15.11.2024
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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil14.11.2007

Kein Verlust der deutschen Staats­an­ge­hö­rigkeit durch Wiedererwerb der türkischen Staats­an­ge­hö­rigkeit bei Minderjährigen

Ein minderjähriges Kind verliert die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit nicht, wenn es eine ausländische Staats­an­ge­hö­rigkeit (hier die der Türkei) lediglich kraft automatischer gesetzlicher Erstreckung mit der Einbürgerung seiner Eltern erwirbt. Dies hat der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof in drei Paral­lel­ver­fahren entschieden und damit die Berufungen der Landes­an­walt­schaft Bayern gegen die Urteile der Verwal­tungs­ge­richte Ansbach und Würzburg zurückgewiesen.

Das am 1. Januar 2000 in Kraft getretene Staats­an­ge­hö­rig­keits­gesetz (StAG) sieht in § 25 vor, dass ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staats­an­ge­hö­rigkeit verliert, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag erfolgt. Nach der Vorläu­fer­fassung der Vorschrift war dies nur dann der Fall, wenn der Betroffene weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Diese sog. Inlandsklausel hat der Gesetzgeber gestrichen, nachdem sie von zahlreichen Neubürgern dazu genutzt worden war, die im Zusammenhang mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband aufgegebene frühere Staats­an­ge­hö­rigkeit wieder zurück­zu­er­werben.

Der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof hat hierzu bereits am 23. September 2005 entschieden, dass die Neufassung des § 25 StAG auch auf diejenigen Personen Anwendung findet, die noch vor Wegfall der Inlandsklausel im Widerspruch zu den gegenüber den deutschen Behörden eingegangenen Verpflichtungen einen Antrag auf Wiedererwerb ihrer früheren Staats­an­ge­hö­rigkeit gestellt haben (Az. 5 C 05.2108). Das hatte zur Folge, dass zahlreiche v.a. türkisch­stämmige Neubürger die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit wieder verloren haben. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat diese Rechtsprechung als verfas­sungs­konform bestätigt (Verlust des deutschen Passes nach Erwerb einer ausländischen Staats­an­ge­hö­rigkeit zulässig (Bundes­ver­fas­sungs­gericht, Beschluss v. 08.12.2006 - 2 BvR 1339/06 -)).

In den nun entschiedenen Fällen hatten die Eltern der damals noch minderjährigen Kläger 1999 unmittelbar nach Einbürgerung in die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit beim türkischen Generalkonsulat den Wiedererwerb der türkischen Staats­an­ge­hö­rigkeit beantragt, in die sie 2001 von den türkischen Behörden zusammen mit ihren Kindern erneut aufgenommen wurden. Die deutschen Behörden vertraten die Ansicht, dass damit nicht nur die Eltern, sondern auch die Kinder die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit verloren hätten, weil auch für die Kinder von einem Erwerb "auf Antrag" ausgegangen werden müsse. Die Kläger machten demgegenüber geltend, dass ihre Eltern einen Antrag nur für sich selbst, nicht aber für die Kinder gestellt hätten. Die Anträge der Eltern konnten sie allerdings nicht vorlegen, weil ihnen die türkischen Behörden trotz wiederholter Anfragen weder Akteneinsicht gewährten, noch Aktenauszüge zur Verfügung stellten.

Der Verwal­tungs­ge­richtshof ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kläger die türkische Staats­an­ge­hö­rigkeit entsprechend dem türkischen Staats­an­ge­hö­rig­keits­gesetz als minderjährige Kinder automatisch mit der Wieder­ein­bür­gerung ihres Vaters erworben haben. Das führe bei den Kindern aber nicht zum Verlust der deutschen Staats­an­ge­hö­rigkeit. Insofern fehle es an dem dazu erforderlichen Erwerb einer ausländischen Staats­an­ge­hö­rigkeit auf "Antrag" der sorge­be­rech­tigten Eltern. Das Gericht geht in den konkreten Fällen bereits davon aus, dass die Eltern beim türkischen Generalkonsulat nicht auch für ihre minderjährigen Kinder einen Wieder­ein­bür­ge­rungs­antrag gestellt haben, zumal das nach dem türkischen Recht überflüssig sei. Dass es den Klägern trotz ihrer Bemühungen nicht gelungen sei, von den türkischen Behörden Unterlagen zu erhalten, könne ihnen nicht zur Last gelegt werden. Doch selbst wenn ein solcher Antrag der sorge­be­rech­tigten Eltern vorliegen würde, scheide ein Erwerb "auf Antrag" aus. Denn § 25 StAG setzt nach Auffassung des Bayerischen Verwal­tungs­ge­richtshof auch bei minderjährigen Kindern voraus, dass der Antrag ursächlich für den Erwerb der fremden Staats­an­ge­hö­rigkeit geworden sein muss. Diese Ursächlichkeit fehle, wenn die Einbürgerung ausschließlich kraft Gesetzes im Wege der Erstreckung und damit unabhängig von einer Willens­be­kundung der Eltern erfolge. Eine elterliche Willens­be­kundung könne den Verlust der deutschen Staats­an­ge­hö­rigkeit nicht rechtfertigen, wenn das Recht des aufnehmenden Staates ihr keinerlei rechtliche Bedeutung beimesse und die Einbürgerung zwingend auf die minderjährigen Kinder erstrecke.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VGH Bayern vom 30.11.2007

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