23.11.2024
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Dokument-Nr. 3628

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Bundesverfassungsgericht Beschluss08.12.2006

Verlust des deutschen Passes nach Erwerb einer ausländischen Staats­an­ge­hö­rigkeit zulässigErfolglose Verfas­sungs­be­schwerde eines Türken

Das am 15. Juli 1999 verkündete und am 1. Januar 2000 in Kraft getretene Staats­an­ge­hö­rig­keits­gesetz (StAG) sieht in § 25 vor, dass ein Deutscher seine Staats­an­ge­hö­rigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staats­an­ge­hö­rigkeit verliert, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag hin erfolgt. Nach der Vorläu­fer­fassung der Vorschrift war dies nur für den Fall vorgesehen, dass der Betroffene weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Diese Inlandsklausel hat der Gesetzgeber gestrichen, nachdem sie von zahlreichen Neubürgern dazu genutzt worden war, die im Zusammenhang mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband aufgegebene frühere Staats­an­ge­hö­rigkeit unmittelbar nach der Einbürgerung ohne Verlust der deutschen Staats­an­ge­hö­rigkeit zurück­zu­er­werben. Von der Änderung, die dieser Praxis die Grundlage entziehen sollte, ist eine große Zahl in Deutschland lebender und hier eingebürgerter Personen betroffen.

Der Beschwer­de­führer wurde im März 1999 in den deutschen Staatsverband eingebürgert. Seine türkische Staats­an­ge­hö­rigkeit hatte er im Zusammenhang damit aufgegeben. Auf seinen Antrag vom Juni 1999 erwarb er im Februar 2001 erneut die türkische Staats­an­ge­hö­rigkeit. Daraufhin zog die Stadt Frankfurt am Main die deutschen Ausweispapiere des Beschwer­de­führers ein. Hiergegen erhob der Beschwer­de­führer Klage vor den Verwal­tungs­ge­richten. Nach seiner Auffassung müssen Personen, die wie er den Antrag auf Erwerb einer anderen Staats­an­ge­hö­rigkeit noch zur Zeit der Geltung der Inlandsklausel gestellt haben, aber erst nach dem 1. Januar 2000 in dem anderen Staat eingebürgert worden sind, von der Anwendung des § 25 StAG ausgenommen werden. Seine Klage blieb ohne Erfolg. Die hiergegen gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde wurde von der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ist nicht verletzt. Bei dem im vorliegenden Fall eingetretenen Verlust der deutschen Staats­an­ge­hö­rigkeit handelt es sich nicht um eine verbotene Entziehung der Staats­an­ge­hö­rigkeit.

1. Eine gesetzliche Regelung, die den Verlust der Staats­an­ge­hö­rigkeit an den freiwilligen, antragsgemäßen Erwerb einer ausländischen Staats­an­ge­hö­rigkeit knüpft, begegnet keinen grundsätzlichen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. Der Betroffene hat es selbst in der Hand, die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit zu behalten. Die unter Umständen sich ergebende Notwendigkeit, sich zwischen der deutschen und der ausländischen Staats­an­ge­hö­rigkeit zu entscheiden, ist auch nicht als solche schon unzumutbar. Sie ist Folge der verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstandenden Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine unein­ge­schränkte Hinnahme von Mehrstaatigkeit.

2. Die Anwendbarkeit des § 25 StAG auf Anträge, die vor dem Inkrafttreten der Vorschrift gestellt wurden, läuft der Verlässlichkeit des Staats­an­ge­hö­rig­keits­status, die Art. 16 Abs. 1 GG gewährleistet, nicht zuwider. Auch der verfas­sungs­rechtlich gebotene Vertrau­ens­schutz steht der Anwendung nicht entgegen.

Der Wortlaut des § 25 Abs. 1 StAG weckt keinen Zweifel daran, dass die Bestimmung Fälle des Erwerbs einer ausländischen Staats­an­ge­hö­rigkeit auch dann erfasst, wenn der zugrunde liegende Antrag schon vor ihrem Inkrafttreten gestellt wurde.

Die Disposition, die der Beschwer­de­führer mit seinem Antrag auf Rückerwerb der türkischen Staats­an­ge­hö­rigkeit getroffen hat, ist schon insofern nur eingeschränkt schutzwürdig, als sie noch nach Verkündung und sogar nach dem Inkrafttreten der Neufassung des § 25 StAG ohne besonderen Aufwand durch Rücknahme des Antrags hätte rückgängig gemacht werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beschwer­de­führer besonderen Anlass hatte, sich über die Rechtsfolgen des von ihm beantragten Rückerwerbs der türkischen Staats­an­ge­hö­rigkeit auf dem Laufenden zu halten. Anlass, die Entwicklung der staats­an­ge­hö­rig­keits­recht­lichen Rechtslage bis zum Abschluss des in Gang gesetzten ausländischen Wieder­ein­bür­ge­rungs­ver­fahrens weiter zu verfolgen, bestand hier vor allem deshalb, weil der Beschwer­de­führer mit dem Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staats­an­ge­hö­rigkeit eine Gesetzeslücke zu nutzen beabsichtigte, deren Schließung der Gesetzgeber bereits seit längerer Zeit erwog. Die Bedeutung, die das geltende deutsche Staats­an­ge­hö­rig­keitsrecht trotz verschiedener Ausnahmen im Grundsatz bis heute der Vermeidung von Mehrstaatigkeit zumisst, stand dem Beschwer­de­führer, als er den Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staats­an­ge­hö­rigkeit stellte, angesichts des eben erst abgeschlossenen Einbür­ge­rungs­ver­fahrens deutlich vor Augen; denn in diesem Verfahren war ihm die Aufgabe seiner türkischen Staats­an­ge­hö­rigkeit abverlangt worden. Also musste ihm bewusst sein, dass er durch die sofortige Wieder­be­an­tragung der türkischen Staats­an­ge­hö­rigkeit einen Umweg zu der Doppel­staats­an­ge­hö­rigkeit wählte, die ihm der Gesetzgeber mit den geltenden einbür­ge­rungs­recht­lichen Bestimmungen gerade verwehren wollte, und dass er sich insofern anschickte, eine Gesetzeslücke zu nutzen. Dies zu tun, stand ihm frei; er konnte aber nicht darauf zählen, dass der Gesetzgeber keine Anstalten treffen würde, diese Absicht zu durchkreuzen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 02/07 des BVerfG vom 10.01.2007

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