infizierung mit HI-Virus als Berufskrankheit anerkennenGrippeähnliche Erkrankung nach Verletzung im Krankenhaus entspreche HIV-Infek­ti­o­ns­verlauf und lassen auf Infizierung schließen

Das Bayerische Landes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass die Berufs­genossen­schaft eine 30 Jahre zurückliegende Infizierung mit dem HI-Virus als Berufskrankheit anerkennen muss. Die von der damals 16-jährigen Kranken­haus­praktikantin geschilderte grippeähnliche Erkrankung nach einer Verletzung im Krankenhaus entspreche einem HIV-Infek­ti­o­ns­verlauf und lässt daher auf eine Infizierung mit dem Virus schließen.

Die damals 16-jährige Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens absolvierte im Sommer 1982 in einer Münchner Klinik ein mehrwöchiges Praktikum. Dabei erlitt sie mehrfach Verletzungen an Kanülen und Skalpellen. Kurze Zeit später traten bei ihr grippeähnliche Symptome auf, sie war wegen Durchfall, Fieber und Übelkeit zwei Wochen bettlägerig. Fünf Jahre später - die Klägerin war inzwischen Kinder­kran­ken­schwester - ergab eine Labor­un­ter­suchung, dass die Klägerin mit dem HIV-Virus infiziert war. Die Berufsgenossenschaft lehnte es allerdings ab, eine Berufskrankheit anzuerkennen.

Beweiswürdigung ergibt Anerkennung der HIV-Infektion als Berufskrankheit

Das Bayerische Landes­so­zi­al­gericht hat diese Entscheidung aufgehoben und den Unfall­ver­si­che­rungs­träger zur Anerkennung einer Berufskrankheit verurteilt. Der Einwand, die Klägerin hätte sich die Infektion auch im Privatleben zuziehen können, sei nicht stichhaltig. Die Klägerin sei einem besonderen Infek­ti­o­ns­risiko ausgesetzt gewesen. 1982 hätten noch keine adäquaten Verhal­tens­regeln für Nadel­stich­ver­let­zungen und dem damit verbundenen HIV-Risiko bestanden. Die geschilderte grippeähnliche Erkrankung nach der Verletzung im Krankenhaus entspreche einem HIV-Infek­ti­o­ns­verlauf. Hingegen sei die Klägerin nicht zu den typischen HIV-Risikogruppen zu zählen; insgesamt ergebe die Beweiswürdigung das Vorliegen einer Berufskrankheit.

Beweis­schwie­rig­keiten müssen nicht zur Bewei­sun­mög­lichkeit führen

Das Urteil des Bayerischen Landes­so­zi­al­ge­richts wurde rechtskräftig, die Berufs­ge­nos­sen­schaft hat eine zunächst eingelegte Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde zurückgenommen. Die Klägerin musste ihren Beruf aufgeben; heute besteht eine Minderung der Erwer­bs­fä­higkeit von 70 %. Die schicksalhafte Infektion lag zum Zeitpunkt des Urteils über 30 Jahre zurück. Die Entscheidung zeigt, dass Beweis­schwie­rig­keiten nicht zur Bewei­sun­mög­lichkeit führen müssen, wenn eine umfangreiche Beweiserhebung durchgeführt wird und die erhobenen Beweise einer profunden Beweiswürdigung unterzogen werden.

Quelle: Bayerisches Landessozialgericht/ra-online

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