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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil14.11.2007
Kein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit bei Minderjährigen
Ein minderjähriges Kind verliert die deutsche Staatsangehörigkeit nicht, wenn es eine ausländische Staatsangehörigkeit (hier die der Türkei) lediglich kraft automatischer gesetzlicher Erstreckung mit der Einbürgerung seiner Eltern erwirbt. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in drei Parallelverfahren entschieden und damit die Berufungen der Landesanwaltschaft Bayern gegen die Urteile der Verwaltungsgerichte Ansbach und Würzburg zurückgewiesen.
Das am 1. Januar 2000 in Kraft getretene Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) sieht in § 25 vor, dass ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit verliert, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag erfolgt. Nach der Vorläuferfassung der Vorschrift war dies nur dann der Fall, wenn der Betroffene weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Diese sog. Inlandsklausel hat der Gesetzgeber gestrichen, nachdem sie von zahlreichen Neubürgern dazu genutzt worden war, die im Zusammenhang mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband aufgegebene frühere Staatsangehörigkeit wieder zurückzuerwerben.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat hierzu bereits am 23. September 2005 entschieden, dass die Neufassung des § 25 StAG auch auf diejenigen Personen Anwendung findet, die noch vor Wegfall der Inlandsklausel im Widerspruch zu den gegenüber den deutschen Behörden eingegangenen Verpflichtungen einen Antrag auf Wiedererwerb ihrer früheren Staatsangehörigkeit gestellt haben (Az. 5 C 05.2108). Das hatte zur Folge, dass zahlreiche v.a. türkischstämmige Neubürger die deutsche Staatsangehörigkeit wieder verloren haben. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung als verfassungskonform bestätigt (Verlust des deutschen Passes nach Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit zulässig (Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 08.12.2006 - 2 BvR 1339/06 -)).
In den nun entschiedenen Fällen hatten die Eltern der damals noch minderjährigen Kläger 1999 unmittelbar nach Einbürgerung in die deutsche Staatsangehörigkeit beim türkischen Generalkonsulat den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit beantragt, in die sie 2001 von den türkischen Behörden zusammen mit ihren Kindern erneut aufgenommen wurden. Die deutschen Behörden vertraten die Ansicht, dass damit nicht nur die Eltern, sondern auch die Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hätten, weil auch für die Kinder von einem Erwerb "auf Antrag" ausgegangen werden müsse. Die Kläger machten demgegenüber geltend, dass ihre Eltern einen Antrag nur für sich selbst, nicht aber für die Kinder gestellt hätten. Die Anträge der Eltern konnten sie allerdings nicht vorlegen, weil ihnen die türkischen Behörden trotz wiederholter Anfragen weder Akteneinsicht gewährten, noch Aktenauszüge zur Verfügung stellten.
Der Verwaltungsgerichtshof ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kläger die türkische Staatsangehörigkeit entsprechend dem türkischen Staatsangehörigkeitsgesetz als minderjährige Kinder automatisch mit der Wiedereinbürgerung ihres Vaters erworben haben. Das führe bei den Kindern aber nicht zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit. Insofern fehle es an dem dazu erforderlichen Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit auf "Antrag" der sorgeberechtigten Eltern. Das Gericht geht in den konkreten Fällen bereits davon aus, dass die Eltern beim türkischen Generalkonsulat nicht auch für ihre minderjährigen Kinder einen Wiedereinbürgerungsantrag gestellt haben, zumal das nach dem türkischen Recht überflüssig sei. Dass es den Klägern trotz ihrer Bemühungen nicht gelungen sei, von den türkischen Behörden Unterlagen zu erhalten, könne ihnen nicht zur Last gelegt werden. Doch selbst wenn ein solcher Antrag der sorgeberechtigten Eltern vorliegen würde, scheide ein Erwerb "auf Antrag" aus. Denn § 25 StAG setzt nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof auch bei minderjährigen Kindern voraus, dass der Antrag ursächlich für den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit geworden sein muss. Diese Ursächlichkeit fehle, wenn die Einbürgerung ausschließlich kraft Gesetzes im Wege der Erstreckung und damit unabhängig von einer Willensbekundung der Eltern erfolge. Eine elterliche Willensbekundung könne den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nicht rechtfertigen, wenn das Recht des aufnehmenden Staates ihr keinerlei rechtliche Bedeutung beimesse und die Einbürgerung zwingend auf die minderjährigen Kinder erstrecke.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 30.11.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VGH Bayern vom 30.11.2007
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